VwGH vom 20.06.2016, Ra 2015/09/0090
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, sowie des Disziplinaranwaltes der Österreichischen Ärztekammer, beide in Wien und vertreten durch Dr. Daniela Altendorfer-Eberl, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Brucknerstraße 6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW- 172/083/29521/2014-8, betreffend Disziplinarstrafen nach dem Ärztegesetz 1998 (mitbeteiligte Partei: Dr. Nikolaus Redtenbacher in 2630 Ternitz, vertreten durch Mag. Markus Lechner, Rechtsanwalt in 6911 Lochau, Althaus 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches in Punkt I.4. zur Gänze sowie seiner Aussprüche über die Strafen und Kosten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Kostenantrag der Revisionswerber wird abgewiesen.
Begründung
1 Der im Jahr 1973 geborene Mitbeteiligte ist als Arzt für Allgemeinmedizin sowie als Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde in die Ärzteliste eingetragen und gehört als ordentlicher Kammerangehöriger der Ärztekammer für Wien an. Mit Disziplinarerkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom wurde der Mitbeteiligte wie folgt für schuldig erkannt (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Der Disziplinarbeschuldigte ist schuldig.
Er hat
1. in einem Inserat in der Zeitschrift W. im Oktober 2013 mit folgendem Werbetext geworben:
‚Schönheit kommt von innen - aber auch von außen! Schmerzfreie Behandlung durch den Spezialisten, überlassen Sie Ihr Aussehen professionellen Händen, renommierter international tätiger plastischer Gesichtschirurg nimmt sich gerne für Sie Zeit.'
2. in einer Ausgabe der Zeitschrift N. vom ein Inserat geschaltet das mit den Worten schließt: ‚weitere Informationen und Anmeldungen zu einem kostenlosen Erstgespräch unter office@...at ',
3. auf seiner Homepage die folgende Textpassage veröffentlicht:
‚Coolsculpting wurde von den beiden angesehenen Wissenschaftlern der Harvard Universität, Prof. Dr. D. Manstein und Dr. R. Rox Anderson entwickelt, ist als medizinische Behandlungsmethode für Fettpölster zugelassen und wurde von einer amerikanischen Medizinproduktefirma perfektioniert.
Coolsculpting basiert auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Kryolipolyse. Die Kryolipolyse wird exklusiv durch das Massachusetts General Hospital, einer Lehreinrichtung der Harvard Medical School, lizenziert.
Bei Coolsculpting wird mittels eines speziellen Applikators das betroffene Fettgewebe stark gekühlt. Fettzellen reagieren um vieles empfindlicher auf Kälte als das sie umgebende Gewebe. Die stark gekühlten Fettzellen werden durch körpereigene Abbaumechanismen aus dem Körper geleitet und verschwinden nachhaltig. All die anderen gesunden Hautzellen bleiben unversehrt.'
4. dadurch, dass er ein bezahltes Interview mit dem Radiosender K. H. geführt hat, veranlasst, dass am um ca. 15:45 Uhr und am um ca. 08:43 Uhr folgender Spot geschaltet wurde:
‚Genug von Falten und lästigen Krähenfüßen im Gesicht? Radiesse bedeutet sanftes Lifting ganz ohne Skalpell. Dr. N. R., plastischer Gesichtschirurg und Facharzt für HNO.
N. R.: Radiesse ist ein Gel mit Kalzium-Mikrosphären, das den körpereigenen Zellen sehr ähnlich ist. Die körpereigene Kollagenproduktion der Haut wird wiederum angeregt. Das bedeutet mehr Volumen für jugendliche Gesichtsform. Meist ist nur ein einziger Behandlungstermin nötig.
Off-Stimme: Jetzt Beratungstermin ausmachen! hno-...at.'
Der Disziplinarbeschuldigte hat dadurch zu 1. und 4. gegen § 53 ÄrzteG und Art. 3b und c der Richtlinie Arzt und Öffentlichkeit sowie zu 2. und 3. gegen § 8 Abs. 2 Z 1 und 2 ÄsthOpG verstoßen und dadurch das Disziplinarvergehen nach § 136 Abs 1 Z 2 ÄrzteG begangen.
