VwGH vom 23.02.2017, Ro 2015/15/0036
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der v GmbH (als Rechtsnachfolgerin der v S GmbH) in L, vertreten durch die ICON Wirtschaftstreuhand GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4020 Linz, Stahlstraße 14, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100291/2013, betreffend Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2004, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 In der Beilage zur Körperschaftsteuererklärung für 2004 beantragte die Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin eine Investitionszuwachsprämie in der Höhe von 177.659,14 EUR.
2 Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass ein Großteil der prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter dem Betrieb nicht über einen längeren Zeitraum gedient habe. Bei der vorgenommenen Betriebsschließung handle es sich um eine willentlich vom Steuerpflichtigen herbeigeführte Aktion, die nichts mit äußeren, nicht beeinflussbaren Umständen zu tun habe, weil die Entscheidung zur Stilllegung allein in den Führungs- bzw. Aufsichtsgremien des Konzerns erfolgt sei. Die Schließung der Schmiede sei - wie den Ausführungen im Mitarbeitermagazin zu entnehmen sei - nicht erfolgt, weil die Schmiedeprodukte nachträglich zu unrentabel geworden seien. Vielmehr habe es sich um eine Konzernentscheidung gehandelt, die darin bestanden habe, den Fokus auf den "Kernbereich" des Konzerns zu legen. Es liege keine so genannte nachträgliche Unwägbarkeit vor.
3 Mit Bescheid über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie 2004 vom setzte das Finanzamt die Prämie für das Jahr 2004 mit Null fest.
4 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Berufung (nunmehr Beschwerde) mit der Begründung, dass dem Gesetz weder eine Mindestnutzungsdauer noch eine klar definierte Behaltefrist für die begünstigten Wirtschaftsgüter zu entnehmen sei. Demzufolge habe der unabhängige Finanzsenat wiederholt diesbezüglichen Berufungen stattgegeben. Auch die Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes bezögen sich vor allem auf die Verhinderung von Missbräuchen. Ein derartiger Fall liege gegenständlich nicht vor. Die Wirtschaftsgüter seien ursprünglich für den langfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt gewesen. Erst durch die im Februar 2005 verkündete Entscheidung "des Gesellschafters der Schmiede", sich auf das "Kerngeschäft zu konzentrieren und sich deshalb von den Schmiedeaktivitäten zurückzuziehen", sei eine Betriebsaufgabe absehbar gewesen. Die Wirtschaftsgüter seien auch nach dem Schließungsbeschluss noch über ein Jahr, nicht aber länger als die Hälfte ihrer Nutzungsdauer betrieblich genutzt worden. Erst die Entscheidung des Gesellschafters, die Schmiedeaktivitäten einzustellen, habe zum verfrühten Ausscheiden der Wirtschaftsgüter aus dem Betrieb geführt. Diese Entscheidung sei nicht im "Einflussbereich der Schmiede als Steuerpflichtigen" (gemeint der GmbH) gelegen, welche sich dieser Maßnahme nicht habe entziehen können.
5 In seiner Stellungnahme zur Berufung verwies der Prüfer u. a. auf neue Rechtsprechung, die eine weitere Präzisierung der Frage, wie lange prämienbegünstigt angeschaffte Wirtschaftsgüter dem Anlagevermögen angehören müssen, gebracht habe. Auch eine Neuberechnung auf Basis des "Halb- bzw. Ganzjahressystems" (Hinweis auf ) würde laut angeschlossener Darstellung keine positive Bemessungsgrundlage für die Investitionszuwachsprämie ergeben. Wie im Mitarbeitermagazin der Revisionswerberin betont worden sei, habe man mit der Schmiede in den letzten Jahren gute Geschäfte gemacht. Die Schließung der Schmiede sei daher nicht aus Gründen mangelnder Rentabilität erfolgt, sondern weil das Führungsgremium des Konzerns entschieden habe, den "strategisch äußerst wertvollen Platz" anderweitig zu nutzen.
