VwGH vom 21.06.2012, 2011/23/0397
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. Christian Klausegger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/454.082/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am illegal in das Bundesgebiet ein, wo er am einen Asylantrag stellte.
Am heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin; am wurde eine gemeinsame Tochter geboren.
Einen vom Beschwerdeführer im Hinblick auf diese Ehe gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" wies der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom rechtskräftig zurück.
Mit rechtskräftigem Bescheid vom wies das Bundesasylamt sodann den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig sei.
Am wurde der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, weil er am in Wien seine Ehefrau durch einen Schlag in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt und ihr dadurch einen Bruch der linken Schädelbasis und des linken Felsenbeins mit Mittel- und Innenohrbeteiligung, einen Trommelfellriss sowie eine Gehirnerschütterung zugefügt hatte.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Dazu führte sie unter Einbeziehung der Begründung des erstinstanzlichen Bescheids zusammengefasst aus, dass dem Beschwerdeführer zu keiner Zeit ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrags sei sein Aufenthalt im Inland unrechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG seien - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG - daher erfüllt.
Die belangte Behörde nahm an, dass die Ehe des Beschwerdeführers nach wie vor aufrecht sei; mit seiner österreichischen Ehefrau habe er eine gemeinsame Tochter. Davon ausgehend liege ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor. Gleichzeitig sei allerdings - so die belangte Behörde - hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer "bezeichnenderweise" von seiner "Ex-Frau" spreche, von der er seit geraumer Zeit getrennt lebe. Darüber hinaus sei nicht nur die Eheschließung, sondern auch die Familiengründung zu einem Zeitpunkt erfolgt, als sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers lediglich auf seinen Asylantrag gestützt habe, der sich letztlich als unbegründet erwiesen habe. Der Beschwerdeführer sei "obdachlos" und lebe mit seinen Angehörigen nicht im gemeinsamen Haushalt. Während seines drei Jahre und drei Monate dauernden Aufenthalts im Bundesgebiet sei er nie einer Beschäftigung nachgegangen. Hinzu komme, dass er nicht nur durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt das hoch zu veranschlagende Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gefährde, sondern - im Hinblick auf seine strafgerichtliche Verurteilung - durch sein "sonstiges Verhalten" auch die öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie am Schutz der körperlichen Integrität Dritter. Die - vom Beschwerdeführer für sein Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet ins Treffen geführte - Leistenoperation sei komplikationslos verlaufen.
Die belangte Behörde kam ausgehend von den angeführten Umständen zum Ergebnis, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht mit Erfolg auf eine relevante Integration berufen; die Ausweisung verstoße deshalb auch nicht gegen Art. 8 EMRK. Vielmehr verdeutliche seine Verurteilung, dass er keine Bedenken habe, gegen seine Ehefrau tätlich vorzugehen und sie schwer zu verletzen. Bei einer Gesamtbetrachtung falle daher sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich keinesfalls schwerer ins Gewicht als das Allgemeininteresse an der Erlassung der Ausweisung. Es würde dem öffentlichen Interesse vielmehr grob zuwiderlaufen, wenn ein Fremder bloß aufgrund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien (Nichtausreise trotz rechtskräftig negativem Abschluss des Asylverfahrens), seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könne. Eine Legalisierung des Aufenthalts vom Inland aus sei nicht möglich. Schließlich könne mangels besonderer, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sein weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der belangten Behörde eingeräumten Ermessens in Kauf genommen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (November 2008) geltende Fassung.
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig ist, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig abgeschlossen und ihm kein Aufenthaltstitel erteilt wurde. Die belangte Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.
Würde durch eine Ausweisung in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.2.) - § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) sowie auf die Intensität der familiären Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.
Die Beschwerde wendet sich ausschließlich gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung und ihre Ermessensübung. Sie bringt dazu vor, dass die belangte Behörde zwar das Verhältnis des Beschwerdeführers zu seiner geschiedenen Ehefrau berücksichtigt habe, die Beziehung zu seiner minderjährigen Tochter jedoch "vollkommen außer Acht gelassen" habe. Die belangte Behörde habe daher auf die Auswirkungen der Ausweisung auf seine familiären Bindungen nicht "im gebotenen Umfang" Bedacht genommen. Sie habe dazu keinerlei Ermittlungen angestellt und auch "keine dahingehenden Feststellungen" getroffen.
Vorweg ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass bereits in der Berufung an die belangte Behörde vorgebracht wurde, dass die Ehe des Beschwerdeführers rechtskräftig geschieden worden sei. Das steht mit der Aktenlage insofern im Einklang, als sich daraus ergibt, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit Urteil des Bezirksgerichtes Meidling vom rechtskräftig geschieden wurde. Es verletzt den Beschwerdeführer jedoch nicht in Rechten, wenn im angefochtenen Bescheid dessen ungeachtet von einer aufrechten Ehe ausgegangen wurde.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen stellte die belangte Behörde aber ausdrücklich fest, dass der Beschwerdeführer mit seiner (ehemaligen) Ehefrau eine gemeinsame (zweijährige) Tochter habe. Davon ausgehend - und unter Berücksichtigung seines drei Jahre und drei Monate dauernden Aufenthalts im Bundesgebiet - nahm die belangte Behörde auch einen mit der Ausweisung "zweifellos" verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben an.
Unbekämpft stellte die belangte Behörde jedoch weiters fest, dass der Beschwerdeführer - ebenso wie mit seiner vormaligen Ehefrau - auch mit seiner Tochter nicht zusammenlebe, sondern "obdachlos" (an anderer Stelle "ohne Unterstand") sei. Der Beschwerdeführer brachte auch nicht vor, dass ihm die Obsorge für seine Tochter zukomme, er Betreuungsaufgaben wahrnehme bzw. in ihre Erziehung eingebunden sei oder seine Tochter auf ihn angewiesen wäre. Der Beschwerdeführer erklärte im Verwaltungsverfahren lediglich, dass er seine Tochter "aufwachsen sehen" wolle. Ohne entsprechendes Vorbringen, es bestünde ungeachtet der fehlenden Haushaltsgemeinschaft eine enge persönliche Bindung zu seinem Kind, war die belangte Behörde auch nicht dazu angehalten, aus eigenem Erhebungen zu diesen Fragen vorzunehmen (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0656, mwN).
Die belangte Behörde hat den Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet zu Recht das hoch zu veranschlagende Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften entgegengehalten. Sie durfte dabei - im Hinblick auf die von ihm in brutaler Weise begangene schwere Körperverletzung an seiner damaligen Ehefrau - auch das große öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten dieser Art in Anschlag bringen.
Davon ausgehend kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, der weder auf eine Integration in den Arbeitsmarkt verweisen kann noch über eine gesicherte Unterkunft verfügt, zumindest nicht höher bewertete als das gegenläufige öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens.
Daher ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unverhältnismäßig angesehen hat. Die in der Beschwerde geltend gemachten Umstände hätten die belangte Behörde aber auch nicht dazu veranlassen müssen, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers auszuüben.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-93689