Er wird hiefür nach § 139 Abs 1 Z 2 ÄrzteG zu einer Geldstrafe von EUR 1.000,-
verurteilt.
Gem. § 163 Abs 1 ÄrzteG hat er die mit EUR 1.000,- bestimmten
Verfahrenskosten zu ersetzen."
2 Auf Grund der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde sprach das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wie folgt aus:
"I. Gemäß § 28 VwGG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als der Spruch lautet:
‚Der Disziplinarbeschuldigte ist schuldig.
Er hat
1. in einem Inserat in der Zeitschrift W. im Oktober 2013 mit folgendem Werbetext geworben:
‚Schönheit kommt von innen - aber auch von außen! Schmerzfreie Behandlung durch den Spezialisten, überlassen Sie Ihr Aussehen professionellen Händen, renommierter international tätiger plastischer Gesichtschirurg nimmt sich gerne für Sie Zeit.'
Der Disziplinarbeschuldigte hat dadurch zu 1. gegen § 53 ÄrzteG (Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte - Ärztegesetz 1998 - ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 i.d.F. BGBl. Nr. 82/2014) und § 2 Abs. 2 der Richtlinie ‚Arzt und Öffentlichkeit' (Kundmachung der Österreichischen Ärztekammer Nr. 03/2014, veröffentlicht am ), verstoßen und dadurch das Disziplinarvergehen nach § 136 Abs 1 Z 2 ÄrzteG begangen.
Er wird hiefür nach § 139 Abs 1 Z 2 ÄrzteG zu einer Geldstrafe von EUR 250,- verurteilt.
2. in einer Ausgabe der Zeitschrift N. vom ein Inserat geschaltet das mit den Worten schließt: ‚weitere Informationen und Anmeldungen zu einem kostenlosen Erstgespräch unter office@...at ',
Der Disziplinarbeschuldigte hat dadurch zu 2. gegen § 8 Abs. 2 Z 2 ÄsthOpG verstoßen und dadurch das Disziplinarvergehen nach § 136 Abs 1 Z 2 ÄrzteG begangen.
Ihm wird hiefür nach § 139 Abs 1 Z 1 ÄrzteG ein Verweis erteilt.
3. auf seiner Homepage die folgende Textpassage veröffentlicht:
‚Coolsculpting wurde von den beiden angesehenen Wissenschaftlern der Harvard Universität, Prof. Dr. D. Manstein und Dr. R. Rox Anderson entwickelt, ist als medizinische Behandlungsmethode für Fettpölster zugelassen und wurde von einer amerikanischen Medizinproduktefirma perfektioniert.
Coolsculpting basiert auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Kryolipolyse. Die Kryolipolyse wird exklusiv durch das Massachusetts General Hospital, einer Lehreinrichtung der Harvard Medical School, lizenziert.
Bei Coolsculpting wird mittels eines speziellen Applikators das betroffene Fettgewebe stark gekühlt. Fettzellen reagieren um vieles empfindlicher auf Kälte als das sie umgebende Gewebe. Die stark gekühlten Fettzellen werden durch körpereigene Abbaumechanismen aus dem Körper geleitet und verschwinden nachhaltig, all die anderen gesunden Hautzellen bleiben unversehrt.'
Der Disziplinarbeschuldigte hat dadurch zu 3. gegen § 53 ÄrzteG ... und § 2 Abs. 2 der Richtlinie ‚Arzt und
Öffentlichkeit' ... verstoßen und dadurch das Disziplinarvergehen
nach § 136 Abs 1 Z 2 ÄrzteG begangen.
Er wird hiefür nach § 139 Abs 1 Z 2 ÄrzteG zu einer Geldstrafe von EUR 250,- verurteilt.
Gem. § 139 Abs. 6 ÄrzteG beträgt daher die dem Beschuldigten auferlegte gesamte Geldstrafe EUR 500,-.
Gem. § 163 Abs 1 ÄrzteG hat der Beschuldigte die mit EUR 500,-
bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.