6 In ihrer Replik relativierte die Revisionswerberin die Aussagen des Unternehmens im Mitarbeitermagazin. Auch wenn dort von "vollen Auftragsbüchern" und einem "schönen Ertrag" die Rede gewesen sei, sei doch davon auszugehen, dass der Konzern die Schließung ausschließlich auf Basis der geänderten betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen (sinkende Marktpreise iZm Standortverlagerungen in Billiglohnländer, Überkapazitäten, harter Preiskampf, zu geringe Marge) vorgenommen habe.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Der Auffassung, eine Betriebsaufgabe stelle eine Unwägbarkeit dar, stehe in aller Regel deren Planung, Berechnung und willentliche Herbeiführung entgegen. Die Entscheidung des Alleingesellschafters zur Stilllegung des Betriebes stelle keine "Unwägbarkeit" dar. Aus dem Mitarbeitermagazin gehe klar hervor, dass nicht Absatzprobleme oder Ähnliches die Schließung der Schmiede bewirkt hätten. Erstmals in der Stellungnahme der Revisionswerberin vom werde vorgebracht, dass in einem börsennotierten Konzern die Aktivitäten permanent anzupassen seien und behauptet, dass der Markt die Schließung vorgegeben habe. Diese Darstellung sei jedoch in keiner Weise mittels geeigneter Daten belegt worden. Der Konzern habe - wie näher dargestellt - in der Vergangenheit immer wieder Umstrukturierungen vorgenommen. Im Jahr 2002 habe der Konzern ein Investitionsprogramm gestartet, dessen für 2010 geplanter Abschluss schon 2007 erreicht worden sei. Die Entscheidung, die Schmiede zu schließen, sei willentlich und nicht von äußeren Einflüssen herbeigeführt worden. Gerade in derart großen Unternehmenseinheiten werde es oftmals in Kauf genommen, auch wirtschaftlich profitable Bereiche der Gesamtkonzernstrategie zu "opfern". Dabei handle es sich um eine Entscheidung des Eigentümers und um keine grundsätzlich nicht beeinflussbare von außen kommende Vorgabe. Das sukzessive Herunterfahren der Schmiede deute darauf hin, dass es entsprechend den Planungen im Betrieb gewollt gewesen sei, die vorhandene Nachfrage zu befriedigen. Der Schließungszeitpunkt sei jedenfalls in der Entscheidungsgewalt des Eigentümers gestanden. Entscheidungen des Alleingesellschafters seien kein "äußerer Faktor", sondern unmittelbar der Revisionswerberin zuzurechnen. Nicht ein grundlegend geändertes Marktumfeld habe zur Schließung der Schmiede geführt, sondern Überlegungen zur Konzernstruktur. Für die Schließung sei keinesfalls ein unvorhergesehenes Ereignis verantwortlich. Das Vorliegen einer Unwägbarkeit sei demnach nicht zu konstatieren.
8 Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei, weil die vorhandene Rechtsprechung Fälle von Betriebsaufgaben auf Grund von nicht im eigenen Bereich gelegenen wirtschaftlichen Gründen beträfe, welche gegenständlich gerade nicht vorlägen.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision mit dem Vorbringen, die Wirtschaftsgüter seien auf Grund nachträglich eingetretener Unwägbarkeiten aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden. Zum Zeitpunkt der getätigten Investitionen seien keine Planungen und Berechnungen für eine Betriebsstilllegung vorgelegen. Die erfolgte Stilllegung habe - wie der Verwaltungsgerichtshof jüngst mit Erkenntnis vom , 2012/15/0179, als prämienunschädliche Unwägbarkeit bestätigt habe -
auf Umständen beruht, die der Markt vorgegeben habe (sinkende Marktpreise iZm Standortverlagerungen in Billiglohnländer, Überkapazitäten, harter Preiskampf, zu geringe Margen etc.).
10 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 § 108e Abs. 1 EStG 1988 normiert als Voraussetzung für die Investitionszuwachsprämie u.a., dass die Anschaffungsbzw. Herstellungskosten der prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter im Wege der AfA abgesetzt werden. Daraus ergibt sich, dass Wirtschaftsgüter nur dann Anspruch auf Investitionszuwachsprämie im Sinne des § 108e EStG 1988 vermitteln können, wenn sie dazu gewidmet sind, langfristig dem Betrieb als Anlagevermögen zu dienen. Aus dem Zweck der Regelung des § 108e EStG 1988 ergibt sich ebenfalls, dass Wirtschaftsgüter, die in die Berechnungsgrundlage der Investitionszuwachsprämie eingehen, zum längerfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt sein müssen (vgl. , und vom , 2010/15/0194, je mwN).
