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VwGH vom 16.12.2009, 2009/15/0207

VwGH vom 16.12.2009, 2009/15/0207

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2009/15/0208 E

2009/13/0242 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0224-F/08, betreffend Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) für 2007 (mitbeteiligte Partei: H K in Bregenz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte beantragte die Gewährung von Familienhilfe (Differenzauszahlung) für die Zeit von Jänner bis Dezember 2007 für seine in Frankreich bei ihrer Mutter lebenden Kinder Nicolas (geboren 1998) und Sacha (geboren 2000).

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, dass gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind hätten, zu deren Haushalt das Kind gehöre. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage, habe nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt sei. Da Sacha und Nicolas bei ihrer Mutter in Frankreich wohnten, bestehe kein Anspruch auf Differenzzahlung.

In der von den Abgabenbehörden als Berufung gewerteten Eingabe vom brachte der Mitbeteiligte vor, seine Kinder wohnten bei ihrer Mutter in Frankreich, er trage aber beinahe zu 100 % die Unterhaltskosten der Kinder. Außer dem Mitbeteiligten selbst sei keine andere Person "anspruchsberechtigt gem. FLAG 1967, § 2 Abs. 2". Daher bestehe der Anspruch auf die Differenzzahlung.

Als Beilage wurde dem Finanzamt eine "Haushaltsrechnung" vorgelegt, in welcher die monatlichen Unterhaltskosten der Kinder mit in Summe 1.233,50 EUR ausgewiesen sind und ausgeführt wird, dass der Mitbeteiligte davon 1.225 EUR trage.

Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Ein von der Familie getrennt lebender Elternteil wie der Mitbeteiligte habe keinen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe, auch wenn er überwiegend Unterhalt leiste. Die Haushaltszugehörigkeit der Kinder zum anderen Elternteil im EU-Ausland gehe vor. Die Betreuung der Kinder durch den haushaltszugehörigen anderen Elternteil stelle nämlich eine vermögenswerte Leistung dar, durch welche der Unterhaltsbeitrag geleistet werde.

In dem als Vorlageantrag gewerteten Schriftsatz vom führte der Mitbeteiligte aus, er habe keinen Antrag auf volle Familienbeihilfe gestellt, sondern, wie bereits in den vergangenen Jahren, einen Antrag auf "Differenzzahlung" zwischen österreichischer Familienbeihilfe und der in Frankreich gewährten Beihilfe. Er trage die Unterhaltskosten der Kinder beinahe zur Gänze. Außer ihm habe keine Person Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe. Die Höhe der französischen Familienbeihilfe sei nachgewiesen, der Wohnort der Kinder in Frankreich unbestritten. Damit seien die Voraussetzungen für die "Differenzzahlung" gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den Abweisungsbescheid des Finanzamtes auf.

In der Begründung wird ausgeführt, nach § 2 Abs. 1 lit a FLAG 1967 hätten Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet für minderjährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe. Nach Abs 2 der genannten Gesetzesbestimmung habe jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe, zu deren Haushalt das Kind gehöre. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage, habe dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt sei.

§ 4 Abs. 1 FLAG 1967 bestimme, dass Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, kein Anspruch auf Familienbeihilfe zukomme, wobei jedoch eine in den nachfolgenden Absätzen definierte Ausgleichszahlung unter den dort angeführten Bedingungen zu gewähren sei.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhielten. In diesem Zusammenhang bestimme jedoch § 53 Abs. 1 FLAG 1967, dass Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den EWR, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergebe, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt seien. Hierbei sei der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des EWR dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Im gegenständlichen Fall sei nicht nur innerstaatliches Recht zu beachten. Vielmehr sei der Mitbeteiligte als in Österreich tätiger gewerblicher Vermögensberater auch von den Regelungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 erfasst. Die in Rede stehende Familienbeihilfe sei zweifelsfrei eine Familienleistung iSd Verordnung Nr. 1408/71.

Nach Art. 73 dieser Verordnung Nr. 1408/71 habe ein Arbeitnehmer oder Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates unterliege, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates wohnten, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedsstaates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Seien für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnten, Familienleistungen auf Grund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruhe nach Art 76 der Verordnung der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedsstaates gegebenenfalls gemäß Art 73 der Verordnung geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedsstaates vorgesehenen Betrag.

Nach Art 1 lit f der Verordnung Nr. 1408/71 sei, falls nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften eine Person nur dann als Haushaltsangehöriger angesehen werde, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder Selbständigen in häuslicher Gemeinschaft lebe, diese Voraussetzung als erfüllt anzunehmen, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten werde.

Die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 seien im gegenständlichen Fall anzuwenden, weil der Mitbeteiligte gewerblicher Vermögensberater sei und seine Kinder in einem anderen Staat der Gemeinschaft wohnten.