4. Der Disziplinarbeschuldigte wird hingegen vom Vorwurf, er habe dadurch, dass er ein bezahltes Interview mit dem Radiosender K. H. geführt hat, veranlasst, dass am um ca. 15:45 Uhr und am um ca. 08:43 Uhr folgender Spot geschaltet wurde:
‚Genug von Falten und lästigen Krähenfüßen im Gesicht? Radiesse bedeutet sanftes Lifting ganz ohne Skalpell. Dr. N. R., plastischer Gesichtschirurg und Facharzt für HNO.
N. R.: Radiesse ist ein Gel mit Kalzium-Mikrosphären, das den körpereigenen Zellen sehr ähnlich ist. Die körpereigene Kollagenproduktion der Haut wird wiederum angeregt. Das bedeutet mehr Volumen für jugendliche Gesichtsform. Meist ist nur ein einziger Behandlungstermin nötig.
Off-Stimme: Jetzt Beratungstermin ausmachen! hno-...at.'
und dadurch zu 4. gegen § 53 ÄrzteG … und Art 3c der
Richtlinie Arzt und Öffentlichkeit ... verstoßen und dadurch das
Disziplinarvergehen nach § 136 Abs 1 Z 2 ÄrzteG begangen,
freigesprochen.'
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig."
3 In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses führte das Verwaltungsgericht - soweit für die vorliegende Entscheidung relevant - aus, dass der Disziplinarrat lediglich eine globale Strafe in der Höhe von EUR 1.000,-- ausgesprochen habe, im Hinblick auf die vier Tatbestände und fehlende Strafzumessungskriterien im Straferkenntnis des Disziplinarrates jedoch davon ausgegangen werde, dass die Strafe zu jedem einzelnen Delikt gesondert zu bemessen und zu begründen sei. Das Verwaltungsgericht führte aus: "Nachdem in § 139 Abs. 6 ÄrzteG eine Gesamtstrafe auszusprechen ist, erfolgte die Zusammenrechnung der verhängten Geldstrafen."
4 Das angefochtene Erkenntnis enthält bezüglich der Schuldsprüche zu den Punkten I.1. bis 3. jeweils eine gesonderte Begründung der Strafzumessung.
5 Den Freispruch zu Punkt I.4. begründete das Verwaltungsgericht wie folgt:
"Der Beschwerdeführer hat ein bezahltes Interview mit dem Radiosender K. H. geführt und veranlasst, dass am um ca. 15 45 Uhr und am um ca. 08:43 Uhr folgender Spot geschaltet (wurde):
‚Genug von Falten und lästigen Krähenfüßen im Gesicht? Radiesse bedeutet sanftes Lifting ganz ohne Skalpell. Dr. N. R., plastischer Gesichtschirurg und Facharzt für HNO.
N. R.: Radiesse ist ein Gel mit Kalzium-Mikrosphären, das den körpereigenen Zellen sehr ähnlich ist. Die körpereigene Kollagenproduktion der Haut wird wiederum angeregt. Das bedeutet mehr Volumen für jugendliche Gesichtsform. Meist ist nur ein einziger Behandlungstermin nötig.
Off-Stimme: Jetzt Beratungstermin ausmachen! hno-...at.'
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem unbestritten gebliebenen Akteninhalt.
Rechtliche Beurteilung:
Die Disziplinarkommission stellt in ihrem Erkenntnis auf Seite 4 fest, dass der Beschwerdeführer keinen Einfluss auf den inkriminierten Radio-Spot treffen konnte und dies alleine in der Verantwortung des Radio-Senders gelegen ist. Die disziplinäre Verantwortlichkeit setzt aber auch voraus, dass Handlungen oder Unterlassungen Dritter dem Beschuldigten zurechenbar sind. Dies war hier auch nach Feststellungen der Disziplinarkommission nicht der Fall (diese Feststellungen wurden im Übrigen auch von Disziplinaranwalt nicht bekämpft), weshalb in diesem Punkt freizusprechen war."
