Suchen Hilfe
VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0428

VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0428

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des H, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/162492/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste am legal zum Zweck der Absolvierung des Medizinstudiums nach Österreich ein. Er verfügte ab August 2002 über eine für die Durchführung eines Studiums erforderliche Aufenthaltserlaubnis, die wiederholt - zuletzt bis zum - verlängert wurde.

Nachdem der Beschwerdeführer am niederschriftlich darüber informiert worden war, dass bei (weiterhin) fehlendem Studienerfolg die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nicht mehr erfolgen werde, wurde sein Verlängerungsantrag vom mit dem im Instanzenzug ergangenen rechtskräftigen Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer ab dem Jahr 2005 bis zum Wintersemester 2008 den gemäß § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 (UG) erforderlichen Studienerfolgsnachweis nicht erbracht habe.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer daraufhin gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Sie begründete dies zusammengefasst damit, dass sich der Beschwerdeführer - nach rechtskräftiger Abweisung seines Verlängerungsantrags - seit Anfang Dezember 2008, somit seit beinahe sechs Monaten, unrechtmäßig in Österreich aufhalte, sodass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung dieses hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses sei gegenständlich von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers.

Dem monatelangen unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers würden seine Integration, die sich im Wesentlichen aus der Dauer seines Aufenthalts ergebe, und eher geringe familiäre Bindungen gegenüberstehen. So erfasse der Schutzumfang des § 66 FPG die Beziehungen zu anderen Verwandten als Eltern und Kindern nur, wenn diese im gemeinsamen Haushalt mit dem Fremden wohnten, was beim Beschwerdeführer nicht der Fall sei. Die persönlichen Interessen würden in ihrem Gewicht einerseits dadurch entscheidend gemindert, dass die erteilten Aufenthaltstitel nicht zur Niederlassung berechtigt hätten; andererseits sei der Studienerfolg nicht adäquat gewesen. Die dem Beschwerdeführer am ärztlich attestierte depressive Verhaltensstörung, an der er seit zwei Jahren leide, beziehe sich erst auf eine Zeit ab etwa April 2007. Zu diesem Zeitpunkt habe er aber schon fast zwei Jahre keinen Studienerfolg mehr erbracht. Unter diesen Umständen könne weder sein Erwerb einer Eigentumswohnung in Wien, seine ehrenamtliche Tätigkeit als Sozialreferent der Vereinigung syrischer Studierender und Akademiker in Österreich noch die allfällig fehlende Möglichkeit, das Studium im Heimatstaat fortzuführen, - wobei der Beschwerdeführer letzteres nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht habe - eine für ihn günstigere Abwägung herbeiführen.

Die belangte Behörde erkannte schließlich auch keine besonderen Umstände, die eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung zugelassen hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (Mai 2009) geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels rechtskräftig abgewiesen. Die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, erweist sich daher nicht als rechtswidrig.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0326, mwN).

Der Beschwerdeführer wendet sich ausschließlich gegen die gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung der belangten Behörde und verweist in diesem Zusammenhang auf die Dauer seines überwiegend rechtmäßigen Aufenthalts von "rund sieben Jahren" und seine "äußerst intensiven familiären und privaten Bindungen" im Inland zu seinem Bruder, seinem "österreichischen" Onkel und seiner Tante. Er verfüge über ausgezeichnete Deutschkenntnisse, studiere seit Jahren ernsthaft Medizin und habe im letzten Studienjahr auch einen Studienerfolg nachweisen können. Überdies sei er ehrenamtlich als Sozialreferent der Vereinigung syrischer Studierender und Akademiker in Österreich tätig, was seine überdurchschnittlich intensiven privaten Bindungen zum Bundesgebiet unterstreiche.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf, hat die belangte Behörde doch die aufgezeigten Umstände ohnedies bei ihrer Interessenabwägung gemäß § 66 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers ausreichend berücksichtigt. Die belangte Behörde hat aber auch zu Recht ausgeführt, dass die familiären Bindungen zu den in Österreich befindlichen Verwandten, die ebenso wie der Beschwerdeführer volljährig sind, schon dadurch relativiert werden, dass diese mit dem Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt leben (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0204). Wenn die Beschwerde erstmals vorbringt, dass sich zum Onkel "im Lauf der Jahre" eine Vater-Kind ähnliche Beziehung entwickelt habe, handelt es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Die belangte Behörde hat zutreffend aber auch berücksichtigt, dass die aus den dargestellten Umständen ableitbaren persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich in ihrem Gewicht entscheidend dadurch gemindert werden, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers bisher nur zu dem - vorübergehenden - Zweck des Studiums berechtigt war. Soweit die Beschwerde nunmehr abgelegte Prüfungen ins Treffen führt und - abermals - auf eine psychische Erkrankung des Beschwerdeführers rekurriert, die zunächst einen Studienerfolg verhindert habe, ist sie auf das rechtskräftig abgeschlossene Aufenthaltstitelverfahren zu verweisen.

Das Beschwerdevorbringen zu einer fehlenden Behandlungsmöglichkeit im Heimatland des Beschwerdeführers bleibt unsubstantiiert. So ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attest lediglich, dass der Beschwerdeführer wegen einer "depressiven Verhaltensstörung" nach einer nicht bestandenen Prüfung und einem familiären Todesfall medikamentös behandelt werde. Die Beschwerde unterlässt jegliche konkrete Angaben, warum die medikamentöse Therapie im Heimatstaat nicht fortgesetzt werden könnte. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich aber schon ausgesprochen, dass es dem Fremden obliege, substantiiert darzulegen, auf Grund welcher Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese nur in Österreich erfolgen könne. Denn nur dann wäre ein sich daraus (allenfalls) ergebendes privates Interesse im Sinn des Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0282, mwN). Zu den von der Beschwerde in diesem Zusammenhang geltend gemachten Ermittlungsmängeln fehlt daher eine ausreichende Relevanzdarstellung.

Die belangte Behörde hat den Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet zu Recht das hoch zu veranschlagende Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - gegenüber gestellt. Es ist ihr daher nicht entgegenzutreten, wenn sie in dem - bereits mehrmonatigen - unrechtmäßigen Verbleib des Beschwerdeführers trotz rechtskräftig negativem Abschluss seines Titelverfahrens eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat.

Vor diesem Hintergrund ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unverhältnismäßig betrachtet hat. An dieser Einschätzung vermag auch die von der Beschwerde hervorgehobene strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nichts zu ändern.

Die belangte Behörde musste schließlich entgegen der Beschwerdeansicht wegen der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebrachten finanziellen Unterstützung durch seine in seinem Herkunftsstaat befindliche Familie und angesichts seiner Einreise nach Österreich erst im Alter von 19 Jahren auch nicht vom Fehlen jeglicher Bindungen zu seinem Heimatland ausgehen. Dass es ihm aber allenfalls unmöglich ist, das - in Österreich nicht mit ausreichendem Erfolg betriebene - Medizinstudium im Heimatstaat fortzusetzen, hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen.

Die Beschwerde zeigt schließlich auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
EAAAE-93807