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VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0402

VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0402

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der F in W, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/454005/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine 1950 geborene Staatsangehörige von Nigeria, reiste mit einem vom 20. Juli bis gültigen Visum legal nach Österreich ein. Sie lebt - nach der Aktenlage - mit ihrem zusammenführenden Sohn, einem österreichischen Staatsbürger, im gemeinsamen Haushalt. Ihr wurde eine ab gültige Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt und zuletzt bis verlängert. Am stellte sie einen weiteren Verlängerungsantrag.

Die in der Folge nach § 25 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) befasste Bundespolizeidirektion Wien wies die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus, weil die Erteilungsvoraussetzung für einen Aufenthaltstitel nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht erfüllt sei. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom keine Folge.

Die belangte Behörde begründete dies - auf das Wesentliche zusammengefasst - damit, dass der Sohn der Beschwerdeführerin - ohne Sonderzahlungen - ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von rund EUR 1.300,-- beziehe und für vier Kinder (geboren 1998, 2004, 2005 und 2007) unterhaltspflichtig sei. Auch wenn seine Ehefrau und die Kinder nicht mehr im Bundesgebiet lebten, gehe seine Unterhaltspflicht nämlich nicht unter. Unter Zugrundelegung des Unterhalts für vier mj. Kinder betrage das pfändungsfreie Existenzminimum nach § 291a EO etwa EUR 1.343,-- monatlich, weshalb vom Einkommen des Sohns der Beschwerdeführerin nichts zur Abdeckung ihres mit EUR 747,-- zu veranschlagenden Lebensunterhalts übrig bleibe. Die Haftungserklärung des "Zusammenführenden" sei daher nicht tragfähig. Von der Beschwerdeführerin vorgebrachte finanzielle Zusicherungen von dritter Seite seien unbeachtlich, weil auf diese keinerlei Rechtsanspruch bestehe.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach die Erlassung der Ausweisung auch unter dem Blickwinkel des Art. 8 Abs. 2 EMRK zulässig sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des NAG oder des ASVG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (November 2008) geltende Fassung der genannten Gesetze.

Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob die Beschwerdeführerin die Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG erfüllt. Das ist dann der Fall, wenn ihr Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, was anhand des § 11 Abs. 5 NAG zu beurteilen ist.

Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang bei der Begründung des angefochtenen Bescheides die von ihr anzuwendende Rechtslage mehrfach verkannt:

Zunächst hätte sie in der vorliegenden Konstellation bei der Prüfung der Tragfähigkeit der Haftungserklärung des Zusammenführenden gemäß § 11 Abs. 5 NAG nicht auf das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a EO abstellen dürfen, sondern hinsichtlich der Deckung des Bedarfs der Beschwerdeführerin den Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs. 1 ASVG heranziehen müssen (siehe etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0567, mwN).

Weiters wären bei der Berechnung des vorhandenen Einkommens iSd § 11 Abs. 5 NAG darüber hinaus aber auch die anteiligen Sonderzahlungen zu berücksichtigen gewesen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0629, mwN). Eine Bedachtnahme auf die aliquoten Sonderzahlungen wäre im gegenständlichen Fall schon angesichts der im Verfahren vorgelegten Einkommensbestätigungen erforderlich gewesen, weil sich diesen die Auszahlung einer Weihnachtsremuneration und eines Urlaubszuschusses entnehmen lässt.

Es ist auch nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung der Sonderzahlungen und bei einem Abstellen auf den Ausgleichszulagenrichtsatz zum Ergebnis gekommen wäre, dass die vorhandenen Mittel den erforderlichen Bedarf (auch) für die Beschwerdeführerin abdecken. In diesem Fall hätte die Beschwerdeführerin nicht unter Berufung auf die Nichterfüllung der Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG ausgewiesen werden dürfen.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus den angeführten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-93712