6 Die Kostenentscheidung begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die von der Disziplinarkommission getroffene Kostenentscheidung in der Höhe von EUR 1.000,-- weder im Disziplinarerkenntnis begründet noch im Akt nachvollziehbar sei, weshalb der Kostenausspruch infolge der Verhängung von lediglich zwei statt vier Geldstrafen auf die Hälfte reduziert worden sei.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, sowohl vom Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, als auch vom Disziplinaranwalt der Österreichischen Ärztekammer erhobene außerordentliche Revision, der sich auch die Bundesministerin für Gesundheit in einer Revisionsbeantwortung vollinhaltlich angeschlossen hat.
8 Das Verwaltungsgericht Wien legte die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Das Verwaltungsgericht Wien hat zwar die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig erklärt, der Verwaltungsgerichtshof ist an diesen Ausspruch und dessen Begründung aber nicht gebunden (vgl. § 34 Abs. 1a VwGG). Er erachtet die Zulässigkeit der Revision im Hinblick auf das Fehlen einer Rechtsprechung zu § 139 Abs. 6 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998) für gegeben.
10 Die Revision ist gegen den Freispruch zu Punkt I.4. des angefochtenen Erkenntnisses sowie gegen die Straf- und Kostenaussprüche des angefochtenen Erkenntnisses gerichtet. Die Revisionswerber halten die Revision zunächst deswegen für zulässig und begründen sie zugleich damit, dass das Verwaltungsgericht § 139 Abs. 6 und 7 ÄrzteG 1998 nicht richtig angewendet habe, in dem es im Ergebnis drei disziplinarrechtliche Verurteilungen ausgesprochen und sowohl im Spruch als auch in der Begründung für jeden der drei Punkte, in denen es den Mitbeteiligten für schuldig erkannte habe, eine eigene Strafe festgesetzt habe. Dies gipfle darin, dass das Gericht die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises mit jener der Geldstrafe kumuliert habe. Dies widerspreche jedoch § 139 Abs. 6 ÄrzteG 1998, welcher, dem Prinzip des StGB entsprechend, eine Gesamtstrafe bei Verurteilung wegen mehrerer Delikte anordne und dies durch den ausdrücklichen Hinweis auf die §§ 31 und 40 StGB auch für den Fall absichere, dass die Verurteilungen nicht im selben Erkenntnis erfolgten. Damit gelte - entgegen dem Kumulationsprinzip im Verwaltungsstrafrecht - ebenso wie im gerichtlichen Strafrecht das Absorptionsprinzip auch im Disziplinarrecht der Ärzte.
11 Bei der Strafzumessung lasse das Verwaltungsgericht auch die besonderen Erschwerungsgründe des § 33 Abs. 1 Z 1 StGB (mehrere Disziplinarvergehen) völlig außer Acht, auch habe es die persönlichen Einkommensverhältnisse des Mitbeteiligten, auf die § 139 Abs. 7 ÄrzteG 1998 hinweise, nicht einmal ansatzweise berücksichtigt, dieser verdiene nämlich monatlich EUR 8.000,-- bis EUR 10.000,--.
12 Die §§ 53 und 139 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169 idF
BGBl. I Nr. 110/2001, lauten auszugsweise:
"Werbebeschränkung und Provisionsverbot
§ 53. (1) Der Arzt hat sich jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten.
...
(4) Die Österreichische Ärztekammer kann nähere Vorschriften über die Art und Form der im Abs. 1 genannten Informationen erlassen.
...
4. Abschnitt
Disziplinarstrafen
§ 139. (1) Disziplinarstrafen sind
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | der schriftliche Verweis, |
2. | die Geldstrafe bis zum Betrag von 36 340 Euro, |
3. | die befristete Untersagung der Berufsausübung, |
4. | die Streichung aus der Ärzteliste. |
... |
(6) Liegen einem Beschuldigten mehrere Disziplinarvergehen zur Last, so ist, außer im Falle des Abs. 10, nur eine Disziplinarstrafe zu verhängen. Die §§ 31 und 40 StGB gelten sinngemäß.
(7) Bei Bemessung der Strafe ist insbesondere auf die Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen Nachteile, vor allem für die Patientenschaft, bei Bemessung der Geldstrafe auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten, Bedacht zu nehmen. Die §§ 32 bis 34 StGB sind sinngemäß anzuwenden.
