VwGH vom 10.09.2015, Ra 2015/09/0043

VwGH vom 10.09.2015, Ra 2015/09/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision des Bundesdenkmalamts in 1010 Wien, Hofburg, Säulenstiege (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht), gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , W170 2009107-1/7E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Denkmalschutzgesetz (mitbeteiligte Partei: A K in R, vertreten durch Dr. Walter Stefan Funovics, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Fanny Elßler-Gasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Antrag vom begehrte der Mitbeteiligte beim Bundesdenkmalamt, der im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht belangten Behörde und nun revisionswerbenden Partei, die nachträgliche Bewilligung der Anbringung von bereits auf Dächern seines unter Denkmalschutz stehenden Objekts montierter Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen.

Mit der als Bescheid bezeichneten Erledigung der Revisionswerberin vom wurde dem Antrag des Mitbeteiligten nicht stattgegeben und die beantragte Bewilligung - mit näherer Begründung - nicht erteilt.

Die dagegen vom Mitbeteiligten erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurück und es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Seinen Beschluss begründete das Bundesverwaltungsgericht - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - damit, dass kein genehmigter Bescheid der belangten Behörde vorliege. Dem Mitbeteiligten komme deshalb keine Beschwerdelegitimation zu, weshalb seine Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen sei.

Das Verwaltungsgericht führte weiter aus, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Hinweis auf die Erkenntnisse vom , Ra 2014/08/0009, und vom , 2010/17/0176) jeder Bescheid, so auch ein automationsunterstützt erstellter, tatsächlich von der Verwaltungsbehörde veranlasst worden sein müsse. Die nach außen in Erscheinung tretende Erledigung müsse in jedem Einzelfall auf den Willen des durch das Gesetz zur Entscheidung berufenen Organs zurückführbar sein. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG habe jede Urschrift einer Erledigung einem bestimmten Menschen zurechenbar zu bleiben. Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen habe, müsse die Erledigung selbst von jenem Organwalter genehmigt worden sein, der die Behördenfunktion inne habe, oder von einer approbationsbefugten Person. Fehle es an einer solchen Genehmigung liege kein Bescheid vor. Die Darstellung der Amtssignatur ersetze nicht die Genehmigung, vielmehr sei darin lediglich die Urheberschaft der Behörde dokumentiert.

Im vorliegenden Verfahren liege im (Behörden )Akt keine genehmigte Urschrift des Bescheids ein. Daran ändere auch die auf der Urschrift angebrachte Amtssignatur nichts. Eine Genehmigung liege nur vor, wenn die Urschrift unterschrieben oder (im Anwendungsbereich des elektronischen Akts) elektronisch genehmigt worden sei. Dies sei hier nicht der Fall, weshalb kein Bescheid der belangten Behörde vorliege.

Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht mit der vorliegenden, von ihm in seinem Beschluss zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der belangten Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Zulässigkeit ihrer Revision sieht die Revisionswerberin zusammengefasst deshalb als gegeben an, weil dem vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Erkenntnis Ra 2014/08/0009 ein anderer Sachverhalt, nämlich eine "ausgelagerte" und gleichzeitige Genehmigung mehrerer Erledigungen, zu Grunde gelegen sei. Selbst von dieser Rechtsprechung weiche das Bundesverwaltungsgericht jedoch ab, weil auch danach je nach technisch-organisatorischer Umsetzung in einem elektronischen Aktenverwaltungssystem der Behörde die Identität (Anm.: des Genehmigenden) z.B. auch durch ein Berechtigungs- und Rollenkonzept und die Authentizität durch einen Änderungsschutz oder die gesicherte Nachvollziehbarkeit von an Dokumenten vorgenommenen Änderungen gewährleistet sein könne. Wenn das Bundesverwaltungsgericht sich damit beschäftigt und dazu Feststellungen getroffen hätte, wäre festzustellen gewesen, dass die Genehmigung der Urschrift des bekämpften Bescheids durch die Präsidentin der Revisionswerberin in dem dort verwendeten elektronischen Aktenverwaltungssystem "Intercom Visual Desktop.net" erteilt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Durchführung des Vorverfahrens - der Mitbeteiligte nahm von der Erstattung einer ihm freigestellten Revisionsbeantwortung Abstand -

erwogen:

Die Revision ist aus den von der Revisionswerberin aufgezeigten Gründen zulässig und auch berechtigt.

