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VwGH vom 20.12.2012, 2011/23/0341

VwGH vom 20.12.2012, 2011/23/0341

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2011/23/0343

2011/23/0342

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde 1. der Z,

2. des X und 3. des A, alle in Wien und vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/256.632/2009 (ad 1., hg. Zl. 2011/23/0341), Zl. E1/256.653/2009 (ad 2., hg. Zl. 2011/23/0343), und Zl. E1/256.647/2009 (ad 3., hg. Zl. 2011/23/0342), betreffend Ausweisung,

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde des Drittbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

Der Drittbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde von Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführer wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien sind ukrainische Staatsbürger; der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer sind die Söhne der Erstbeschwerdeführerin.

Die Erstbeschwerdeführerin reiste am mit einem Visum legal nach Österreich ein, wo sie am einen Asylantrag stellte. Der Drittbeschwerdeführer gelangte nach eigenen Angaben am mit Hilfe eines Schleppers in das Bundesgebiet, wo auch er am Asyl beantragte. Der 1994 geborene, minderjährige Zweitbeschwerdeführer stellte nach seiner Einreise im Jahr 2003 am einen auf seine Mutter bezogenen Asylerstreckungsantrag. Diese Anträge der beschwerdeführenden Parteien wurden im Instanzenzug vom Asylgerichtshof jeweils mit Erkenntnis vom rechtskräftig abgewiesen.

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom wies die belangte Behörde die beschwerdeführenden Parteien gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Sie begründete diese Ausweisungen, nach einem Verweis auf die Ausführungen in den erstinstanzlichen Bescheiden, die im Ergebnis auch für die angefochtenen Bescheide maßgebend seien, zusammengefasst - soweit hier noch von Relevanz - im Wesentlichen gleichlautend damit, dass die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung nach § 53 FPG gegeben seien, weil die beschwerdeführenden Parteien über keine Aufenthaltstitel verfügten.

Nach ihrem Vorbringen seien die beschwerdeführenden Parteien sowohl in familiärer wie auch in sozialer Hinsicht in Österreich "massiv" integriert. Sie seien ordnungsgemäß versichert und würden über eine ortsübliche Unterkunft verfügen. Die finanziellen Mittel für ihren Aufenthalt könnten sie im Hinblick auf vorliegende Einstellungszusagen zukünftig aus einer legalen Beschäftigung bestreiten. Sie würden über gute Deutschkenntnisse verfügen und hätten bereits Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gestellt.

Der Drittbeschwerdeführer habe am mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,29 mg/l einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem eine Person verletzt worden sei.

Die belangte Behörde ging im Rahmen ihrer Interessenabwägung nach § 66 FPG auch angesichts der Dauer des Aufenthalts der beschwerdeführenden Parteien im Inland von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben aus. Dieser Eingriff erweise sich zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, jedoch als dringend geboten. So komme gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung zum Schutz und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Dagegen verstoße der nicht bloß kurzfristig unrechtmäßige Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet im Anschluss an das Asylverfahren. Die beschwerdeführenden Parteien hätten sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Auch die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration während des Asylverfahrens sei in ihrem Gewicht dadurch erheblich gemindert, dass der Aufenthalt auf Grund von (in der Folge abgewiesenen) Asylanträgen nur vorläufig berechtigt gewesen sei. Die privaten und familiären Interessen der beschwerdeführenden Parteien seien somit nicht höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an ihrer Ausreise aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung sei daher dringend geboten und im Sinn des § 66 FPG zulässig.

Mangels besonderer, zugunsten der beschwerdeführenden Parteien sprechender Umstände sah die belangte Behörde auch im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens nicht von der Erlassung der Ausweisung ab.

Über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde erwogen:

Zu I.:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei ihrer Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Juli 2009 geltende Fassung.

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Der Drittbeschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein Asylverfahren rechtskräftig negativ beendet ist. Er meint in diesem Zusammenhang jedoch, dass die belangte Behörde mit der Erlassung einer Ausweisung zuzuwarten gehabt hätte, bis das Verfahren über seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 44 Abs. 4 NAG abgeschlossen sei.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu, weil für die Frage der (Un )Zulässigkeit einer Ausweisung unter dem Blickwinkel des § 66 FPG und für die Frage des Vorliegens eines (wegen des erreichten hohen Integrationsgrades) besonders berücksichtigungswürdigen "Altfalls" im Sinne des § 44 Abs. 4 NAG jeweils ein unterschiedlicher Beurteilungsmaßstab gilt. Aus diesem unterschiedlichen Beurteilungsmaßstab ergibt sich die Zulässigkeit der Erlassung einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG trotz anhängigen Verfahrens auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG (siehe dazu grundlegend Punkt 4.3.3. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom , Zl. 2009/21/0293).

In dieser Konstellation besteht auch unter dem Gesichtspunkt des Ermessens keine Pflicht, mit der Ausweisung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG zuzuwarten (siehe Punkt 4.3.4. des Erkenntnisses vom ; vgl. zum Ganzen auch das Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0214, mwN).

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0290, mwN).