Ausgehend davon, dass kein gemeinsamer Haushalt geführt werde und demzufolge keine Haushaltszugehörigkeit gegeben sei, reiche nach Art 1 lit f der Verordnung Nr. 1408/71 die Tatsache der überwiegenden Kostentragung durch den Mitbeteiligten.

Die Tatsache der Auflösung der Ehe des Mitbeteiligten ändere nichts an der Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1408/71 (Hinweis auf das hg Erkenntnis vom , 2004/15/0049). Demnach seien unter dem Ausdruck "Familienlast" auch Familiensituationen nach einer Scheidung erfasst.

In Verkennung der Rechtslage habe die Abgabenbehörde erster Instanz den Antrag wegen des Fehlens einer Haushaltszugehörigkeit abgewiesen.

Unstrittig sei, dass für die Kinder des Mitbeteiligten nach innerstaatlichem Recht ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestünde (siehe § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967). Ferner stehe fest, dass für die Kinder in Frankreich (Wohnsitzstaat) Familienleistungen an die Mutter gewährt worden seien. Da die Mutter Familienbeihilfe in Frankreich erhalte, komme dem Mitbeteiligten - unter der Voraussetzung der überwiegenden Kostentragung, welche unbestritten sei - nur der Anspruch auf eine entsprechende "Differenzzahlung" zu.

Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde hat das Finanzamt gemäß § 292 BAO Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

In der Beschwerde wird vorgebracht, nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 habe Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließlich jene Person, zu deren Haushalt das Kind gehöre. Nur für den Fall, dass kein Anspruch aufgrund eines gemeinsames Haushaltes mehr bestehe, was dann der Fall sei, wenn das Kind von zu Hause ausgezogen sei, stehe die Familienbeihilfe demjenigen zu, der überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind trage. Habe die Kindesmutter das Kind im gemeinsamen Haushalt, schließe dies den Anspruch des Vaters auf Familienbeihilfe/Differenzzahlung aus. Darüber hinaus stelle im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 9 Ob 407/97m, die Betreuung des Kindes eine vermögenswerte Leistung dar und stehe gemäß § 140 Abs. 2 ABGB die Betreuung des Kindes der Erfüllung der Sorgepflicht durch Geldleistung gleich. Es könne daher ein Elternteil, der der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern ausschließlich durch Geldleistung nachkomme, gar nicht überwiegend zum Unterhalt der Kinder beitragen. Da unter diesem Aspekt eine überwiegende Kostentragung des Geldunterhaltspflichtigen auszuschließen sei, reiche die überwiegende Kostentragung auch nicht für die Anwendung des Art. 1 lit. f der Verordnung Nr. 1408/71 aus.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom , 2008/15/0223, das gegenständliche Verfahren im Hinblick auf ein beim EuGH anhängiges Vorabentscheidungsverfahren, welches nunmehr mit dem C- 363/08, Romana Slanina, beendet worden ist, ausgesetzt.

Nunmehr hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde erwogen:

In Art. 1 lit. f sublit i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), wird der Begriff "Familienangehöriger" definiert als:

"jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, oder in den Fällen des Artikels 22 Absatz 1 Buchstabe a) und des Artikels 31 in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen oder dem Studierenden in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird. Gestatten es die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht, die Familienangehörigen von den anderen Personen, auf die sie anwendbar sind, zu unterscheiden, so hat der Begriff Familienangehöriger die Bedeutung, die ihm in Anhang I gegeben wird."

Gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die Verordnung Nr. 1408/71 u. a. für Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.

Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:

(1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:


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a)
...
b)
eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;
..."
Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71 ("Arbeitnehmer oder Selbständige, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat wohnen") lautet:
"Ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, hat, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten."
Art 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ("Prioritätsregeln für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen gemäß den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates und den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Familienangehörigen wohnen") bestimmt:
"Sind für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruht der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegebenenfalls gemäß Artikel 73 bzw. 74 geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag."
Nach § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 bestimmt, dass die Person Anspruch auf Familienbeihilfe hat, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 2 Abs. 4 FLAG 1967 umfassen die Kosten des Unterhalts bei minderjährigen Kindern auch die Kosten der Erziehung und bei volljährigen Kindern, die für einen Beruf ausgebildet oder in ihrem Beruf fortgebildet werden, auch die Kosten der Berufsausbildung oder der Berufsfortbildung.
"Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat."

"(1) Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

(2) Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 5) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

(3) Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.

(4) Die Ausgleichszahlung ist jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres, wenn aber der Anspruch auf die gleichartige ausländische Beihilfe früher erlischt, nach Erlöschen dieses Anspruches über Antrag zu gewähren."

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

§ 53 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:

"Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten."

Gemäß § 10 Abs. 4 FLAG 1967 gebührt Familienbeihilfe für einen Monat nur einmal.