...
(10) Sofern es im Interesse der Wahrung des Ansehens der österreichischen Ärzteschaft und der Einhaltung der Berufspflichten gelegen ist, kann im Disziplinarerkenntnis auf Veröffentlichung des gesamten Disziplinarerkenntnisses in den Mitteilungen der zuständigen Ärztekammer oder allenfalls zusätzlich auch in der Österreichischen Ärztezeitung erkannt werden."
13 Aus dem klaren Wortlaut des § 139 Abs. 6 ÄrzteG 1998 ist zu ersehen, dass dann, wenn einem Beschuldigten mehrere Disziplinarvergehen zur Last liegen - außer im Fall der hier nicht verhängten Disziplinarstrafe der Veröffentlichung des gesamten Disziplinarerkenntnisses gemäß Abs. 10 - nur eine Disziplinarstrafe zu verhängen ist. Dies hat das Verwaltungsgericht verkannt, indem es über den Mitbeteiligten mehrere Disziplinarstrafen nebeneinander verhängte, nämlich zwei Geldstrafen und einmal die Disziplinarstrafe des Verweises. Zutreffend wird in der Revision auch geltend gemacht, dass das Verwaltungsgericht bei Anwendung des § 139 Abs. 7 ÄrzteG 1998 bei Ausmessung der über den Mitbeteiligten verhängten Strafe auch auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse Bedacht nehmen und bei Festsetzung einer Disziplinarstrafe im Grunde des § 33 Abs. 1 Z 1 StGB die Begehung von mehreren strafbaren Handlungen durch den Mitbeteiligten als erschwerend werten hätte müssen.
14 Die Revision wendet sich im Weiteren - sowohl in ihren Zulassungsausführungen als auch in den Revisionsgründen - gegen den Freispruch zu Punkt I.4. des angefochtenen Erkenntnisses und bringt dazu (u.a.) vor, das Verwaltungsgericht verletze tragende Verfahrensgrundsätze, indem es aktenwidrig davon ausgehe, dass nach den Feststellungen der Disziplinarkommission der Mitbeteiligte keinen Einfluss auf den gesendeten Werbespot nehmen habe können und dieser in der alleinigen Verantwortung des Radiosenders gestanden sei. Die Disziplinarkommission habe allerdings nur festgestellt, dass der Mitbeteiligte die Fragen der Journalisten nicht beeinflussen habe können und dass er keinen Einfluss auf die Ankündigungsspots genommen habe. Es fehle zudem an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verpflichtung eines Arztes, in zumutbarer Weise dafür zu sorgen, dass standeswidrige Informationen durch Dritte, insbesondere Medien, unterblieben.
15 Gemäß § 53 Abs. 4 ÄrzteG 1998 hat die Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer am im Rahmen des
108. Österreichischen Ärztekammertages die Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" beschlossen, kundgemacht in der Österreichischen Ärztezeitung Nr. 5/2004 vom , welche auszugsweise wie folgt lautet:
"Artikel 1
Dem Arzt ist jede unsachliche, unwahre oder das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information untersagt.
...
Artikel 3
Eine das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende
Information liegt vor bei
a) herabsetzenden Äußerungen über ÄrztInnen, ihre Tätigkeit und ihre medizinischen Methoden;
b) Darstellen einer wahrheitswidrigen medizinischen Exklusivität;
c) Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche bzw. marktschreierische Darstellung;
d) Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte sowie für deren Hersteller und Vertreiber.
