VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0425
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/282.173/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste mit einem von der deutschen Botschaft in Ankara ausgestellten, vom 6. bis zum gültigen Visum in das Bundesgebiet ein, wo er nach dessen Ablauf unrechtmäßig verblieb. Am heiratete er die österreichische Staatsbürgerin M. Am beantragte er - unter Berufung auf diese Ehe - die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Dieser Antrag wurde letztlich mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom rechtskräftig abgewiesen.
Bereits zuvor war mit Urteil des Bezirksgerichtes Gmünd vom die Ehe des Beschwerdeführers gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt und der dagegen erhobenen Berufung vom Landesgericht Krems/Donau mit Urteil vom keine Folge gegeben worden.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wegen Eingehens einer sogenannten Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte sie - nach Darstellung der Ergebnisse der seit dem Jahr 2004 zum Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe durchgeführten Erhebungen - zusammengefasst aus, auf Grund der erwähnten Gerichtsurteile stehe fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben. Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt. Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nach § 60 Abs. 1 FPG rechtfertige. Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - auch dringend geboten.
Die belangte Behörde bejahte die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und führte dazu aus, dass der Beschwerdeführer nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz eine unselbständige Beschäftigung habe eingehen können. Seine durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration werde durch die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens infolge Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Bei einer Abwägung der Interessen würden die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet daher keinesfalls schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme. Mangels besonderer, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand genommen werden. In Anbetracht seines Gesamt(fehl)verhaltens könne - selbst unter Bedachtnahme auf die private Situation des Beschwerdeführers - ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums erwartet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Mai 2009) geltende Fassung.
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme iSd Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheins auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt hat.
Die Beschwerde bestreitet - im Hinblick auf das Urteil des Bezirksgerichtes Gmünd, durch das auch für die Fremdenpolizeibehörde rechtskräftig und bindend festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer eine so genannte Aufenthaltsehe eingegangen ist, in Verbindung mit der Berufung auf diese Ehe im Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels - nicht das Vorliegen der genannten Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots.
Die Beschwerde wendet sich inhaltlich jedoch gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung, indem sie ausführt, dass nicht sämtliche für den Beschwerdeführer sprechenden Gründe - zumindest nicht in ausreichendem Umfang - verwertet worden seien. So stehe dem Abschluss der Aufenthaltsehe sein ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet seit gegenüber. Der Beschwerdeführer sei strafgerichtlich und verwaltungsbehördlich unbescholten und habe durch sein Arbeitseinkommen seinen Lebensunterhalt verdient. Schließlich sei er ungekündigter Hauptmieter einer Wohnung.
Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde nahm bei ihrer Interessenabwägung erkennbar ohnedies auf die Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers und sein Beschäftigungsverhältnis ausreichend Rücksicht. Aus diesem Grund nahm sie auch einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers an. Die belangte Behörde durfte jedoch zutreffend auch davon ausgehen, dass das vom Beschwerdeführer erlangte Ausmaß an Integration dadurch relativiert werde, dass es im Wesentlichen auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen sei. Überdies wurde dem Beschwerdeführer nach Ablauf seines Visums im Jahr 2003 kein weiterer Aufenthaltstitel mehr erteilt; er hält sich also seither unrechtmäßig in Österreich auf. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet könnten im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbots nicht überwiegen. Die vom Beschwerdeführer hervorgehobene strafgerichtliche Unbescholtenheit vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern.
Der Verweis des Beschwerdeführers auf das "EU-Türkei-Assoziierungsabkommen" geht schon deshalb fehl, weil der Erlangung einer Begünstigung nach dem erkennbar angesprochenen Beschluss Nr. 1/80 des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrats vom über die Entwicklung der Assoziation (ARB) die vom Beschwerdeführer eingegangene Aufenthaltsehe entgegensteht (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0170, mwN).
Der Beschwerdeführer wendet sich schließlich gegen die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte zehnjährige Dauer des Aufenthaltsverbots und führt dazu aus, dass bei einer gerichtlichen Verurteilung eine bedingte Strafe mit einer Probezeit von drei Jahren unter der gesetzlichen Annahme ausgesprochen werde, dass der Täter bereits innerhalb von drei Jahren "auf den rechten Weg zurückgefunden" habe. Mit diesen Ausführungen lässt sich für den Beschwerdeführer vor dem Hintergrund des § 63 FPG nichts gewinnen. Die Beschwerde legt in diesem Zusammenhang aber auch keine überzeugenden Umstände dar, aus denen abzuleiten wäre, dass ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden fremdenrechtlich relevanten Gefährdung bereits nach einem kürzeren als dem festgesetzten Zeitraum hätte vorhergesehen werden können.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am