VwGH vom 24.05.2012, 2009/16/0028
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner, Dr. Helmut Platzgummer, Mag. Alexander Ebner und Mag. Caroline Klus, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kohlmarkt 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1769- W/07, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde im Instanzenzug gegenüber dem Beschwerdeführer Schenkungssteuer in der Höhe von 5.332,80 EUR fest. Der Beschwerdeführer habe bei einer Vernehmung durch das Finanzamt bekannt gegeben, dass er den in einem näher genannten Kaufvertrag beurkundeten Kaufpreis für den Erwerb einer Eigentumswohnung in Wien samt Kfz-Abstellplatz durch ein Darlehen seines Vaters in Höhe von 184.000 EUR finanziert habe. Über das zinsenlose und ohne Wertsicherungsvereinbarung gewährte Darlehen sei keine Urkunde ausgestellt worden und er habe mit seinem Vater vereinbart, dass der Darlehensbetrag dann zurückzuzahlen sei, wenn er ausreichend verdiene.
Im Beschwerdefall - so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - sei durch den Verzicht auf die im Wirtschaftsverkehr für Darlehen üblicherweise zu zahlenden Zinsen eine Bereicherung im Vermögen des Beschwerdeführers auf Kosten dessen Vaters als Darlehensgeber eingetreten. Bei der Gewährung des zinsenlosen Darlehens des Vaters an den Sohn liege es nahe, dass der Bedachte begünstigt werden sollte. Es sei im Zuge des Berufungsverfahrens keine Behauptung aufgestellt worden, dass ein solches zinsenloses Darlehen auch an nicht nahestehende Personen gewährt worden wäre. Daher schließe die belangte Behörde auf einen Bereicherungswillen des Darlehensgebers.
Dem Einwand des Beschwerdeführers, es habe keine Bereicherungsabsicht bestanden, sondern die Gewährung des Darlehens sei in Erfüllung der Unterhaltspflicht des Vaters erfolgt, halte die belangte Behörde entgegen, dass zum angemessenen Unterhalt nur das gehöre, was zum laufenden Verbrauch des Bedachten erforderlich sei, nicht aber jene Leistungen, die als Hilfsmittel bei der Erzielung künftiger Einkünfte Verwendung finden könnten. Die Zuwendung des in Rede stehenden Geldbetrages zur Anschaffung einer Eigentumswohnung könne daher nicht als begünstigt nach § 15 Abs. 1 Z 19 ErbStG (gemeint offensichtlich: § 15 Abs. 1 Z 9 ErbStG) qualifiziert werden.
Das Argument des Beschwerdeführers, das zinsenlose Darlehen müsse eine Gleichbehandlung mit einer Gestaltung der Wohnversorgung für den Sohn erfahren, bei welcher der Vater für die Miete einer Mietwohnung aufkomme, dringe nicht durch, weil es sich bei den beiden Konstellationen nicht um gleichgelagerte Sachverhalte handle. So könne der Beschwerdeführer die Eigentumswohnung etwa belasten, vermieten oder veräußern, also für Zwecke der künftigen Erzielung von Einkünften verwenden, was bei Mietwohnungen grundsätzlich nicht der Fall sei. Da bei Abschluss der Vereinbarung, das Darlehen zurückzuzahlen, wenn der Beschwerdeführer ausreichend verdiene, nicht festgestanden sei, wann dieser Umstand eintrete, stelle sich die Gewährung des Darlehens als Einräumung der Kapitalnutzung als Stammrecht auf unbestimmte Zeit dar. Deshalb sei das Neunfache des Jahreswertes anzusetzen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht verletzt erachtet, nicht mit Schenkungssteuer belastet zu werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde unbeschadet der hg. Rechtsprechung zur Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2006/13/0046, und vom , 2007/13/0054, sowie insbesondere das zur Schenkungssteuer ergangene hg. Erkenntnis vom , 98/16/0401, VwSlg 7.437/F) nicht von einer Schenkung des Geldbetrages von 184.000 EUR durch den Vater an seinen den Beschwerdeausführungen zufolge noch studierenden einkommenslosen Sohn ausgegangen ist, sondern von der Einräumung eines nicht wertgesicherten zinsenlosen Darlehens. Der Verwaltungsgerichtshof hat den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 41 Abs. 1 VwGG auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes, dass eine Rückzahlung des hingegebenen Geldbetrages vereinbart wurde (rechtlich ein Darlehen vorliege), zu prüfen.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 - ErbStG - in der Fassung vor der Aufhebung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 23/07 u.a., unterlagen der Schenkungssteuer Schenkungen unter Lebenden.