Die Beschwerde wendet sich im Weiteren gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung und bringt dazu zusammengefasst vor, dass die belangte Behörde nicht auf die in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien eingegangen sei. Sie habe die "außerordentlich lange" Aufenthaltsdauer völlig außer Acht gelassen. Diese sei jedoch von den Asylbehörden zu verantworten, sodass der unsichere Aufenthalt nicht zum Vorwurf gemacht werden könne.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass in der Beschwerde keine konkreten integrationsbegründenden Umstände aufgezeigt werden, die den Drittbeschwerdeführer betreffen und die belangte Behörde zu einem für ihn günstigeren Ergebnis hätten kommen lassen müssen. Die belangte Behörde hat aber erkennbar ohnedies das - wenig konkrete - Vorbringen zu einer Integration der beschwerdeführenden Parteien und die Aufenthaltsdauer des Drittbeschwerdeführers (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) von knapp sechs Jahren und zehn Monaten im Rahmen der von ihr vorgenommenen Interessenabwägung nach § 66 FPG ausreichend berücksichtigt. Sie ist deshalb auch von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das "Privat- und Familienleben" der beschwerdeführenden Parteien ausgegangen. Entgegen der Beschwerdeansicht hätte die belangte Behörde aus den genannten Umständen aber nicht ableiten müssen, dass die Ausweisung des Drittbeschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig und daher unzulässig sei. So waren die familiären Bindungen des Drittbeschwerdeführers zu den beiden anderen beschwerdeführenden Parteien bereits im Hinblick auf seine schon bei seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet vorliegende Volljährigkeit zu relativieren. Im Übrigen wohnte der Drittbeschwerdeführer - nach den Angaben in den an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Verfahrenshilfeanträgen - mit den beiden anderen beschwerdeführenden Parteien nicht in einem gemeinsamen Haushalt.

Auch wenn dem Asylverfahren nur ein Antrag zu Grunde lag und die Verfahrensdauer insoweit nicht vom Drittbeschwerdeführer zu vertreten ist, muss ein Fremder nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (spätestens) nach der erstinstanzlichen Abweisung eines Asylantrags - auch wenn er subjektiv berechtigte Hoffnung auf ein positives Verfahrensende haben sollte - im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung des Antrags von einem nicht gesicherten Aufenthalt ausgehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0201, mwN, siehe dazu auch - unter Einbeziehung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes - das Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0233). Der Asylantrag des Drittbeschwerdeführers wurde nach den - von der belangten Behörde übernommenen - erstinstanzlichen Feststellungen jedoch bereits im Jänner 2003 vom Bundesasylamt abgewiesen. Der Drittbeschwerdeführer befand sich bei Erlassung des angefochtenen Bescheides - wie ausgeführt - aber auch insgesamt erst etwa sechs Jahre und zehn Monate in Österreich. Entgegen der Beschwerdemeinung kann daher von einer "außerordentlich langen" Dauer des Aufenthaltes noch keine Rede sein. Schon aus diesem Grund ist aus den in der Beschwerde zitierten Erkenntnissen für seinen Standpunkt nichts abzuleiten, betrug doch in jenen Fällen die Aufenthaltsdauer bereits jeweils (mehr als) zehn Jahre.

Der Drittbeschwerdeführer ist zudem im Inland bisher beruflich nicht integriert. Daran vermag auch das Vorliegen einer - von ihm nicht näher konkretisierten oder bescheinigten - Einstellungszusage nichts zu ändern. Das Bestehen einer Krankenversicherung für den Drittbeschwerdeführer fällt deshalb nicht ins Gewicht.

Den - wie dargestellt: nicht besonders gewichtigen - persönlichen Interessen setzte die belangte Behörde zu Recht das große öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen entgegen, dem nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt und gegen das der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers seit rechtskräftiger Abweisung der Asylanträge im Jänner 2009 verstößt. Es kann der belangten Behörde daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zum Ergebnis gelangte, die persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet würden die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen und zwar unabhängig von der Frage, ob auch die anderen Familienmitglieder ausgewiesen werden durften. Die von der Beschwerde hervorgehobenen guten Deutschkenntnisse und die Unbescholtenheit vermögen an dieser Einschätzung nichts zu ändern.

Wenn die Beschwerde schließlich unkonkret eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch die belangte Behörde rügt, zeigt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf. Darüber hinaus hatte der Drittbeschwerdeführer - entgegen dem Beschwerdevorbringen - ausreichend Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen. Schließlich kann auch keine Rede davon sein, dass der angefochtene Bescheid, wie die Beschwerde meint, nicht ausreichend begründet sei.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die belangte Behörde mängelfrei zum Ergebnis kam, die Ausweisung des Drittbeschwerdeführers sei unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG nicht unverhältnismäßig. In der Beschwerde werden auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war daher, soweit sie vom Drittbeschwerdeführer erhoben wurde, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Zu II.:

Am ist das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 - FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38, in Kraft getreten. Nach der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 14 FPG gelten vor Inkrafttreten des FrÄG 2011 erlassene Ausweisungen als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG (in der Fassung des FrÄG 2011) mit der Maßgabe weiter, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 FPG (in dieser Fassung) damit nicht verbunden ist.

Nach Einleitung des Vorverfahrens teilte der Magistrat der Stadt Wien dem Verwaltungsgerichtshof mit, dass der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer jeweils ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG mit einer Gültigkeit ab bzw. erteilt worden sei. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer bestätigten - nach Einräumung der Möglichkeit, sich zur Frage des Fortbestehens eines rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung zu äußern - die Erteilung der Aufenthaltstitel und erklärten, dass sie damit klaglos gestellt seien.

Angesichts dessen war die vorliegende Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Gemäß § 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof nach freier Überzeugung entschieden, dass in den vorliegenden Fällen kein Aufwandersatz zuzusprechen ist.

Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-93625