VwGH vom 30.06.2015, Ro 2015/17/0012

VwGH vom 30.06.2015, Ro 2015/17/0012

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

Ro 2015/17/0013

Ro 2015/17/0015

Ro 2015/17/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger als Richter bzw Richterinnen, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Revisionen 1. des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5 (protokolliert zu hg Ro 2015/17/0012 und 0013), und 2. der Bezirkshauptmannschaft P (protokolliert zu hg Ro 2015/17/0014 und 0015), gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , LVwG-410481/2/Gf/Rt und LVwG-410481/2/Gf/Rt, betreffend Beschlagnahmen nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. A GmbH in R und 2. JT in L, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft P vom wurde gegenüber den mitbeteiligten Parteien als Eigentümer wegen des (anlässlich einer Kontrolle am gewonnenen) Verdachts der Durchführung von Glücksspielen in Form von verbotenen Ausspielungen die Beschlagnahme zweier näher bezeichneter Glücksspielgeräte gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a Glücksspielgesetz (GSpG) angeordnet.

Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Beschwerde gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) dahin statt, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben werde. Weiters sprach das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei, weil bislang eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des § 52 GSpG (idF BGBl I Nr 13/2014) im Lichte der Art 90 ff B-VG fehle.

In der Begründung seines Erkenntnisses führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im Wesentlichen aus, nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes führe schon die Möglichkeit sehr hoher Geldstrafen nach dem GSpG (die sich insbesondere dadurch ergäben, dass diese Strafen hinsichtlich jedes einzelnen Glücksspielgerätes zu verhängen seien) auch zu einer (ausschließlichen) gerichtlichen Strafbarkeit. Überdies werde aufgrund der Möglichkeit eines Serienspiels bei jeder einzelnen Ausspielung zumindest der Versuch einer gerichtlich strafbaren Handlung gemäß § 168 StGB gesetzt. Insoweit bestehe somit auch keine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit zur Anordnung der im § 53 GSpG angeführten Sicherungsmaßnahmen. Des Weiteren gebe es im vorliegenden Fall keine Hinweise auf bei der Kontrolle angetroffene, an den (später beschlagnahmten) Geräten spielende Personen, sodass ausschließlich eine versuchte Begehung des § 168 Abs 1 StGB angelastet werden könne, weil eine versuchte Übertretung des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG iVm § 8 VStG nicht strafbar sei. Überdies verfolge das im GSpG verankerte Monopolsystem nicht die Ziele des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung, sondern diene in erster Linie der Maximierung der Staatseinnahmen. Damit erweise es sich insgesamt als unverhältnismäßig, weshalb sich auch das darauf fußende strikte Sanktionensystem (weitreichende Straftatbestände, hohe Strafdrohungen und unmittelbare Eingriffsbefugnisse in Form von Beschlagnahme, Einziehung und Betriebsschließung) als unionsrechtswidrig erweise.

Gegen dieses Erkenntnis richten sich die vorliegenden Revisionen des Bundesministers für Finanzen und der Bezirkshauptmannschaft P mit den Anträgen, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen dessen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 Abs 1 GSpG lautet (samt Überschrift):

"Ausspielungen

§ 2. (1) Ausspielungen sind Glücksspiele,

1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert,

anbietet oder zugänglich macht und

2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte

Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel

erbringen (Einsatz) und

3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von

anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn)."

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erweist sich als zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich dem hg Erkenntnis vom , Ra 2015/17/0005, widerspricht.

Zur Auslegung des § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I Nr 13/2014 wird auf das hg Erkenntnis vom , Ra 2015/17/0005, verwiesen, wonach aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes des § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I Nr 13/2014 sowie der diesbezüglichen Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage kein Platz für Zweifel bleibt, dass mit dieser Novelle des Glücksspielgesetzes die nahezu vollständige Ausschließung der strafgerichtlichen Zuständigkeit intendiert gewesen ist. Bei Vorliegen eines Verdachts, dass mit bestimmten Gegenständen gegen die Bestimmung des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen worden sei, besteht somit gemäß § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I Nr 13/2014 iVm § 53 Abs 1 Z 1 lit a GSpG die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zur Beschlagnahme dieser Gegenstände.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0007 bis 0009, ausgesprochen hat, erfahren Serienspiele hinsichtlich der Zuständigkeitsprüfung keine Sonderbehandlung. Zu prüfen ist ausschließlich, ob für die Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz eine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit gegeben ist. Ist dies der Fall, dann geht die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit im Sinne der Subsidiaritätsregel des § 52 Abs 3 GSpG in der hier ebenfalls anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 13/2014 jedenfalls einer allfälligen gerichtlichen Zuständigkeit vor.