Als Schenkung im Sinne des ErbStG gilt gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 leg. cit. jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechtes und gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 leg. cit. auch jede andere freigiebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
§ 15 Abs. 1 Z 9 ErbStG lautet:
"§ 15. (1) Steuerfrei bleiben außerdem
...
9. Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhaltes oder zur Ausbildung des Bedachten;"
Bei der Hingabe eines zinsenfreien Darlehens handelt es sich grundsätzlich um eine freigiebige Zuwendung, wobei das Ausmaß des Verzichtes auf Zinsen durch den Darlehensgeber und der Einsparung des Darlehensnehmers an Zinsen (Bereicherung) regelmäßig das Ausmaß der freigiebigen Zuwendung im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 2 ErbStG darstellt. Dabei ist bei einer solchen Zuwendung an einen Angehörigen die Annahme des Bereicherungswillens gerechtfertigt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 98/16/0358 und 0359, VwSlg 7.385/F, mwN, und vom , 99/16/0482, VwSlg 7.558/F).
Zuwendungen in Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung können grundsätzlich den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Z 2 ErbStG nicht erfüllen. Wird der Unterhalt oder die Ausbildung zur Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung gewährt, so bedarf es keiner Befreiung, weil dann der Tatbestand der freigiebigen Zuwendung gar nicht erfüllt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/16/0016, VwSlg 8.144/F, mwN). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Religion und die Herkunft des Beschwerdeführers und seines Vaters hätten die belangte Behörde veranlassen müssen, Feststellungen dahin zu treffen, dass sich aus dieser kulturellen Umgebung ein Verbot ergebe, "untereinander, noch dazu in der Familie" Zinsen für die Gewährung von Darlehen zu verlangen, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg, denn die ins Treffen geführte allfällige sittliche Verpflichtung zur Hingabe eines zinsenlosen Darlehens stellt noch keine rechtliche Verpflichtung dar.
Die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 1 Z 9 ErbStG erfasst gleichermaßen Zuwendungen des Unterhaltsverpflichteten wie von Dritten zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung.
Zwischen Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten vereinbarte Unterhaltszahlungen weisen zwar freigiebigen Charakter auf (erfüllen den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Z 2 ErbStG), können aber bei Erfüllung des Begünstigungstatbestandes (§ 15 Abs. 1 Z 9 leg. cit.) steuerbefreit sein (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 82/15/0028, VwSlg 5.794/F, vom , 90/16/0096, und vom , 91/16/0088, VwSlg 6.711/F).
Im Beschwerdefall ist daher zu prüfen, ob es sich bei dem hingegebenen Darlehen mit der Vereinbarung, dieses sei ohne Wertsicherung und ohne Verzinsung zu einem unbestimmten Zeitpunkt, nämlich "wenn der Beschwerdeführer ausreichend verdient", zurückzuzahlen, um die Leistung von Unterhalt und zutreffendenfalls von angemessenem Unterhalt handelt.
Zum Unterhalt im Sinn des § 15 Abs. 1 Z 9 ErbStG gehört u. a. die Befriedigung des Wohnbedürfnisses (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 90/16/0176 und das erwähnte hg. Erkenntnis vom , 2006/16/0016, VwSlg 8.144/F).
Durch die Überlassung einer Wohnung wird wegen der damit verbundenen Verminderung des Unterhaltsbedarfs die Leistung eines Naturalunterhalts gesehen, welcher den Geldunterhalt des Berechtigten verringert (vgl. etwa das , sowie das erwähnte hg. Erkenntnis vom , 90/16/0096). Ob es sich bei der dem Unterhaltsempfänger überlassenen Wohnung um eine im Eigentum des Unterhaltleistenden stehende oder um eine vom Unterhaltleistenden gemietete Wohnung handelt, ist dabei unerheblich.
