Suchen Hilfe
VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0408

VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0408

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/406.026/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, reiste legal mit einem vom bis gültigen Schengen-Visum nach Österreich ein, wo sie sich seither aufhält.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom verhängte die belangte Behörde über die Beschwerdeführerin gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte sie - unter Einbeziehung der übernommenen Begründung des erstinstanzlichen Bescheides - im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin am in einem Restaurant in Wien 1 von Organen der KIAB (Zollamt Wien) dabei betreten worden sei, wie sie in der Küche Schnitzel geklopft habe. Sie habe den erhebenden Beamten gegenüber angegeben, in diesem Restaurant seit drei Tagen als Küchenhilfe beschäftigt zu sein. Über den Lohn sei (noch) nicht gesprochen worden; sie erhalte Essen und Trinken. Zu den täglichen Arbeitszeiten habe sie ausgeführt, von 15.00 Uhr bis 22.00 Uhr zu arbeiten.

Von der ihr im erstinstanzlichen Verfahren eingeräumten Gelegenheit, zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme und ihren persönlichen Verhältnissen Stellung zu nehmen, habe sie keinen Gebrauch gemacht. In der Berufung habe sie gerügt, dass nicht festgestellt worden sei, ob zwischen ihr und der Arbeitgeberin ein Naheverhältnis bestehe und sich die Tätigkeit als bloß unentgeltlicher Gefälligkeitsdienst darstelle.

Nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Beschwerdeführerin von Organen des Zollamtes Wien in der Küche eines Restaurants beim "Schnitzelklopfen" betreten worden sei. Ihren eigenen Angaben zufolge sei sie in diesem Restaurant seit drei Tagen einer Beschäftigung als Küchenhilfe nachgegangen, wobei zwar über den Lohn noch nicht gesprochen worden sei, sie aber zumindest Essen und Trinken erhalten habe. Darüber hinaus habe sie zu den Arbeitszeiten befragt angegeben, dass sie von 15.00 Uhr bis 22.00 Uhr arbeite. Es sei auch nachvollziehbar, dass über den Lohn noch nicht gesprochen worden sei, weil dieser im Allgemeinen erst nach Ablauf eines Monats ausbezahlt werde. Es lägen darüber hinaus keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um einen reinen Gefälligkeitsdienst gehandelt habe. Dies sei in der Berufung auch nicht dezidiert behauptet worden. Schließlich umfasse der Begriff des "Entgelts" auch geldwerte Leistungen wie etwa "Kost und Logie". Letztlich sprächen auch die täglichen Arbeitszeiten von 15.00 Uhr bis 22.00 Uhr für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und keine familiäre Bindungen geltend gemacht habe. Auf Grund ihres bisherigen Aufenthalts in Österreich werde durch das Aufenthaltsverbot in ihr Privatleben eingegriffen. Den persönlichen Interessen an einem Aufenthalt im Bundesgebiet stehe das gegenläufige große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und der Verhinderung von "Schwarzarbeit" gegenüber, sodass die im § 60 Abs. 1 zweiter Halbsatz FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei außerdem zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Arbeitsmarktes dringend geboten. Angesichts der sich aus dem noch nicht langen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich ableitbaren, nicht allzu starken Integration würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf ihre Lebenssituation nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von seiner Erlassung. Mangels besonders berücksichtigungswürdiger Umstände könne auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand genommen werden. Vor Verstreichen der Gültigkeitsdauer sei ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch ihren Aufenthalt im Bundesgebiet auch nicht zu erwarten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Oktober 2008) maßgebliche Fassung.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 8 FPG hat als die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen.

Wenn in der Beschwerde einerseits vorgebracht wird, dass es sich bei der Tätigkeit in der Küche des Restaurants, bei welcher die Beschwerdeführerin betreten wurde, um einen unentgeltlichen Gefälligkeitsdienst gehandelt habe, andererseits aber auch generell bestritten wird, dass die Beschwerdeführerin in diesem Lokal gearbeitet habe - "auch nicht aus Gefälligkeit gegen Verabreichung von Essen und Trinken" -, vermag damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt zu werden. Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen für einen anderen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0376, mwN). Die Beschwerdeführerin stellte jedoch weder im Verwaltungsverfahren noch selbst in der Beschwerde einen Lebenssachverhalt dar, aus dem sich ableiten ließe, dass es sich bloß um einen nicht unter die bewilligungspflichtige Beschäftigung iSd AuslBG fallenden Gefälligkeitsdienst (siehe dazu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0197) gehandelt hätte. Vielmehr hat die belangte Behörde nachvollziehbar jene Umstände ins Treffen geführt, die gegen eine solche Annahme und für die Ausübung einer (unerlaubten) Beschäftigung sprechen.

Soweit die Beschwerde ferner unkonkret "Übersetzungsfehler" rügt, übersieht sie, dass die Beschwerdeführerin selbst das - auch in der serbokroatischen Sprache gehaltene - Personalblatt ausgefüllt hat. Ein relevanter Verfahrensfehler wird mit diesem Vorbringen aber auch schon deshalb nicht aufgezeigt, weil nicht näher ausgeführt wird, welche Fragen die Beschwerdeführerin nicht verstanden hätte und welche Angaben im "Personenblatt" unrichtig protokolliert worden wären.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG erfüllt sei, erweist sich somit nicht als rechtwidrig. Dies indiziert die - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Gefährdungsprognose des § 60 Abs. 1 FPG, weshalb die entsprechende Annahme der belangten Behörde keinem Einwand begegnet.

Nach § 60 Abs. 6 FPG gilt bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch der - nach seinem Wortlaut nur auf Ausweisungen abstellende - § 66 FPG. Demnach ist ein Aufenthaltsverbot, mit dem in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsverbot ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang zunächst rügt, dass die belangte Behörde nicht geprüft habe, ob das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingreife und sie dazu nicht einmal befragt habe, ist ihr zu erwidern, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0149, mwN). Die Beschwerdeführerin hatte aber auch ausreichend Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen. Davon hat die Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren jedoch keinen Gebrauch gemacht. In der Berufung beschränkte sie sich darauf, die Erfüllung des Tatbestands der unerlaubten Beschäftigung zu bestreiten und die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbots als zu lange zu bekämpfen. Nähere Umstände zu einem in Österreich bestehenden Privat- oder Familienleben brachte die Beschwerdeführerin hingegen nicht vor. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde von fehlenden familiären Bindungen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ausging und bloß auf Grund ihrer Aufenthaltsdauer in Österreich einen Eingriff in ihr Privatleben annahm.

Wenn in der Beschwerde somit erstmals vorgebracht wird, dass die Beschwerdeführerin seit vier Jahren mit ihrem in Österreich berufstätigen Lebensgefährten "zusammen" sei, der über einen "zehnjährigen Aufenthaltstitel" verfüge, und den sie "demnächst" heiraten wolle, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG). Auf dieses Vorbringen konnte im angefochtenen Bescheid schon mangels dahingehenden Vorbringens im Verwaltungsverfahren nicht Bedacht genommen werden.

Den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin stellte die belangte Behörde zu Recht das gewichtige gegenläufige öffentliche Interesse an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" gegenüber. Wenn sie daher vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis gelangte, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), erweist sich dies nicht als rechtswidrig.

Die Beschwerde zeigt schließlich auch keinen konkreten Umstand auf, der die belangte Behörde dazu hätte veranlassen müssen, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-93723