VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0340
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der P gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 666/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, reiste am illegal in das Bundesgebiet ein, wo sie einen Asylantrag stellte. Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom ab. Die dagegen erhobene Berufung zog die Beschwerdeführerin am wieder zurück.
Bereits am hatte die Beschwerdeführerin den österreichischen Staatsbürger J. geheiratet und - unter Berufung auf diese Ehe - am die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom rechtskräftig abgewiesen.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wegen des Eingehens einer sogenannten Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte sie zusammengefasst aus, dass bei einer Hauserhebung am an der Adresse W-Gasse in der Ehewohnung (nur) der Ehemann der Beschwerdeführerin angetroffen worden sei. Nach einer kurzen Befragung habe er "zögerlich" zugegeben, dass die Beschwerdeführerin nicht in der "ehelichen Wohnung" wohne. Sie habe nach der Hochzeit lediglich in unregelmäßigen Abständen in seiner Wohnung übernachtet. Er habe dann im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen. Der Eheschließung habe er zugestimmt, damit die Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel bzw. Befreiungsschein bekomme. Geld habe er nicht erhalten, vielmehr habe die Beschwerdeführerin bei ihm etwa EUR 1.000,-- Schulden.
Beweiswürdigend erklärte die belangte Behörde, keinen Grund zu sehen, an der Richtigkeit der Zeugenaussage von J. zu zweifeln. Er habe nachvollziehbar begründet, dass er sich auf die Aufenthaltsehe eingelassen habe, damit die Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel bzw. Befreiungsschein erlangen könne. Die von ihm dargelegte Version der Einwilligung in die Ehe aus sozialen Gründen werde auch dadurch untermauert, dass er der Beschwerdeführerin Geld (einmal sogar EUR 200,--) gegeben habe und sie bei ihm EUR 1.000,-- Schulden habe. Es sei kein Grund ersichtlich, warum J. das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bloß hätte "vortäuschen" sollen. Im Gegensatz dazu habe die Beschwerdeführerin größtes Interesse an der Aufrechterhaltung der Ehe, hänge davon doch ihr weiterer Verbleib im Bundesgebiet und ihr freier Zugang zum Arbeitsmarkt ab.
Die Beschwerdeführerin habe das Vorliegen einer Scheinehe zwar bestritten, im Verfahren aber bloß vorgebracht, nach wie vor (seit der Eheschließung) in der W-Gasse einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann zu führen. In der Berufung habe sie dies insofern präzisiert, als sie nunmehr behauptet habe, mit J. nicht sofort einen Hausstand in der W-Gasse gegründet und mit ihm in einer Ehegemeinschaft gelebt zu haben. Diese Behauptungen würden jedoch im krassen Widerspruch zu den schlüssigen und glaubwürdigen Aussagen des Zeugen J. stehen. Sie seien daher als bloße Schutzbehauptungen zu werten. Die Beschwerdeführerin habe - neben ihrer eigenen Einvernahme - als einziges Beweismittel lediglich die neuerliche Einvernahme ihres Ehemannes angeboten, jedoch nicht dargelegt, inwiefern dieser nun anders hätte aussagen sollen, weshalb sich seine nochmalige Einvernahme erübrige.
Die belangte Behörde sah somit als erwiesen an, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit ihrem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben.
Der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle - so führte die belangte Behörde weiter aus - eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG rechtfertige. Diese Gefährdung der öffentlichen Ordnung sei nämlich überdies ein Rechtsmissbrauch, der ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.
Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte die belangte Behörde den mehr als siebenjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich und dass sie teilweise einer Beschäftigung nachgegangen sei, wobei sie jedoch seit Arbeitslosengeld beziehe. Davon ausgehend sei mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin verbunden, der jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, und damit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten sei. Die Beschwerdeführerin habe nur auf Grund der durch ihre Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz regelmäßig einer (teilweise geringfügigen) Beschäftigung nachgehen können. Ihre - durch ihren Aufenthalt erzielte - Integration werde daher wesentlich geschmälert. Dies umso mehr, als nach der Zurückziehung ihres Asylantrages "auch die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts" auf diesem rechtsmissbräuchlichen Verhalten basiere. Die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet würden daher keinesfalls schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbots. Mangels besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände könne auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand genommen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Juni 2009) geltende Fassung.
Gegen die Beschwerdeführerin als Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 86 Abs. 1 FPG (iVm § 87 FPG) nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn ein Fremder iSd § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0283, mwN).
Die Beschwerdeführerin wendet sich nicht gegen die in diesem Sinn vorgenommene rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, sondern zunächst gegen ihre Beweiswürdigung. Sie erblickt einen Verfahrensmangel darin, dass die belangte Behörde von Schutzbehauptungen der Beschwerdeführerin ausgehe, aber nicht begründe, weshalb sie "dem Beweisanbot" offenbar auf neuerliche Einvernahme des Ehemannes nicht nähergetreten sei. Es wäre festzustellen gewesen und es sei aktenkundig, dass die Ehe nach wie vor aufrecht sei und ein gemeinsamer Haushalt bestehe.
Damit zeigt die Beschwerdeführerin keine Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides und des ihm zugrundeliegenden Verfahrens auf. Die Beschwerdeführerin stellte in ihrer Berufung nämlich keine konkreten Gründe dar, weshalb ihr Ehemann bei seiner ersten Einvernahme unrichtige Angaben gemacht haben sollte und bei einer neuerlichen Aussage von seiner zunächst getätigten Darstellung der Beweggründe für die Eheschließung zu ihren Gunsten abgehen würde. Die belangte Behörde war daher nicht gehalten, J. neuerlich zum selben Beweisthema einzuvernehmen. Die in der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde in den Raum gestellte, nicht weiter ausgeführte Behauptung, dass J. bei seiner Aussage "aus niederen Motiven, nämlich Eifersucht" gehandelt habe, zeigt eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung nicht auf und stellt überdies eine unzulässige Neuerung dar. Der Beschwerdeführerin wurde aber auch ausreichend Gelegenheit eingeräumt, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen. Allein aus dem Umstand, dass die Ehe bisher nicht geschieden wurde, lässt sich jedoch nicht ableiten, dass keine Aufenthaltsehe vorgelegen hätte.
Im Übrigen bekämpft die Beschwerde die Gefährdungsannahme, die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung und ihre Ermessensübung, wozu sie vorbringt, dass "die Verwirklichung des von der Behörde (unrichtig) angenommenen Sachverhalts bereits mehr als vier Jahre zurückliegt". Die belangte Behörde habe das "nachmalige Wohlverhalten" - insbesondere bei ihrer Ermessensentscheidung - jedoch nicht berücksichtigt.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann von einem Wohlverhalten der Beschwerdeführerin jedoch nicht ausgegangen werden, verblieb sie doch nach der rechtskräftigen Abweisung ihres Antrags auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels weiter unrechtmäßig in Österreich. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sie neuerlich ein fremdenrechtlich relevantes Fehlverhalten iSd § 86 Abs. 1 FPG setzt.
Die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung ist ebenfalls nicht zu beanstanden, nahm sie in deren Rahmen doch ohnedies auf die Dauer des inländischen Aufenthalts der Beschwerdeführerin und ihre teilweise Integration in den heimischen Arbeitsmarkt ausreichend Rücksicht. Die belangte Behörde durfte aber zutreffend auch davon ausgehen, dass die von der Beschwerdeführerin erlangten Aspekte ihrer Integration dadurch relativiert werden, dass sie im Wesentlichen auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen sind. Es kann der belangten Behörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie zum Ergebnis gelangte, dass die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbots nicht überwiegen würden.
In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-93620