Die Revisionswerberin führt zur Begründung der Revision im Wesentlichen aus, das Bundesverwaltungsgericht habe verkannt, dass hinsichtlich des Bescheids vom , BDA- 21287/obj/2014/0002-allg, eine gültige Genehmigung im Sinn des § 18 Abs. 3 AVG vorliege. Im Bundesdenkmalamt sei seit Dezember 2013 das elektronische Aktenverarbeitungssystem "Intercom Visual Desktop.net" im Einsatz. Das zum Einstieg in die Applikation aktive Benutzerobjekt in diesem System definiere die Berechtigung für den jeweiligen Anwender anhand von vorgegebenen Rollen. Der Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung erfolgten durch die Verwendung von Benutzername und Passwort, die laut der mit Präsidialverfügung der Revisionswerberin Nr. 2/2007 vom erlassenen IT-Nutzungsordnung geheim zu halten seien. Somit sei beim Genehmigungsschritt der Genehmigende eindeutig zuordenbar (nur dieser könne die Genehmigung durchführen) und es würden der Prozessschritt der Genehmigung sowie die genehmigende Person vom Aktenverwaltungssystem im elektronischen "Leitweg" entsprechend dokumentiert. Der Genehmigungsschritt müsse vom Genehmigenden selbst aktiv mittels "Genehmigungs-Button" angestoßen werden; die Genehmigung sei damit eindeutig auf den Willen des Organwalters rückführbar. Eine "automatische Genehmigung" ohne Zutun des Genehmigenden sei nicht möglich. Durch (näher dargestellte) organisatorische Maßnahmen sei auch sichergestellt, dass die Genehmigung nur durch die namentlich genannte, dafür vorgesehene Person erfolge.

Im vorliegenden Fall sei die Urschrift des gegenständlichen Bescheids durch die Präsidentin der Revisionswerberin, Dr. B N, genehmigt worden. Der durch die Präsidentin genehmigte Bescheid sei nicht mehr abänderbar. Das im Anlassfall angewendete Verfahren der Genehmigung im vorhandenen elektronischen Aktenverwaltungssystem entspreche somit den Erfordernissen des § 18 Abs. 3 AVG. Es liege eine von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte Genehmigung eines Einzelbescheids vor, der einem bestimmten Menschen, nämlich der Präsidentin als Organwalterin, eindeutig zurechenbar sei.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Revisionswerberin eine inhaltliche Mangelhaftigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf:

Der hier maßgebliche § 18 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008, hat folgenden Wortlaut:

"Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten."

§ 2 E-Government-Gesetz - E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004 idF BGBl. I Nr. 8/2008, lautet (auszugsweise):

"§ 2. Im Sinne dieses Abschnitts bedeutet

1. 'Identität': die Bezeichnung der Nämlichkeit von Betroffenen (Z 7) durch Merkmale, die in besonderer Weise geeignet sind, ihre Unterscheidbarkeit von anderen zu ermöglichen; solche Merkmale sind insbesondere der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort, aber auch etwa die Firma oder (alpha)nummerische Bezeichnungen;

...

5. 'Authentizität': die Echtheit einer Willenserklärung oder Handlung in dem Sinn, dass der vorgebliche Urheber auch ihr tatsächlicher Urheber ist;

..."

In seinem - auch vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen -

Erkenntnis vom , Ra 2014/08/0009, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Genehmigung von Bescheiden ausgeführt:

"Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben in ihrer Rechtsprechung darauf verwiesen, dass auch der automationsunterstützte Bescheid tatsächlich von der Verwaltungsbehörde veranlasst worden sein muss. Die nach außen in Erscheinung tretende Erledigung muss in jedem Einzelfall auf den Willen des durch das Gesetz zur Entscheidung berufenen Organs zurückführbar sein (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 110-113/87 u.a., VfSlg. 11.590; das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0205, mwN). Im Anwendungsbereich des § 18 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 muss jede Urschrift einer Erledigung einem bestimmten Menschen (Organwalter) zurechenbar bleiben (vgl. Hengstschläger/Leeb , AVG I2 (2014) § 18 Rz 8, mwN).

Unstrittig ist, dass lediglich eine generelle Genehmigung des EDV-Programms MVB erfolgte, aber tatsächlich keine Genehmigung des Einzelbescheides vorliegt. Genehmigt wurden somit lediglich die EDV-mäßigen Parameter, die zu einer Sanktionierung führen sollen, nicht jedoch, dass die jeweilige Partei tatsächlich Adressat des Bescheidinhaltes werden soll. Somit führt die gewählte Vorgangsweise dazu, dass die Behörde keine Prüfung des Einzelfalls vornimmt und damit nicht in der Lage ist, überhaupt einen Willen darauf zu richten, dem jeweiligen Bescheidadressaten gegenüber individualisierte und konkrete Rechtsakte zu entfalten.

