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VwGH vom 21.06.2012, 2011/23/0421

VwGH vom 21.06.2012, 2011/23/0421

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Christine Fädler, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Alser Straße 43/16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/260.162/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste am illegal nach Österreich ein, wo er die Gewährung von Asyl beantragte. Sein Asylverfahren war bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Mit diesem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein Rückkehrverbot für die Dauer von fünf Jahren.

Sie begründete dies - unter Einbeziehung der aus dem erstinstanzlichen Bescheid übernommenen Begründung - im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer anlässlich einer Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) durch Organe des Finanzamtes am in einer Pizzeria in Wien 14 dabei betreten worden sei, wie er hinter der Theke gestanden sei und Kunden bedient habe. In seiner ersten Stellungnahme gegenüber der Bundespolizeidirektion Wien habe er sich damit gerechtfertigt, dass er im Lokal eine Pizza bestellt und lediglich den Besitzer der Pizzeria, einen "Bekannten", gebeten habe, sich vor deren Zubereitung die Hände zu waschen, "weil er kein Schweinefleisch esse". Deshalb sei er hinter die Theke des Lokals gegangen. Er habe jedoch niemals in dieser Pizzeria gearbeitet. Auch in seiner Berufung habe er bestritten, als Kellner gearbeitet zu haben. Dazu habe er vorgebracht, dass er gar nicht fähig wäre, als Kellner zu arbeiten, weil er (dafür) gar nicht genug Deutsch spreche. Bei der Kontrolle durch das Finanzamt seien auch die Kellnerin, der Pizzakoch, die Schankgehilfin und der Geschäftsführer anwesend gewesen. Er selbst habe nur eine Pizza essen wollen.

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom sei der handelsrechtliche Geschäftsführer der Pizzeria gemäß § 28 Abs. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG rechtskräftig mit einer Geldstrafe von EUR 4.800,-- bestraft worden, weil er u.a. den Beschwerdeführer am als Kellner, der hinter der Theke gestanden und Kunden bedient habe, beschäftigt habe, obwohl für diesen keine entsprechende Bewilligung erteilt gewesen sei.

Der dargestellten Verantwortung des Beschwerdeführers - so führte die belangte Behörde beweiswürdigend weiter aus - sei somit der Boden entzogen. Überdies handle es sich bei dem "Bekannten", dem Inhaber des Lokals, um den Bruder des Beschwerdeführers. Es sei daher auszuschließen, dass diesem vom Beschwerdeführer erklärt werden müsse, wie eine Pizza "nach islamischem Glauben zubereitet werden" müsse. Mit der bloßen Aufzählung der zum Kontrollzeitpunkt anwesenden Personen habe der Beschwerdeführer nicht dargelegt, in welcher Art und Weise diese Personen für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts erforderlich sein könnten. Eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen erübrige sich daher.

Rechtlich kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer einer Beschäftigung nachgegangen sei, die er nach dem AuslBG nicht habe ausüben dürfen. Dabei sei er "auf frischer Tat betreten" worden, sodass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG erfüllt sei. Im Hinblick auf den besonders hohen Stellenwert, der dem öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukomme, seien auch die Voraussetzungen für die Erlassung des Rückkehrverbots gemäß § 60 Abs. 1 FPG gegeben. Wegen seines knapp dreijährigen inländischen Aufenthalts auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und der familiären Bindung im Bundesgebiet zu seinem Bruder sei von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dennoch sei die Erlassung des Rückkehrverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher zulässig, zumal auch die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Zeitungskolporteur nicht wesentlich zu einer Stärkung seiner (beruflichen) Integration beitragen könne.

Die belangte Behörde führte schließlich aus, dass auch im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht in Kauf genommen und vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums ein Wegfall der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung nicht erwartet werden könne.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Dezember 2008) maßgebliche Fassung.

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen iSd Abs. 1 (u.a.) jene des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG. Nach dieser Bestimmung hat als die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder (u.a.) von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen.