Wird jedoch eine Mietwohnung vom Unterhaltsberechtigten im eigenen Namen gemietet und erhält dieser vom Unterhaltleistenden die für diese Wohnung aufgewendeten Mietbeträge einschließlich der Betriebskosten, so kommt diesen Zahlungen zweifellos der Charakter von Unterhaltsleistungen zu, wobei es für den Beschwerdefall dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei solchen Zahlungen um Naturalunterhalt oder um Geldunterhalt handelte.
Wohnt der Unterhaltsberechtigte in einer eigenen Eigentumswohnung, so liegen Unterhaltszahlungen jedenfalls dann vor, wenn der Unterhaltsleistende dem Unterhaltsempfänger die bei der Benützung der eigenen Eigentumswohnung des Unterhaltsempfängers anfallenden Betriebskosten trägt, indem er etwa Geldbeträge in dieser Höhe dem Unterhaltsempfänger zukommen lässt (vgl. das erwähnte ).
Die Übernahme der Kosten für den Erwerb einer Liegenschaft samt Haus stellt nach der hg. Rechtsprechung keine Unterhaltsleistung dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 89/16/0068, mwN). Deshalb sind im Falle, dass der Unterhaltsempfänger eine eigene Eigentumswohnung bewohnt, zwar die vom Unterhaltsleistenden getragenen Betriebskosten Unterhalt, nicht jedoch die vom Unterhaltsleistenden allenfalls getragenen Rückzahlungsraten eines für den Erwerb der Eigentumswohnung aufgenommenen Kredites oder Darlehens, soweit sie Kapitalrückzahlung betreffen.
Offen bleibt somit, ob solche vom Unterhaltleistenden getragene Annuitäten Unterhalt darstellen, soweit die Kredit- oder Darlehenszinsen betroffen sind.
Der rechtlichen Beurteilung solcher in Annuitäten enthaltener Kredit- oder Darlehenszinsen, welche der Unterhaltsleistende trägt, ist gleichzuhalten, wenn das Darlehen vom Unterhaltsleistenden gewährt wird und er solche Zinsbeträge derart trägt, dass er auf eine Verzinsung verzichtet, mithin wie im Beschwerdefall ein zinsenloses Darlehen vereinbart wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 88/16/0022, VwSlg 6.421/F, im Falle eines von der damals unterhaltspflichtigen Beschwerdeführerin ihrer nach dem Vorbringen der damaligen Beschwerdeführerin vollkommen einkommens- und vermögenslosen unterhaltsberechtigten Mutter für die Tilgung von Schulden an die Sozialversicherung, für Krankenhauskosten u. a. gewährten zinsenlosen Darlehens ausgeführt, der Unterhalt könne auch durch Kompensation für eine Leistung, die der Unterhaltspflichtige erbracht und für die er keine Gegenleistung erhalten hat, geleistet werden. Jede Vorgangsweise, die dem Unterhaltsberechtigten Ausgaben erspare, so wie etwa der Verzicht auf Verzinsung eines hingegebenen Darlehens, könne als eine Form der Unterhaltsleistung gewertet werden.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hätte die belangte Behörde daher - sofern der Beschwerdeführer durch die in Rede stehende Wohnung sein Wohnbedürfnis gedeckt hat - Feststellungen treffen müssen, ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführer im Zeitraum nach der Gewährung des unverzinslichen Darlehens über eigene Einkünfte verfügt habe und ob die Höhe solcher allfälligen Einkünfte es zugelassen hätte, nach dem Maßstab des erwähnten hg. Erkenntnisses vom in der Hingabe eines unverzinslichen Darlehens zur Wohnraumbeschaffung eine Unterhaltsleistung zu sehen. Bejahendenfalls wären sodann Feststellungen (etwa über die Größe und Lage der Wohnung) zu treffen, welche die Beurteilung zuließen, ob eine solche Leistung zum Zwecke des angemessenen Unterhalts des Beschwerdeführers gedient haben.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft die Umsatzsteuer; neben dem in § 1 Z 1 lit. a der zitierten Verordnung festgelegten Pauschalbetrag ist ein darüber hinausgehender Ersatz für Schriftsatzaufwand (§ 48 Abs. 1 Z 2 VwGG) aus dem Titel der Umsatzsteuer nicht vorgesehen.
Wien, am