Wenn die Revision argumentiert, dass der Zweck einer Verfahrensvereinfachung in Massenverfahren verfehlt wäre, müsste die Behörde jeden einzelnen Bescheid eigenhändig unterfertigen, übersieht sie, dass eine Genehmigung von elektronisch erstellten Erledigungen statt durch die Unterschrift auch durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität und Authentizität im Sinn des § 2 Z 2 und 5 E-GovG erfolgen kann. Je nach technischorganisatorischer Umsetzung in einem elektronischen Aktenverwaltungssystem der Behörde kann die Identität z.B. auch durch ein Berechtigungs- und Rollenkonzept und die Authentizität durch einen Änderungsschutz oder die gesicherte Nachvollziehbarkeit von an Dokumenten vorgenommenen Änderungen gewährleistet sein (Erl zur RV 294 BlgNR 23. GP, 12 f)."

Wie unschwer zu erkennen, unterscheidet sich der dem zitierten Erkenntnis Ra 2014/08/0009 zu Grunde liegende Sachverhalt in wesentlichen Punkten von dem hier zu beurteilenden. Waren in jenem Verfahren ausschließlich durch ein EDV-Programm in einem Massenverfahren "automatisch" erstellte Bescheide gegenständlich, die im Einzelfall nicht mehr durch einen Organwalter genehmigt wurden, ging im gegenständlichen Verfahren auch das Bundesverwaltungsgericht wohl nicht davon aus, dass der bekämpfte Bescheid in einem Massenverfahren durch ein Computerprogramm "selbständig" erstellt worden wäre. Zweifelsfrei ist die zu beurteilende Erledigung der revisionswerbenden Partei individuell und im Einzelfall auf den Sachverhalt des Mitbeteiligten hin von einer physischen Person erstellt worden.

Andererseits ist der Sachverhalt jedoch insofern vergleichbar, als auch im vorliegenden Fall eine automationsunterstützte Erstellung der Erledigung im Raum steht. So ergibt sich bereits aus dem von der Revisionswerberin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten papierenen Behördenakt, dass dieser zuletzt als elektronischer Akt geführt wurde. Vereinzelt wurde etwa auf Ausdrucken der Vermerk "aus dem ELAK Zl. 2187/3/2014" angebracht. Des Weiteren enthält der im Papierakt erliegende Ausdruck der angefochtenen Erledigung unter dem gedruckten Namen der Präsidentin der Revisionswerberin den Hinweis "(elektronisch gefertigt)". Anschließend ist - wie auch das Bundesverwaltungsgericht festhielt - eine Amtssignatur angebracht.

Wie bereits ausgeführt, sieht § 18 Abs. 3 zweiter Halbsatz AVG an Stelle der Unterschrift die Möglichkeit eines Verfahrens zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Inhalts der Erledigung vor, wenn die Erledigung elektronisch erstellt wurde. Zu diesem Zweck kann auch eine Amtssignatur verwendet werden, was den Vorteil hat, dass elektronische Ausfertigungen diese ebenfalls enthalten und Papierausfertigungen keiner Unterschrift oder Beglaubigung mehr bedürfen (vgl. Hengstschläger/Leeb , AVG I2 (2014), Rz 8 zu § 18).

Es greift daher zu kurz, wenn das Bundesverwaltungsgericht aus dem Umstand, dass der im vorgelegten Papierakt der Behörde befindliche Ausdruck der Erledigung keine eigenhändige Unterschrift der Organwalterin aufweist, schließt, dass kein Bescheid vorliege. Im Bereich des elektronischen Aktes tritt die in diesem vorgenommene Genehmigung (jedes einzelnen Bescheids) nämlich an die Stelle der Unterschrift auf einer papierenen Urschrift. Auch auf diese Weise bleibt einerseits die Zurechenbarkeit der Erledigung zu einer bestimmten natürlichen Person gewahrt und es ist andererseits sichergestellt, dass der Inhalt des Bescheids vom Willen des Organwalters getragen ist. Einer (weiteren) physischen Unterschrift des Genehmigenden auf einem dafür herzustellenden Ausdruck bedarf es in diesem Fall nicht. Dies auch dann nicht, wenn zur Vorlage an das Verwaltungsgericht wegen der (noch) fehlenden Möglichkeit einer unmittelbaren Vorlage eines elektronischen Akts aus diesem ein Ausdruck angefertigt wird.

Sofern aber das Bundesverwaltungsgericht die Erstellung der Erledigung auf elektronischem Weg, eine elektronische Genehmigung durch die Präsidentin der Revisionswerberin oder die Authentizität der Erledigung verneinen wollte, ist dies an Hand des festgestellten Sachverhalts nicht nachvollziehbar. Dafür hätte es - sofern an einer elektronischen Genehmigung durch die Präsidentin des Bundesdenkmalamts oder der Authentizität der Erledigung (vom Verwaltungsgerichtshof nach der Aktenlage derzeit nicht zu ersehende) Zweifel bestanden hätten - näherer Feststellungen zum einen oder anderen fraglichen Umstand bedurft.

Indem das Bundesverwaltungsgericht dies verkannte, belastete es seinen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, der aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am