VwGH vom 26.04.2016, Ra 2015/09/0141

VwGH vom 26.04.2016, Ra 2015/09/0141

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Maga. Höhl, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-2229/001-2015, betreffend Einstellung von Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: ZZ in W, vertreten durch Dr. Alice Gao und Mag. Monika Keki-Angermann, Rechtsanwältinnen in 1080 Wien, Lerchenfelder Straße 89-90), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom wurde die Mitbeteiligte als Inhaberin einer Einzelfirma für schuldig erkannt, sie habe es zu verantworten, dass sie vier namentlich angeführte serbische Staatsangehörige am als Abwäscher bzw. Putzkräfte beschäftigt habe, ohne dass für diese eine nach § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) erforderliches Papier (Bewilligung, Bestätigung oder Nachweis) ausgestellt worden sei.

Die Mitbeteiligte habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) verletzt und über sie wurden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 Schlusssatz AuslBG jeweils Geldstrafen in vier Fällen von jeweils EUR 2.000,- und jeweils Ersatzfreiheitsstrafen von 68 Stunden verhängt.

Dagegen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde, bezüglich des Vorwurfs der Beschäftigung einer der Ausländerinnen wendete sie sich nur gegen die Strafhöhe. Die Mitbeteiligte bestritt in der Beschwerde die Beschäftigung der übrigen drei Ausländer und beantragte insoferne die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde der Mitbeteiligten ohne weitere Verfahrensschritte dahingehend stattgegeben, dass der Schuldspruch hinsichtlich der Beschäftigung einer Ausländerin aufrecht blieb und insoferne die Geldstrafe auf EUR 1.000,- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herabgesetzt wurde und im Übrigen aber das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung aufgehoben und das Strafverfahren hinsichtlich der Beschäftigung der weiteren drei Ausländer eingestellt wurde.

Das Verwaltungsgericht Niederösterreich begründete das angefochtene Erkenntnis zusammengefasst damit, dass nur eine der Ausländer/innen von der Mitbeteiligten beschäftigt worden sei. Bei den übrigen Ausländern habe es sich um den Lebensgefährten sowie die Kinder dieser Ausländerin gehandelt, die ohne Erlaubnis und ohne Wissen der Mitbeteiligten in das Lokal der Mitbeteiligten gelangt seien und dort die Arbeit der erstangeführten Ausländerin verrichtet hätten, die sich am auf Urlaub befunden hätte. Wenn überhaupt liege nur ein bloßer Freundschaftsdienst vor.

Dagegen richtet sich die Revision. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat die Akten vorgelegt und die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist aus den im hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/09/0125, angeführten Gründen sowohl zulässig als auch begründet. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis dargelegt hat, hätte auf Grund des - auch im Verfahren über Beschwerden gegen Verwaltungsstraferkenntnisse geltenden § 10 VwGVG - die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde oder im Fall von deren Untätigkeit - jedenfalls das Verwaltungsgericht die Beschwerde auch der Abgabenbehörde als Partei des Verfahrens gemäß § 28a Abs. 1 AuslBG iVm § 17 VwGVG übermitteln müssen. Wenn auch die Abgabenbehörde als Formalpartei keine subjektiv-öffentlichen Rechte hatte, so kamen ihr doch die prozessual-subjektiven Rechte einer Partei des Verfahrens zu.

Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht dient nicht bloß der Klärung des Sachverhaltes und der Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch der Klärung von Rechtsfragen und das Verwaltungsgericht hätte auch der Abgabenbehörde, die gemäß § 28a Abs. 1 AuslBG Parteistellung besaß, in die Lage versetzen müssen, dazu ihre Ausführungen zu erstatten um das Gericht von ihrem Standpunkt zu überzeugen (vgl. zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zur Erörterung der Rechtsfrage das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/09/0007).

Angesichts der im Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten grundsätzlich geltenden Befugnis aller Parteien des Verfahrens, sowohl ein neues Tatsachenvorbringen als auch ergänzende Beweisanbote zu erstatten als auch neue rechtliche Argumente vorzutragen, folgt auch, dass die Möglichkeit zur Ausübung dieser Befugnis allen Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht gleichermaßen eingeräumt werden muss. Daraus ergibt sich, dass die Parteien von der Beschwerde und von dem aus dieser hervorgehenden rechtlichen Rahmen für ein weiteres Vorbringen in Kenntnis gesetzt werden müssen. Dabei ist nach dem Gesagten nicht von entscheidender Bedeutung, ob in der Beschwerde neue Tatsachen oder Beweise geltend gemacht wurden.

Dies hat das Verwaltungsgericht verkannt und der Revisionswerber rügt auch zu Recht, dass es gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen hätte müssen, weil kein Grund für die Abstandnahme von der Durchführung einer solchen gemäß § 44 Abs. 3 VwGVG zu ersehen ist. Auf das Erkenntnis vom , Ra 2015/09/0125, wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Wien, am