Die Beschwerde richtet sich zunächst gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Sie bringt in diesem Zusammenhang vor, dass der Beschwerdeführer zur Schank gegangen sei, um dem aus Ägypten stammenden Pizzabäcker mitzuteilen, dass er kein Schweinefleisch esse und sich der Pizzabäcker vor der Zubereitung der Pizza die Hände waschen solle. Beim Pizzabäcker handle es sich weder um den Bruder des Beschwerdeführers, noch bestehe zu diesem eine "sonstige familiäre Verbindung". Selbst wenn der Pizzabäcker die Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers kenne, sei nicht davon auszugehen, dass die Essenszubereitung immer entsprechend den religiösen Vorschriften zu erfolgen habe. Es sei daher nicht lebensfremd, wenn er eine dementsprechende Zubereitung begehrt habe.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung auf. So gab der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren zunächst noch an, dass es sich beim "Besitzer" der Pizzeria um "einen Bekannten" handle. Bei diesem habe er sich eine Pizza bestellt. Da er kein Schweinefleisch esse, habe er "seinen Bekannten" gebeten, sich vor deren Zubereitung die Hände zu waschen. Dafür sei er hinter die Theke gegangen. Erst in der Berufung führte der Beschwerdeführer dann aus, dass es sich beim Geschäftsführer der Pizzeria um seinen Bruder handle. Bei diesem habe er eine Pizza bestellt und sich dafür hinter die Theke begeben. Angesichts dieser Verantwortung des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ist es nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde der Darstellung der einschreitenden Finanzbeamten folgte und den Erklärungen des Beschwerdeführers für seinen Aufenthalt hinter der Theke keinen Glauben schenkte. Mit dem erstmals in der Beschwerde erstatteten, von der bisherigen Rechtfertigung nicht unwesentlich abweichenden Vorbringen, der Beschwerdeführer habe dem ägyptischen Pizzabäcker die gewünschte Zubereitung der Pizza erklären wollen, kann diese Beurteilung schon von vornherein nicht erschüttert werden.

Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen für einen anderen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0408, mwN). Der Beschwerdeführer wurde von Kontrollorganen des Finanzamtes dabei betreten, wie er - nach dem Personenblatt mit mehlverstaubten Turnschuhen - hinter der Theke stand und Kunden bediente. Mangelhafte Sprachkenntnisse stellen in diesem Zusammenhang keine solchen atypischen Umstände dar, die einer Deutung dieses Sachverhalts in dem von der belangten Behörde vorgenommenen Sinn entgegenstehen würden. Gleiches gilt für den Hinweis auf weitere Beschäftigte in dieser Pizzeria, weil das nicht ausschließt, dass trotzdem auch der Beschwerdeführer dort einer Arbeitstätigkeit nachging. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet somit keinen Bedenken.

Auch der in der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. So wurde dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ausreichend Gelegenheit gegeben, "die Einzelheiten des Sachverhalts" darzulegen. Davon machte er in seiner Stellungnahme vom , seiner Berufung vom und seiner Äußerung vom auch Gebrauch. Im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion besteht aber auch kein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0149, mwN).

Die Ansicht der belangten Behörde, dass ausgehend vom festgestellten Sachverhalt der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG erfüllt sei, erweist sich somit nicht als rechtswidrig. Dies indiziert die - in der Beschwerde nicht konkret bekämpfte - Gefährdungsprognose des § 62 Abs. 1 FPG, weshalb die entsprechende Annahme der belangten Behörde keinem Einwand begegnet.

Nach § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 FPG ist ein Rückkehrverbot, mit dem in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 FPG darf eine solche Maßnahme jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn deren Auswirkungen auf die Situation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei der Entscheidung ist der Behörde überdies Ermessen eingeräumt.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung ist die Beurteilung der belangten Behörde unter den erwähnten Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Sie hat nämlich auf die bisherige Aufenthaltsdauer (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) von drei Jahren, die dadurch bewirkte Integration des Beschwerdeführers, den Aufenthalt seines Bruders in Österreich sowie seine Berufstätigkeit als Zeitungskolporteur ausreichend Bedacht genommen. Weitere für die Integration bedeutsame und entscheidungswesentliche Umstände werden auch in der Beschwerde nicht vorgebracht. Die belangte Behörde hat den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers zutreffend jedoch nur ein geringes Gewicht beigemessen, stützte sich sein bisheriger Aufenthalt nur auf eine vorläufige Berechtigung nach dem Asylgesetz. Diesem persönlichen Interesse steht die Beeinträchtigung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" gegenüber. Aus diesem Grund kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Rückkehrverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in Bezug auf einen geregelten Zugang zum Arbeitsmarkt) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

An dieser Einschätzung vermag auch das weitere Beschwerdevorbringen nichts zu ändern, wonach dem Beschwerdeführer eine Ausreise nach Pakistan wegen der dort zu erwartenden Repressalien nicht zumutbar, über seinen Asylantrag noch nicht entschieden worden und er während des Asylverfahrens zum Aufenthalt im Inland berechtigt sei. Dieses Vorbringen übersieht, dass das Rückkehrverbot gemäß § 62 Abs. 1 zweiter Satz FPG zwar als Entzug des Aufenthaltsrechts gilt, dem Beschwerdeführer allerdings bis zur Beendigung seines Asylverfahrens gemäß § 62 Abs. 1 letzter Satz FPG iVm § 13 Asylgesetz 2005 faktischer Abschiebeschutz zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0387, mwN). Sollte dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden, würde das Rückkehrverbot gemäß § 65 Abs. 2 FPG außer Kraft treten; sollte ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden, würde es gemäß § 65 Abs. 3 dritter Satz FPG keine Wirkung entfalten, solange dieser Status besteht.

Die Beschwerde zeigt schließlich auch keinen konkreten Umstand auf, der die belangte Behörde dazu hätte veranlassen müssen, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-93769