VwGH vom 11.09.2015, Ro 2015/17/0001

VwGH vom 11.09.2015, Ro 2015/17/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Dr. Leonhartsberger und Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Revision 1. der b GmbH und 2. der

F Beteiligungsgesellschaft mbH, beide in A, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-BN-13-1222, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz,

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie von der zweitrevisionswerbenden Partei erhoben wurde, als unzulässig zurückgewiesen.

Die zweitrevisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. zu Recht erkannt:

Spruch

Im Übrigen wird der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der erstrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit ausschließlich an die erstrevisionswerbende Gesellschaft gerichtetem Bescheid vom ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden gegenüber dieser die Einziehung eines näher bezeichneten Glücksspielgeräts gemäß § 54 Abs 1 Glücksspielgesetz (GSpG) an.

Gegen diesen Bescheid erhob die erstrevisionswerbende Gesellschaft per E-Mail vom Berufung, worin sie im Wesentlichen ausführte: "... wir legen binnen offener Frist Berufung gegen den gegenständlichen Einziehungsbescheid ein und begründen dies wie folgt: Stellungnahme vom ."

Diese Stellungnahme der erstrevisionswerbenden Gesellschaft lautete:

"... zu ihrem am eingegangenen Schreiben möchten wir wie folgt berichten,

(erstrevisionswerbende Gesellschaft) hat dieses Wett-Terminal von (zweitrevisionswerbende Gesellschaft) gemietet. (siehe dazu auch den Mietvertrag ...)

(zweitrevisionswerbende Gesellschaft) beantragt die Herausgabe ihres Eigentums und erhebt Einspruch gegen die Beschlagnahmung."

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Berufung (nunmehr Beschwerde) der erstrevisionswerbenden Gesellschaft als unzulässig zurück. An dem (vom Einziehungsbescheid betroffenen) Glücksspielgerät seien zumindest vom bis zur Beschlagnahme am Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen durchgeführt worden. Die erstrevisionswerbende Gesellschaft sei als bloße Mieterin des Glücksspielgerätes im Einziehungsverfahren mangels Parteistellung nicht beschwerdelegitimiert. Veranstalter der Ausspielungen oder Inhaber der Geräte könnten schon deswegen nicht Partei des Einziehungsverfahrens sein, weil diesen die Rechte am Eingriffsgegenstand (insbesondere das Verfügungsrecht) bereits durch Beschlagnahmebescheid rechtskräftig aberkannt worden seien.

Da zur Frage der Parteistellung im Einziehungsverfahren und der damit einhergehenden Rechtsmittellegitimation noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, sei eine ordentliche Revision zulässig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in der die beiden revisionswerbenden Gesellschaften die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragen. Die Finanzpolizei erstattete für das Finanzamt Baden Mödling als belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision. Das Landesverwaltungsgericht legte die Revision samt den Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf das Fehlen von Rechtsprechung zur Frage, ob der Mieter in einem Verfahren nach § 54 GSpG Partei und somit beschwerdelegitimiert ist, erweist sich die Revision der erstrevisionswerbenden Gesellschaft betreffend die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG als zulässig.

Zur Parteistellung der erstrevisionswerbenden Gesellschaft

Gemäß § 54 Abs 2 GSpG ist der Einziehungsbescheid all jenen der Behörde bekannten Personen zuzustellen, die ein Recht auf die von der Einziehung bedrohten Gegenstände haben oder ein solches geltend machen. Der Einziehungsbescheid kann von diesen Personen mit Beschwerde angefochten werden.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, was unter der Wendung "Recht auf die von der Einziehung bedrohten Gegenstände" zu verstehen ist.