Artikel 4
Im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes sind dem Arzt - unter Beachtung der Art. 1 bis 3 - insbesondere gestattet:
a) die Information über die eigenen medizinischen Tätigkeitsgebiete, die der Arzt aufgrund seiner Aus- und Fortbildung beherrscht;
b) die Einladung eigener Patienten zu Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen, Impfungen und dergleichen (Recall-System);
Tabelle in neuem Fenster öffnen
c) | die Information über die Ordinationsnachfolge; |
d) | die Einrichtung einer eigenen Homepage oder die Beteiligung an einer fremden Homepage. |
Artikel 5 | |
a) | Der Arzt hat in zumutbarer Weise dafür zu sorgen, dass standeswidrige Information gemäß Artikel 1 durch Dritte, insbesondere durch Medien, unterbleibt. |
b) | Die Erwähnung des Namens des Arztes und der nach dem Ärztegesetz zulässigen Bezeichnungen ist erlaubt, hingegen bleibt die wiederholte betonte, auffällige und reklamehafte Nennung des Namens in Verbindung mit einem gleichzeitig geschalteten Inserat im selben Medium untersagt. |
c) | Auf Anfrage in Medien abgegebene individuelle Diagnosestellungen und Therapieanweisungen (Fernbehandlung) sind unzulässig. |
d) | Veröffentlichungen mit Namen und/oder Bildern von bzw. mit Patienten sind nur mit deren gegenüber dem Arzt erklärten Zustimmung zulässig." |
16 Die Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Informationen in der Öffentlichkeit (Arzt und Öffentlichkeit 2014), Kundmachung der Österreichischen Ärztekammer Nr. 03/2014, veröffentlicht am , lautet: |
"§ 1. Der Ärztin (dem Arzt) ist jede unsachliche, unwahre oder das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information untersagt.
§ 2. (1) Unsachlich ist eine medizinische Information, wenn sie wissenschaftlichen Erkenntnissen oder medizinischen Erfahrungen widerspricht.
(2) Unwahr ist eine Information, wenn sie den Tatsachen nicht entspricht.
(3) Eine das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information liegt vor bei 1. herabsetzenden Äußerungen über Ärztinnen (Ärzte), ihre Tätigkeit und ihre medizinischen Methoden; 2. Darstellen einer wahrheitswidrigen medizinischen Exklusivität; 3. Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche und/oder marktschreierische Darstellung.
§ 3. Unzulässig ist die Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte sowie für deren Hersteller und Vertreiber.
§ 4. Im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufs sind der Ärztin (dem Arzt), sofern die Inhalte dieser Verordnung entsprechen, insbesondere gestattet
1. die Information über die eigenen medizinischen Tätigkeitsgebiete, die die Ärztin (der Arzt) aufgrund ihrer (seiner) Aus- und Fortbildung beherrscht, 2. die Einladung eigener Patientinnen (Patienten) zu Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen, Impfungen und dergleichen (Recall-System), 3. die Information über die Ordinationsnachfolge, 4. die Information über die Zusammenarbeit mit anderen
Gesundheitsberufen, 5. die Information über gewerbliche Leistungen oder Gewerbebetriebe, sofern sie im Zusammenhang mit der eigenen Leistung stehen, 6. die Einrichtung einer eigenen Homepage oder die Beteiligung an einer fremden Homepage sowie 7. die Information mittels elektronischer Medien oder gedruckter Medien (insbesondere Broschüren, Aushänge) in der Ordination oder im Wartezimmerbereich.
§ 5. (1) Die Ärztin (der Arzt) hat in zumutbarer Weise dafür zu sorgen, dass standeswidrige Information gemäß § 1 durch Dritte, insbesondere durch Medien, unterbleibt.
(2) Die Erwähnung des Namens der Ärztin (des Arztes) und der nach dem ÄrzteG 1998 zulässigen Bezeichnungen ist erlaubt, hingegen bleibt die wiederholte betonte, auffällige und reklamehafte Nennung des Namens in Verbindung mit einem gleichzeitig geschalteten Inserat im selben Medium untersagt.
(3) Auf Anfrage in Medien abgegebene individuelle Diagnosestellungen und Therapieanweisungen (Fernbehandlung) sind unzulässig.
(4) Veröffentlichungen mit Namen und/oder Bildern von beziehungsweise mit Patientinnen (Patienten) sind nur mit deren gegenüber der Ärztin (dem Arzt) erklärten Zustimmung zulässig.
Schlussbestimmungen
§ 6. (1) Diese Verordnung tritt mit in Kraft.
(2) Mit Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung Arzt und Öffentlichkeit vom , beschlossen von der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer am , veröffentlicht in der Österreichischen Ärztezeitung Nr. 5/2004 vom , außer Kraft."