13 Als Indiz für die maßgebliche Widmung des Wirtschaftsgutes dient dabei die tatsächliche Abschreibung im Wege der AfA im Ausmaß von 50% der Anschaffungs- und Herstellungskosten. Ein im konkreten Betrieb bestehender, aus den betrieblichen Erfordernissen abgeleiteter üblicher (Re-)Investitionszyklus für bestimmte Arten von Wirtschaftsgütern ist dahin zu berücksichtigen, dass es noch nicht als Indiz gegen die Widmung des Wirtschaftsgutes zum längerfristigen Einsatz im Betrieb zu werten ist, wenn bei Vorliegen eines solchen Zyklus das vorgenannte Ausmaß der tatsächlichen Abschreibung im Wege der AfA in geringem Ausmaß unterschritten wird (vgl. ).
14 Ebenfalls nicht als Indiz gegen die Widmung eines Wirtschaftsgutes zum längerfristigen Einsatz im Betrieb kann es gewertet werden, wenn ein Wirtschaftsgut aufgrund von nachträglich eintretenden Unwägbarkeiten aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, bevor 50% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Wege der AfA abgeschrieben sind (vgl. neuerlich ). Für diese auch den subjektiven Investitionswillen berücksichtigende Unwägbarkeit kommt es nicht auf eine Unvorhersehbarkeit an sich, sondern darauf an, ob die Unbrauchbarkeit mangels dafür bestehender konkreter Anhaltspunkte für den Steuerpflichtigen "unvorhergesehen" eingetreten ist (vgl. , sowie vom , 2012/13/0116).
15 Im Erkenntnis vom , 2012/15/0179, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Sinne ausgesprochen, dass eine unvorhergesehene Produktionsstilllegung aufgrund eines veränderten Marktumfeldes keine Grundlage für eine von der Erklärung abweichende Festsetzung der Investitionszuwachsprämie sein könne. Als begünstigungsschädlich beurteilt wurde mit Erkenntnis vom , 2012/15/0208, hingegen der vorzeitige Verkauf eines Investitionsgutes, welcher darin begründet war, dass sich Umsatzerwartungen nicht erfüllt hatten. Ein derartiger Umstand ist dem gewöhnlichen Unternehmerrisiko zuzurechnen. Unsicherheiten betreffend Konkurrenzsituation und Preisbildung, insbesondere beim Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes, stellen keine Unwägbarkeiten dar, welche einen begünstigungsunschädlichen frühzeitigen Verkauf von prämienbegünstigt erworbenen Wirtschaftsgütern rechtfertigen, zumal sie von der jeweiligen Unternehmerinitiative und dem Durchsetzungsvermögen am Markt abhängen.
16 Im Revisionsfall hat das Bundesfinanzgericht die Feststellung getroffen, dass die vorliegende Umstrukturierung, die zur Schließung des Schmiedebetriebes geführt hat, im Wesentlichen auf die unternehmerische Entscheidung des Alleingesellschafters zurückzuführen war, sich auf die als Kernbereich definierten Geschäftsfelder zu konzentrieren. Dass Schmiedeprodukte am Markt nicht mehr nachgefragt würden, behauptet die Revisionswerberin nicht. Den Hinweis auf "sinkende Marktpreise iZm Standortverlagerungen in Billiglohnländer, Überkapazitäten, harter Preiskampf, zu geringe Margen" hat das Bundesfinanzgericht als eine ohne jegliche Darstellung an Hand von Unternehmensdaten gebliebene bloße Behauptung beurteilt. Die Revisionswerberin zeigt nicht auf, dass sich das Bundesfinanzgericht über eine vorhandene inhaltliche Substanz ihres Vorbringens hinweggesetzt hätte. Das unternehmerische Bestreben, sich auf Geschäftsfelder zu konzentrieren, die höhere Margen versprechen, und Geschäftsbereiche aufzugeben, die geringere Margen aufweisen, begründet keine Unwägbarkeit, die einen begünstigungsunschädlichen frühzeitigen Verkauf von prämienbegünstigt erworbenen Wirtschaftsgütern rechtfertigt.
17 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am