In der im Beschwerdefall gegebenen Konstellation steht nach nationalem Recht dem Beihilfenanspruch der Mutter der Kinder des Mitbeteiligten, zu deren in Frankreich gelegenen Haushalt die Kinder gehören, die Bestimmung des § 2 Abs. 8 FLAG 1967 entgegen, wonach Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet gelegen ist.

Im Beschwerdefall ist entscheidend, dass der Mitbeteiligte den Geldunterhalt für seine Kinder tatsächlich bezahlt. Solcherart liegt aber aus der Sicht des nationalen Rechts ein Anwendungsfall des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 vor. Nach dieser Bestimmung hat eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 anspruchsberechtigt ist.

Wenn das beschwerdeführende Finanzamt unter Hinweis auf § 140 Abs. 2 ABGB meint, die Betreuungsleistung der Mutter stehe der Erfüllung der Unterhaltspflicht durch Geldleistung gleich und sei ebenfalls als vermögenswerte Leistung anzusehen, weshalb der bloß den Geldunterhalt Leistende nicht iSd § 2 Abs. 2 FLAG 1967 überwiegend die Unterhaltskosten trage, ist dem Folgendes entgegen zu halten: Das Gesetz spricht im Abs. 2 (wie auch in Abs. 4) des § 2 FLAG 1967 von "Kosten", nämlich Unterhaltskosten, und bringt damit zum Ausdruck, dass es im gegebenen Zusammenhang um die finanziellen Belange des Kindes geht. Das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten in § 2 Abs. 2 FLAG 1967 stellt sohin auf die materiellen Leistungen ab, also in der Regel auf den Geldunterhalt (vgl. in diesem Zusammenhang sinngemäß auch das hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0049).

Im gegenständlichen Fall deckt der Mitbeteiligte die seinen Kindern angefallenen Kosten nach der behördlichen Sachverhaltsfeststellung beinahe zur Gänze. Dass damit das Tatbestandsmerkmal "die Unterhaltskosten des Kindes überwiegend trägt" des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 erfüllt ist, kann keinem Zweifel unterliegen.

Verbleibt zu prüfen, ob die vom nationalen Gesetzgeber vorgegebene Gestaltung durch die Verordnung Nr. 1408/71 dahingehend eine Änderung erfährt, dass der Kindesmutter bei der gegebenen Konstellation ein unbedingter Anspruch eingeräumt wird. Dies ist nicht der Fall.

Der Mitbeteiligte unterliegt nach Art. 13 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften der Republik Österreich, also jenes Mitgliedstaats, in dem er seine Erwerbstätigkeit ausübt.

Nach Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71 hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.

Die Verordnung verlangt, dass die Beihilfe jedenfalls auch dann gewährt wird, wenn die Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Die Verordnung untersagt es nicht, dass die Beihilfe dem Mitbeteiligten, also dem Geldunterhalt leistenden Vater gewährt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0049). Der Zweck dieses Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71 besteht darin, zugunsten der Familienangehörigen des den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegenden Erwerbstätigen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, sicherzustellen, dass ihnen die in den anwendbaren Rechtsvorschriften des ersten Staates vorgesehenen Familienleistungen gewährt werden, wobei aus der Sicht der Verordnung nur sicherzustellen ist, dass die Beihilfe entweder der den Unterhalt leistenden Person (hier: Mitbeteiligter) oder der haushaltsführenden Person (hier: Kindesmutter) geleistet wird (vgl. , Romana Slanina, Rz 22, 23).

Pro Monat und Kind gebührt die Familienbeihilfe nur einmal (§ 10 Abs. 4 FLAG 1967). Daran ändern die Regelungen der Verordnung Nr. 1408/71 nichts. Bei einer Konstellation, wie sie dem gegenständlichen Fall zu Grunde liegt, steht der Anspruch auf Familienbeihilfe - oder gegebenenfalls bloß Ausgleichszahlung nach § 4 Abs. 2 FLAG 1967 - (allein) dem in Österreich verbliebenen Elternteil zu, wenn er iSd § 2 Abs. 2 FLAG 1967 überwiegend den Unterhalt zahlt. Die Rz 32 des Urteils des EuGH Romana Slanina steht dem nicht entgegen, betraf diese Urteil doch den Fall der Rückforderung von Familienbeihilfe, die an die haushaltsführende Mutter für Kinder gewährt worden ist, deren unterhaltspflichtiger Vater seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen ist.

Da sohin dem Mitbeteiligten dem Grunde nach der Anspruch auf Familienbeihilfe zukommt, ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung, dass im gegenständlichen Fall im Hinblick auf die tatsächlich in Frankreich gewährte Beihilfe ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach § 4 Abs. 2 FLAG 1967 besteht, den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom aufgehoben hat.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am