Die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des § 54 GSpG, BGBl Nr 20/1989, 1067 BlgNr XVII. GP, 23, enthalten keine Definition dieses Rechts. Sie führen lediglich dazu aus: "Es kann sich dabei um "Eigentums-, Pfand-, Fruchtgenuss- und Zurückbehaltungsrechte handeln" (Hervorhebung durch den VwGH). Daraus ergibt sich aber, dass - anders als die Finanzpolizei in ihrer Revisionsbeantwortung vermeint - hier eine beispielhafte Aufzählung von privatrechtlichen Ansprüchen vorgenommen wurde. Diese Aufzählung umfasst zwar ausschließlich dingliche Rechte bzw im Fall des Zurückbehaltungsrechts ein Recht mit teilweiser dinglicher Wirkung ( Hofmann in Rummel , ABGB3 § 471 ABGB Rz 2). Allein daraus ergibt sich jedoch noch nicht, dass obligatorische Ansprüche an einer Sache nicht zu einer Parteistellung führen können.

Die Gesetzesmaterialien verweisen nämlich auch auf § 444 StPO, in dem die Parteistellung der sogenannten "Haftungsbeteiligten" (vgl auch § 64 StPO idF ab dem Strafprozessreformgesetz, BGBl I Nr 19/2004) im gerichtlichen Einziehungsverfahren geregelt wird. In § 444 Abs 1 StPO (in der im Zeitpunkt dieses Verweises geltenden Stammfassung BGBl Nr 631/1975) sind ebenfalls "Personen, die ein Recht auf die vom Verfall oder von der Einziehung bedrohten Sachen haben oder ein solches Recht geltend machen" angeführt. Diese Personen sind zur Hauptverhandlung zu laden und haben insoweit die Rechte des Beschuldigten. Es handelt sich also um eine im Wesentlichen idente Umschreibung jener Personen, die einen besonderen Rechtsanspruch in Bezug auf den von der Einziehung bedrohten Gegenstand haben, wobei diese Personen auch in § 20 StGB (iZm dem Verfall) und in § 26 StGB (iZm der Einziehung) genannt werden.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu diesem Bereich des Strafprozessrechts setzt ein solcher Rechtsanspruch auf den Gegenstand ua voraus, dass die Person, die sich auf ihn beruft, entweder einen dinglichen oder obligatorischen Anspruch auf Herausgabe dieses Gegenstandes hat. Schadenersatzansprüche oder andere Forderungen begründen hingegen keinen Rechtsanspruch "auf den Gegenstand" (vgl , und vom , 13 Os 65/90, jeweils zum Verfall). Die obligatorischen Rechte müssen sich jedoch konkret auf den von der Anordnung betroffenen Gegenstand oder Vermögenswert beziehen, wie etwa das Recht auf Eigentumsübertragung aufgrund des Kaufvertrages über eine individuelle Sache oder ein schuldrechtliches Wohnrecht (vgl Fuchs/Tipold , WK-StPO § 444 Rz 10, mwN).

Aufgrund des Verweises in den Materialien auf das Strafprozessrecht und dem übereinstimmenden Zweck der genannten Bestimmungen, nämlich die prozessualen Rechte bestimmter in einem Naheverhältnis zu der von der Einziehung betroffenen Sache stehenden Personen zu wahren, können diese Ausführungen auch auf § 54 GSpG übertragen werden. Daraus ergibt sich, dass auch ein Mietvertrag über einen hinreichend individualisierten Glücksspielapparat ein solches obligatorisches Herausgabe- und Nutzungsrecht an diesem Gegenstand zu begründen vermag, das zur Parteistellung des Mieters und damit zur Beschwerdelegitimation gegen den Einziehungsbescheid führt.

Dafür spricht gleichfalls die zivilrechtliche Stellung des Bestandnehmers, der die körperliche Sache auch innehatte, als Rechtsbesitzer. Seine Position ist der des dinglich Berechtigten angenähert ("quasidingliches Recht des Mieters"), weswegen ihm bei Beschädigung der Sache auch Ersatzansprüche gegen den verantwortlichen Schädiger und bei Verwendung der Sache Bereicherungsansprüche gemäß § 1041 ABGB zustehen. Er kann auch gegen Dritte mit der Besitzstörungs- und Besitzentziehungsklage vorgehen (vgl etwa schon Koziol / Welser , Grundriss des bürgerlichen Rechts I13 242 ff und 279 f, mwN; weiter etwa Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek , ABGB4, § 372 Rz 9; (verstärkter Senat) = SZ 62/204; teilweise kritisch Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang3 § 372 Rz 36 ff).

