VwGH vom 08.09.2010, 2009/16/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Steiner und Hofrat Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/2004-W/03, betreffend Grunderwerbsteuer (mitbeteiligte Partei: S AG als Rechtsnachfolger der LgmbH Co KG in W, vertreten durch die Leitner Leitner GmbH und Co KG, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 30, 32 und 36), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der am beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im Folgenden kurz Finanzamt) eingelangten Abgabenerklärung wurde ein am abgeschlossener Kaufvertrag angezeigt, mit dem die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei von einer Verkäuferin eine im Vertrag näher bezeichnete Liegenschaft um einen Kaufpreis von ATS 30.170.000,-- erwarb, wobei vereinbart war, dass die Verkäuferin berechtigt ist, der Käuferin zusätzlich einen sich aus einer Vorsteuerberichtigung ergebenden Betrag in Rechnung zu stellen. Dieser weitere Betrag wurde dem Finanzamt über Anfrage vom mit Eingabe vom in der Höhe von ATS 529.144,83 bekannt gegeben.
Dafür setzte das Finanzamt mit Bescheid vom Grunderwerbsteuer ausgehend von einer Gesamtgegenleistung von ATS 30.699.144,-- fest.
Mit einer beim Finanzamt am eingelangten Eingabe wurde für verschiedene in der Eingabe namentlich aufgeführte Personen "Selbstanzeige gem. § 29 FinStrG" mit dem Hinweis auf einen unter einem vorgelegten Rahmenvertrag erstattet, in dem ein Gesamtentgelt von ATS 81.000.000,-- vorgesehen war. Die von der steuerlichen Vertreterin der nunmehrigen mitbeteiligten Partei eingebrachte Selbstanzeige vertrat ausdrücklich den Standpunkt, die Vorschreibung der Grunderwerbsteuer für den Liegenschaftserwerb ausgehend vom Kaufpreis von ATS 30.170.000,-- zuzüglich der weiter verrechneten Vorsteuerberichtigung sei richtig gewesen. Neben dem Liegenschaftskauf seien im Rahmenvertrag nämlich auch ein Rückmietvertrag sowie wechselseitige Anbote zum Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen, weiters die Übernahme von Passiva sowie die Übernahme einer Honorarforderung vereinbart worden. Auch im Rahmenvertrag selbst wurde die Rechtsmeinung zum Ausdruck gebracht, dass für den Rahmenvertrag keine Grunderwerbsteuerpflicht anfalle (Punkt VI 3 des Rahmenvertrages).
Dieser Rechtsstandpunkt wurde in einer weiteren Eingabe vom ausdrücklich bekräftigt.
Daraufhin nahm das Finanzamt mit Bescheid vom das Verfahren in der Grunderwerbsteuersache betreffend den Kaufvertrag vom gem. § 303 Abs. 4 BAO von Amts wegen wieder auf und behob den Grunderwerbsteuerbescheid vom ; unter einem setzte das Finanzamt für den Rechtsvorgang Kaufvertrag vom Grunderwerbsteuer ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von ATS 81.529.144,-- fest.
Gegen diesen Bescheid berief die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei.
Die belangte Behörde hob den Wiederaufnahmebescheid auf und wies die Berufung gegen den (neuen) Grunderwerbsteuerbescheid als "unzulässig geworden" zurück. Sie vertrat darin unter anderem die Rechtsauffassung, der Wiederaufnahme stehe die inzwischen eingetretene Verjährung entgegen, wobei sie das Vorliegen einer Abgabenhinterziehung verneinte. Sie traf dazu insbesondere auf Grund der Formulierungen in den vorgelegten Vertragstexten unter anderem die Feststellung, die vertragschließenden Parteien des Rahmenvertrages hätten die Verwirklichung einer Grunderwerbsteuerverkürzung "nicht ernstlich für möglich gehalten".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Finanzamtes wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstatte eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde begehrt wird. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter anderem in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände alleine oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Nach § 304 leg. cit. ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung ausgeschlossen, sofern nicht bestimmte in der zitierten Gesetzesstelle angeführte (im Beschwerdefall nicht relevante) Umstände vorliegen.
Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 BAO betreffend die Grunderwerbsteuer fünf Jahre; soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre.
Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a in Fällen des § 207 Abs. 2 mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Beurteilung des Beschwerdegrundes der Rechtswidrigkeit des Inhaltes den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen.
Ausgehend davon ist zu beachten, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die ausdrückliche Tatsachenfeststellung getroffen hat, die vertragschließenden Parteien des Rahmenvertrages hätten die Verwirklichung einer Grunderwerbsteuerverkürzung nicht ernstlich für möglich gehalten. Ausgehend davon hat die belangte Behörde rechtlich das Vorliegen einer Abgabenhinterziehung und damit die Anwendung der 7- jährigen Verjährungsfrist verneint.
Dem tritt das beschwerdeführende Finanzamt im Rahmen seiner Rechtsrüge lediglich mit dem Argument entgegen, die Darstellung betreffend der Ermittlung des Gesamtpreises im Rahmenvertrag "erscheine unglaubwürdig".
Da die Beschwerde allein damit aber eine Unschlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung nicht aufzuzeigen vermag (nur eine solche könnte aber zur Bescheidaufhebung führen; vgl. dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/16/0197 und vom , Zl. 2001/13/0171), ist in weiterer Folge davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall einerseits (unter Berücksichtigung der ersten Bescheiderlassung am ) von einem Verjährungsbeginn mit Ablauf des Jahres 1996 auszugehen ist und dass andererseits die Verjährungsfrist gem. § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre betrug. Verjährung ist daher bereits mit Ablauf des Jahres 2001 eingetreten. Die eingetretene Verjährung stand daher - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - gemäß § 304 BAO der vom Finanzamt mit Bescheid vom verfügten Wiederaufnahme entgegen. Auf die übrigen zur Zulässigkeit der Wiederaufnahme vorgebrachten Argumente des beschwerdeführenden Finanzamtes braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden. Was des Weiteren die Verfahrensrüge der Beschwerde betrifft, die am beantragte Zeugeneinvernahme sei von der belangten Behörde nicht durchgeführt worden, so ist darauf zu verweisen, dass der betreffende Beweisantrag des Finanzamtes insgesamt folgenden Wortlaut hatte:
"Die Amtspartei beantragte Zeugeneinvernahme der Beteiligten, insbesondere der Personen, die seinerzeit den Kaufvertrag und den Rahmenvertrag als Zeichnungsberechtigte unterfertigt haben und ersucht, diese Zeugeneinvernahme im Beisein der Behördenvertreter vorzunehmen."
Da nach ständiger hg. Judikatur Beweisanträge konkret das jeweilige Beweisthema und die jeweiligen Beweismittel bezeichnen müssen (sie dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/13/0142 und vom , Zl. 2000/14/0106 und die jeweils dort zitierte Vorjudikatur) hatte die belangte Behörde keinerlei Veranlassung, diesem Beweisantrag zu entsprechen, zumal aus der Sicht des von der belangten Behörde zutreffend eingenommenen Rechtsstandpunktes kein weiterer Ermittlungsbedarf bestand.
Dem angefochtenen Bescheid haftet daher im Ergebnis keinerlei Rechtswidrigkeit an.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-AufwandersatzVO 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am