17 Das Verwaltungsgericht stellt zum einen fest, dass der Mitbeteiligte ein bezahltes Interview mit dem Radiosender K. H. geführt und veranlasst habe, dass ein bestimmter Spot geschaltet worden sei. Zugleich meint das Verwaltungsgericht aber, dass der Mitbeteiligte keinen Einfluss auf den inkriminierten Radiospot habe treffen können und dieser alleine in der Verantwortung des Radiosenders gelegen sei, weshalb eine disziplinäre Verantwortung des Mitbeteiligten diesbezüglich zu verneinen sei.
18 Dies stellt keine schlüssige Begründung des zu Punkt I.4. des angefochtenen Erkenntnisses ausgesprochenen Freispruches dar. Wenn das Verwaltungsgericht nämlich zum einen feststellt, der Mitbeteiligte habe das Interview mit ihm selbst bezahlt und die Schaltung des Radiospots veranlasst, so ist zum anderen nicht verständlich, weshalb er keinen Einfluss auf den inkriminierten Radiospot gehabt haben sollte und diesbezüglich den für ihn geltenden Sorgfaltsverpflichtungen nicht hätte nachkommen können.
19 Zutreffend zeigen die Revisionswerber in diesem Zusammenhang auch auf, dass die Disziplinarkommission im vorliegenden Fall nur festgestellt hat, dass der Mitbeteiligte die Fragen der Journalisten nicht beeinflussen haben können, nicht aber, dass er keinen Einfluss auf den Inhalt des Werbespots hätte ausüben können. Der Mitbeteiligte habe in der mündlichen Verhandlung vom vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt, dass er sich eine Freigabe des Werbespots nicht vorbehalten habe, dies zähle aber zu seiner Verpflichtung. Die Schaltung eines Werbespots oder der Auftrag eines Werbeinserates, ohne sich die endgültige Freigabe vorzubehalten, sei jedenfalls ein Sorgfaltsverstoß nach der Richtlinie Arzt und Öffentlichkeit iVm § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998.
20 Dieser Auffassung kann im Ergebnis nicht entgegengetreten werden. Gibt ein Arzt die Schaltung eines Werbespots in Auftrag, so muss er vielmehr durch geeignete Vorkehrungen dafür Sorge tragen, dass mit diesem die in der Richtlinie Arzt und Öffentlichkeit normierten Werbebeschränkungen eingehalten werden, zumal gemäß § 136 Abs. 7 ÄrzteG 1998 hinsichtlich der disziplinären Verantwortlichkeit für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (§ 6 StGB) genügt. Dies hat das Verwaltungsgericht verkannt.
21 Zu den Ausführungen der Revisionswerber, das Verwaltungsgericht habe die Richtlinie Arzt und Öffentlichkeit vom angeführt, obwohl zu den jeweiligen Tatzeitpunkten noch die Richtlinie vom in Geltung gestanden sei, ist darauf hinzuweisen, dass der hier maßgebliche normative Inhalt dieser Vorschriften im Wesentlichen gleichwertig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/09/0045).
22 Hinsichtlich der Verfahrenskosten verweisen die Revisionswerber auf einen Beschluss der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer vom 12. November (richtig: Dezember) 2014 zur Festsetzung der Bearbeitungs- und Sitzungsgebühren sowie der Vergütung der Fahrtkosten. Danach habe die Ärztekammer an Entschädigung pro Verhandlungstag dem Vorsitzenden, den Beisitzern und dem Disziplinaranwalt je EUR 160,75, zusätzlich für die Erledigung des Verfahrens mit Erkenntnis dem Vorsitzenden und dem Disziplinaranwalt jeweils EUR 132,29 zu bezahlen. Rechne man eine Büropauschale für Kanzleigeschäfte des Disziplinaranwaltes und des Disziplinarrates hinzu, so ergebe sich ein Betrag von rund EUR 1.000,--. Die Abänderung durch das Verwaltungsgericht sei daher nicht zu Recht erfolgt.