Damit erweist sich aber die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, wonach über die Rechte des Inhabers des Glücksspielgeräts bzw des Veranstalters bereits im Beschlagnahmeverfahren derart abschließend abgesprochen worden sei, dass ihnen im Einziehungsverfahren keine Parteistellung mehr zukäme, als unrichtig. Gegen diese Rechtsauffassung spricht auch der Umstand, dass beispielsweise dem Eigentümer eines Gegenstandes Parteistellung sowohl im Beschlagnahmeverfahren als auch im Einziehungsverfahren zukommt. Somit steht die Parteistellung einer Person im Beschlagnahmeverfahren ihrer Parteistellung im Einziehungsverfahren keinesfalls entgegen. Dieses Ergebnis ist auch aus Gründen des Rechtsschutzes geboten, erweist sich doch die Einziehung, welche nach der Rechtskraft des Einziehungsbescheides die Vernichtung des eingezogenen Gegenstandes nach sich zieht (§ 54 Abs 3 GSpG), als schwerwiegenderer Eingriff in die Rechte an diesem Gegenstand als die Beschlagnahme, welche im Wesentlichen in einem Verfügungsverbot (§ 53 Abs 4 dritter Satz GSpG) besteht.

Das Landesverwaltungsgericht hätte die Zurückweisung auch nicht auf die Mangelhaftigkeit der Berufung stützen können. Gemäß § 63 Abs 3 AVG hat die Berufung zwar einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Fehlt ein solcher, so ist die Berufung nach § 13 Abs 3 AVG zur Verbesserung zurückzustellen und nicht zurückzuweisen (vgl ).

Die Berufung der erstrevisionswerbenden Gesellschaft war somit weder aufgrund der mangelnden Parteistellung noch aufgrund des fehlenden Berufungsantrags zurückzuweisen. Da das Landesverwaltungsgericht dies verkannte, belastete es seinen Beschluss insofern mit Rechtswidrigkeit.

Der Beschluss des Landesverwaltungsgerichts war daher aufgrund von Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen.

Zur Parteistellung der zweitrevisionswerbenden Gesellschaft

Der Einziehungsbescheid war nicht an die zweitrevisionswerbende Gesellschaft gerichtet. Diese wurde auch sonst nicht in das erstinstanzliche Einziehungsverfahren einbezogen.

Da die zweitrevisionswerbende Gesellschaft als Eigentümerin des Glücksspielgerätes jedenfalls Partei im Einziehungsverfahren war, sie aber nicht als solche behandelt wurde, ist sie als übergangene Partei anzusehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 26 Abs 2 VwGG idF vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeitsübergangsgesetz, BGBl I Nr 33/2013, ausgeführt hat, wird einer übergangenen Partei auch durch diese Bestimmung keine Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof eingeräumt, weil nach dieser Bestimmung nur derjenige beschwerdelegitimiert ist, dessen Parteistellung im Verwaltungsverfahren unstrittig war und der auch tatsächlich dem Verwaltungsverfahren beigezogen wurde. Eine übergangene Partei, die dem gesamten Verwaltungsverfahren nicht beigezogen wurde, hat nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens das Recht auf Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, nicht jedoch das Recht, einen letztinstanzlichen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen, ehe sie nicht durch Ergreifen der ihr auf Verwaltungsebene zukommenden Rechtsmittel den Instanzenzug ausgeschöpft hat (vgl , mwN). Dies gilt auch im Revisionsverfahren (vgl , mwN). Dabei kann es für das vorliegende Revisionsverfahren auch dahingestellt bleiben, ob die Stellungnahme vom auch als der zweitrevisionswerbenden Partei zuzurechnende Berufung (Beschwerde) anzusehen ist.

Da es der zweitrevisionswerbenden Partei jedenfalls an der Berechtigung zur Erhebung der vorliegenden Revision mangelte, war ihre Revision gemäß § 34 Abs 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am