Zur Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, wonach im Lichte der §§ 90 ff B-VG (vgl insbesondere Art 94 B-VG) die nach dem GSpG möglichen Strafhöhen jedenfalls die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit erforderlich machten, ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 203/2014-16 ua, zu verweisen. In diesem wurde zu § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I 13/2014 ua ausgeführt (Rz 153):

"...

Der Verfassungsgerichtshof kann im konkreten Fall nicht erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Strafdrohung in § 52 GSpG idF BGBl. I 13/2014 den ihm zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten hat. In Hinblick auf diese verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Strafbemessung der verpönten Handlungen besteht für den Gesetzgeber keine Verpflichtung, die Verfolgung und Ahndung dieser Straftaten der Strafgerichtsbarkeit zuzuweisen.

..."

Auch aus den verfassungsrechtlichen Überlegungen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich lässt sich somit für dessen Rechtsstandpunkt nichts gewinnen.

Zur Annahme des Landesverwaltungsgerichts, der gegenständlichen Beschlagnahme liege nur eine (verwaltungsrechtlich nicht strafbare) versuchte Übertretung des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG zugrunde, weil bei der Kontrolle keine spielenden Personen angetroffen worden seien, genügt es, auf den Wortlaut des § 2 Abs 1 GSpG zu verweisen. Daraus ergibt sich, dass es auf das tatsächliche Bespielen der Geräte nicht ankommt.

Aus den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts geht hervor, dass im vorliegenden Fall die verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräte betriebsbereit in einer Gaststätte aufgestellt waren, sodass für die Annahme eines bloßen Versuchs kein Raum bleibt.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat seine aufhebende Entscheidung auch darauf gestützt, dass "die derzeit bestehende Monopolregelung in Verbindung mit einem zu dessen Effektuierung institutionalisierten strikten Sanktionensystem ... insgesamt besehen unverhältnismäßig ist" und daraus auf die Unionsrechtswidrigkeit des Monopolsystems als auch des darauf beruhenden Sanktionensystems geschlossen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem (ebenfalls ein Beschlagnahmeverfahren betreffenden) Erkenntnis vom , Ro 2014/17/0126, ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen habe, wenn eine in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehene Regelung gegen das Unionsrecht verstoßen sollte und deswegen unangewendet zu bleiben hätte. Dabei wäre aber zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht sämtliche nationalen Vorschriften auf dem Gebiet des Glücksspielwesens unangewendet zu bleiben hätten, wenn nur eine Regelung auf diesem Gebiet nicht unionsrechtskonform wäre, sondern nur jene Rechtsvorschriften, die im Widerspruch zum Unionsrecht stünden (, mwN).

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich traf im angefochtenen Erkenntnis aber weder Feststellungen dazu, ob im gegenständlichen Fall überhaupt ein Unionsrechtsbezug gegeben war, sodass Unionsrecht unmittelbar anwendbar wäre, noch, ob die Monopolregelung, insbesondere hinsichtlich ihrer tatsächlichen Wirkung, den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht. Dass das Monopolsystem "nur vordergründig das Ziel des Spielerschutzes" und "nicht wirklich das Ziel der Kriminalitätsbekämpfung" verfolge, stellt sich mangels konkreter Feststellungen aus dem Tatsachenbereich ebenso als reine Mutmaßung dar wie die Aussage, dass mit dem Monopolsystem "das Ziel einer Maximierung der Staatseinnahmen verfolgt" werde. Um eine solche Beurteilung vornehmen zu können, hätte das Verwaltungsgericht Oberösterreich aber nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens konkrete Tatsachenfeststellungen zu treffen gehabt, aus denen erst abzuleiten gewesen wäre, dass durch im vorliegenden Fall anzuwendende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes vorgenommene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (nicht) gerechtfertigt sind (vgl ). Somit erweist sich das angefochtene Erkenntnis auch in dieser Hinsicht als rechtswidrig.

Das angefochtene Erkenntnis war daher aus den genannten Gründen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen.

Wien, am