23 Die §§ 143 und 163 ÄrzteG 1998 (in der Stammfassung bzw. der Fassung BGBl. I Nr. 112/2007) lauten auszugsweise:
"§ 143. Die Mitglieder des Disziplinarrates und der Disziplinaranwalt sowie deren Stellvertreter haben Anspruch auf Vergütung ihrer Fahrt- und sonstigen Barauslagen und auf eine dem Zeit- und Arbeitsaufwand entsprechende Bearbeitungs- oder Sitzungsgebühr, die von der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer (§ 122 Z 5) festzusetzen ist.
...
§ 163. (1) Im Falle eines Schuldspruchs ist in der Entscheidung zugleich auszudrücken, daß der Disziplinarbeschuldigte auch die Kosten des Disziplinarverfahrens -
einschließlich der Kosten der Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses (§ 139 Abs. 10) - zu tragen hat. Die Kosten sind unter Berücksichtigung des Verfahrensaufwandes und der besonderen Verhältnisse des Falles unter Bedachtnahme auf die Vermögensverhältnisse des Beschuldigten von der Disziplinarkommission nach freien Ermessen mit einem Pauschalbetrag festzusetzen. Doch sind im Falle, daß sich das Verfahren auf mehrere strafbare Handlungen bezog, die Kosten hinsichtlich jener Handlungen, deren der Disziplinarbeschuldigte nicht für schuldig erkannt wird, soweit es tunlich ist, vom Ersatz auszuscheiden.
(2) Wird der Beschuldigte freigesprochen oder sind die Verfahrenskosten uneinbringlich, so hat sie die Österreichische Ärztekammer endgültig zu tragen.
..."
24 Nach § 117b Abs. 2 Z 12 ÄrzteG 1998 obliegt der Österreichischen Ärztekammer im eigenen Wirkungsbereich die Erlassung einer Diäten-, Reisegebühren- und Aufwandsentschädigungsordnung. Nach § 122 Z 5 leg. cit. obliegt der Vollversammlung der Ärztekammer "die Festsetzung einer Diäten- und Reisegebührenordnung (Tag- und Nächtigungsgelder, Fahrtkostenersatz) einschließlich Gebühren (feste Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder, Bearbeitungsgebühren) für Funktionäre, Referenten und sonstige Beauftragte der Österreichischen Ärztekammer sowie für die nach diesem Bundesgesetz bestellten Disziplinarorgane". Nach § 195d Abs. 2 ÄrzteG 1998 hat die Österreichische Ärztekammer Verordnungen im eigenen Wirkungsbereich "unverzüglich im Internet auf ihrer Homepage allgemein zugänglich und dauerhaft zu verlautbaren".
25 Der angefochtene Kostenausspruch kann schon aufgrund des Umstandes, dass das Verwaltungsgericht seine Kostenentscheidung in Verkennung der Rechtslage nur darauf stützt, dass "infolge der Verhängung von lediglich zwei statt vier Geldstrafen" die von der Disziplinarkommission festgesetzten Kosten auf die Hälfte zu reduzieren seien, keinen Bestand haben. Die Kosten sind nämlich nach § 163 Abs. 1 ÄrzteG 1998 unter Berücksichtigung des Verfahrensaufwandes und der besonderen Verhältnisse des Falles unter Bedachtnahme auf die Vermögensverhältnisse des Beschuldigten nach freien Ermessen mit einem Pauschalbetrag festzusetzen, wobei im Falle, dass sich das Verfahren auf mehrere strafbare Handlungen bezog, die Kosten hinsichtlich jener Handlungen, deren der Disziplinarbeschuldigte nicht für schuldig erkannt wird, soweit es tunlich ist, vom Ersatz auszuscheiden sind. Sollte im Übrigen der von den Revisionswerbern angeführte Beschluss im Sinne der genannten Kundmachungsbestimmungen des ÄrzteG 1998 kundgemacht sein, so wäre er vom Verwaltungsgericht auch bei der Neufestsetzung der Verfahrenskosten zu berücksichtigen.
26 Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis in dem im Spruch dargestellten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
27 Der Kostenantrag der Revisionswerber war abzuweisen, da nach § 47 Abs. 4 VwGG der Revisionswerber bzw. der Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 2 bis 4 und Abs. 8 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz haben.
Wien, am