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VwGH vom 27.09.2012, 2009/16/0005

VwGH vom 27.09.2012, 2009/16/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der W GmbH in W, vertreten durch die gmc-unitreu Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 1041 Wien, Schwindgasse 7, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A8/2-09754/2007-1, betreffend Wiederaufnahme des Getränkesteuerverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betrieb im Abgabenzeitraum einen Gastgewerbebetrieb im Bereich der Landeshauptstadt Graz.

Mit Bescheid vom setzte der Magistrat der Landeshauptstadt Graz für diesen Gastgewerbebetrieb die Getränke- und Speiseeisabgabe für 1997 mit insgesamt S 64.358,-- fest und sprach aus, dass ein Antrag auf Rückerstattung der im Wege der Selbstbemessung entrichteten Abgabe in derselben Höhe "abgelehnt" werde.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab der der Magistrat der Landeshauptstadt Graz der dagegen erhobenen Berufung teilweise statt und setzte in "Spruch I" die Getränkesteuer mit S (gemeint wohl: EUR) 1.609,56 fest. In "Spruch II" wies der Magistrat die Berufung gegen "den die Ablehnung des Rückerstattungsantrages verfügenden Bescheid" als unbegründet ab.

Mit Schreiben vom übermittelte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz der Beschwerdeführerin einen Fragebogen über deren Gastgewerbebetrieb.

Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom sprach der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz die Wiederaufnahme der mit Berufungsvorentscheidung vom erfolgten Getränkeabgabefestsetzung für 1997 aus und hob den genannten Bescheid hinsichtlich dessen Spruchpunktes I. auf. In Spruchpunkt II. wies er die gegen den Bescheid vom erhobene Berufung ab. In der Begründung stützte der Stadtsenat die Wiederaufnahme des Verfahrens unter Hinweis auf das , sowohl auf den Wiederaufnahmsgrund des "§ 224 Abs. 3 dritter Tatbestand LAO" ("neue Tatsachen oder Beweismittel") als auch auf den Wiederaufnahmsgrund des "§ 224 Abs. 3 zweiter Tatbestand LAO" ("nachträglich abweichende Vorfragenbeurteilung").

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Bescheid vom auf Wiederaufnahme und Festsetzung der Getränkeabgabe für 1997 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Verfahrensvorschriften - zusammengefasst - aus, der Vorfragentatbestand sei wegen Hervorkommens neuer Tatsachen (Neuerungstatbestand) erfüllt. Aufgrund des , sei mit Bescheid vom keine Abgabe auf alkoholische Getränke mehr festgesetzt worden. Mit diesem Urteil und dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts sei die Anwendung der Getränke- und Speiseeisabgaben-Verordnung 1994 des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz verdrängt worden. Somit sei dieses Urteil Tatbestandselements des Bescheides vom . Dass die Besteuerung der Abgabe auf alkoholische Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit nicht gemeinschaftsrechtswidrig gewesen sei, sei erst mit dem ("Hermann"), hervorgekommen, wodurch dem Bescheid vom die Rechtsgrundlage entzogen worden sei. Mit dem genannten Urteil seien somit neue Tatsachen hervorgekommen, deren Kenntnis im Spruch einen anderen Bescheid herbeigeführt hätte. Darüber hinaus sei aber auch eine Wiederaufnahme wegen abweichender Vorfragenbeurteilung zulässig, um eine gleichmäßige Besteuerung aller Gastronomiebetriebe sicherzustellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich u.a. in ihrem Recht auf Unterbleiben der Wiederaufnahme der Festsetzung der Getränkesteuer für 1997 verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 224 Abs. 1 und 3 der (im Beschwerdefall noch anzuwendenden) Steiermärkischen Landesabgabenordnung (LAO) lauteten:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 224. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines

durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig

ist und

a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde,

falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat

herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die

im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht

geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und

nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(3) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz hat seine Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens sowohl auf den Neuerungs- als auch den Vorfragentatbestand des § 224 Abs. 1 lit. b und c LAO gestützt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2008/16/0012 (ebenfalls zur Stmk. LAO), ausgeführt hat, dient die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht dazu, die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offen gelegten Sachverhaltes zu beseitigen. Das Hervorkommen einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vermittelt keine Berechtigung zur Wiederaufnahme von (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahren nach dem Neuerungstatbestand. Bezugnehmend auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 5/09, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter ausgeführt, dass das Hervorkommen eines Urteils des EuGH zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht auch nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund eines Vorfragentatbestandes berechtigt.

Im "Hermann") kann daher kein Wiederaufnahmegrund nach § 224 Abs. 3 der Stmk. LAO erblickt werden. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz konnte somit den Wiederaufnahmebescheid nicht auf diese Wiederaufnahmetatbestände stützen. Diesen Umstand hat die belangte Behörde aber in Verkennung der Rechtslage nicht aufgegriffen und somit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher aus den angeführten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am