VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0345
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des R, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/29A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/128561/2010, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am nach Österreich ein und verfügte bis zum über Aufenthaltstitel. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde gegen ihn ein bis zum befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, weil er versucht hatte, durch unrichtige Angaben gegenüber der Behörde eine Aufenthaltsberechtigung zu erlangen. Am wurde der Beschwerdeführer in der Folge aus dem Bundesgebiet abgeschoben.
Nach illegaler Wiedereinreise wurde über den Beschwerdeführer am wegen Mittellosigkeit ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und der Beschwerdeführer am abermals abgeschoben. Nachdem der Beschwerdeführer neuerlich unrechtmäßig nach Österreich eingereist war, wurde über seinen Antrag vom das gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom aufgehoben. In der Folge wurde er mit rechtskräftigem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und am aus Österreich abgeschoben.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den - abermals illegal nach Österreich eingereisten - Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Sie führte begründend zusammengefasst aus, dass bereits der Aufenthalt des Beschwerdeführers von 1973 bis 1986 nicht unbeanstandet gewesen sei, weil er in den Jahren 1977 und 1980 wegen zum Teil schwerer Sachbeschädigung strafgerichtlich verurteilt worden sei. Diese Verurteilungen seien aber bereits längst getilgt. Zum Schluss sei sein Aufenthalt mangels Aufenthaltsberechtigung mehrere Monate lang unrechtmäßig gewesen. Nach seinen niederschriftlichen Angaben vom sei der Beschwerdeführer nach der Abschiebung am bereits am wieder über die "grüne Grenze" nach Österreich eingereist, wo er in der Folge als Hilfsarbeiter bei diversen Firmen "schwarz" gearbeitet habe.
In seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen vom habe der Beschwerdeführer angegeben, sich seit ständig in Wien aufzuhalten. Auch nachdem er am in Wien mangels Aufenthaltsberechtigung angehalten worden sei, habe er in der Niederschrift vom angegeben, mit Ausnahme einiger Tage nach seiner Abschiebung, seit ca. 30 Jahren in Österreich aufhältig gewesen zu sein. Ein im Jahr 2004 gestellter Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung sei im Jahr 2006 abgelehnt worden. Seit sei der Beschwerdeführer wieder an einer Adresse in Wien 12 behördlich gemeldet, wo er nach den Erhebungsergebnissen auch tatsächlich wohne.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen unbestritten unrechtmäßigen Aufenthalt gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen werden könne.
Die Ausweisung sei nach § 66 FPG im Falle eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben jedoch nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG seien daher der etwa 37 Jahre dauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zu berücksichtigen, der aber seit mindestens 24 Jahren unrechtmäßig sei. In Österreich bestehe kein Familienleben, es sei jedoch ein "gewisser Grad" an Integration anzunehmen. Angeblich bestehe auch keine Bindung zum Heimatstaat mehr. Berufliche Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich seien nicht feststellbar, zumal er selbst angegeben habe, in den letzten Jahren nicht mehr - legal - beschäftigt gewesen zu sein. Schließlich liege strafgerichtliche und verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit vor.
Eine Gegenüberstellung der für und gegen die Ausweisung sprechenden Umstände ergebe ein klares Übergewicht der Ersteren. So stelle der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden in Österreich über einen derart langen Zeitraum und teilweise trotz eines bestehenden Aufenthaltsverbots eine starke Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Ihr würden weder berufliche noch familiäre Bindungen im Inland gegenüberstehen. Die auf Grund des langen inländischen Aufenthalts zu erwartende Integration könne die für die Erlassung der Ausweisung sprechenden Gründe nicht aufwiegen. Nach der ständigen Judikatur der Höchstgerichte komme der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) nämlich ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei unter Berücksichtigung der genannten Umstände daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Besondere Umstände, die eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung zugelassen hätten, seien nicht erkennbar gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (April 2010) geltende Fassung.
Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Beschwerdeführer gesteht zu, dass ihm ein Aufenthaltstitel nicht erteilt wurde und er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, erweist sich daher nicht als rechtswidrig.
Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0326, mwN).
Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung und ihre Ermessensübung und wendet sich in diesem Zusammenhang zunächst dagegen, dass die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers aus den Jahren 1977 und 1980 im angefochtenen Bescheid angeführt wurden. Mit diesem Vorbringen wird eine Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides jedoch nicht aufgezeigt, hielt die belangte Behörde doch ohnedies fest, dass diese Verurteilungen bereits getilgt seien. Überdies legte sie dann ihrer Interessenabwägung im tragenden Begründungsteil eine beim Beschwerdeführer "vorliegende strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit" zu Grunde. Der in diesem Zusammenhang von der Beschwerde behaupteten Verletzung des Parteiengehörs fehlt es somit schon von vornherein an der erforderlichen Relevanz.
Im Übrigen bringt die Beschwerde vor, dass die belangte Behörde schon auf Grund der von ihr getroffenen Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer seit etwa 37 Jahren - wenn auch davon mindestens 24 Jahre unrechtmäßig - in Österreich aufgehalten habe, von der Ausweisung hätte Abstand nehmen müssen. Die gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbote seien inzwischen aufgehoben worden; in den Besitz einer Niederlassungsbewilligung sei er wegen der Aufenthaltsverbote und "der sich ständig ändernden Niederlassungsgesetze" jedoch nicht gekommen. Er sei ledig und habe - wegen seines langen Aufenthalts in Österreich - im Heimatland keine Verwandten mehr. Er spreche gut Deutsch und sei der Republik Österreich bislang nicht zur Last gefallen.
Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf, berücksichtigte die belangte Behörde doch den - mit Unterbrechungen - insgesamt sehr langen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bei ihrer Interessenabwägung ausreichend. Sie ging dabei aber entgegen dem Beschwerdevorbringen keineswegs von einem durchgehenden Aufenthalt von etwa 37 Jahre aus, sondern sie stellte vielmehr fest, dass der Beschwerdeführer mehrmals aus Österreich abgeschoben wurde und jeweils illegal (teilweise trotz bestehender Aufenthaltsverbote) wieder in das Bundesgebiet zurückkehrte. Nach seiner letzten Abschiebung am meldete sich der Beschwerdeführer - trotz der von ihm behaupteten Einreise bereits wenige Tage nach seiner Abschiebung - unstrittig erst am wieder in Wien 12 behördlich an, wo er auch wohnte. Angesichts dieses Umstands ist es - entgegen der Beschwerdeansicht - auch nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde den Beschwerdeführer (erst) am darüber in Kenntnis setzte, dass abermals seine Ausweisung beabsichtigt sei.
Die belangte Behörde hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0319, mwN). Gegen dieses öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer, gegen den zwischen Oktober 1982 und April 2003 durchgehend Aufenthaltsverbote bestanden haben, durch seine wiederholten illegalen Einreisen, nachdem er mehrfach aus dem Bundesgebiet abgeschoben worden war, massiv verstoßen. Da der Beschwerdeführer zwar zu Beginn seines ersten Aufenthalts legal arbeitete, nun aber - nach den Ausführungen in seiner Berufung - seit Jahren keiner Beschäftigung mehr nachgegangen ist, nahm die belangte Behörde überdies zu Recht fehlende berufliche Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich an. Angesichts seines Vorbringens, dass er im Inland mangels ausreichender (legaler) Beschäftigungszeiten keinen Pensionsanspruch habe, kann überdies sein Unterhalt keineswegs als gesichert angesehen werden.
Auch das völlige Fehlen von Bindungen zu seinem Heimatstaat nach dem Tod seiner Eltern vermag der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar darzustellen, bringt er doch selbst vor, dass sein Bruder ihm mit dem Autobus Geld nach Österreich schicke. Konkrete private Bindungen in Österreich werden mit dem vage bleibenden Vorbringen, dass der Beschwerdeführer in Österreich "viele Freunde" habe, nicht aufgezeigt.
Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers trotz seines insgesamt langen Aufenthalts im Bundesgebiet zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als im Sinn des § 66 FPG dringend geboten und nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen und auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht von der Erlassung der Ausweisung abgesehen hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
HAAAE-93631