VwGH vom 30.01.2018, Ra 2015/08/0215

VwGH vom 30.01.2018, Ra 2015/08/0215

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Arbeitsmarktservice Eisenstadt (als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W218 2014252-1/9E, betreffend Einstellung, Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld (mitbeteiligte Partei: Mag.a S in P, vertreten durch Mag. Michael Kadlicz, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Domplatz 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis im Umfang des Spruchpunkts A) II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1.1. Die Mitbeteiligte beantragte bei der Revisionswerberin am (mit Wirkung vom ) - im Hinblick auf die Beendigung ihres der Vollversicherung unterliegenden Beschäftigungsverhältnisses mit dem Österreichischen Gehörlosenbund (im Folgenden: ÖGLB) mit Ablauf des - die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Im Antragsformular beantwortete sie die Fragen "Ich stehe derzeit in Beschäftigung" und "Ich habe ein eigenes Einkommen" jeweils mit "nein"; die Frage "Ich befinde mich in Ausbildung" bejahte sie mit dem Hinweis "Studium Universität Wien". In der Niederschrift vom gab sie den Zeitaufwand für das Studium als außerordentliche Hörerin mit zwei Stunden täglich (Montag bis Freitag) ab 14.00 Uhr an. Im Hinblick auf diese Angaben sah die Revisionswerberin die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und gewährte der Mitbeteiligten das Arbeitslosengeld ab dem .

Mit Schreiben vom teilte die Mitbeteiligte der Revisionswerberin mit, dass sie ihr "Praktikum verlängert" habe, solange sie keine neue Beschäftigung gefunden habe. Sie führte dazu in der Niederschrift vom näher aus, dass sie im Rahmen des Studiums im vorlesungsfreien Wintersemester neben der Beschäftigung beim ÖGLB ein Praktikum vom bis zum bei der European Union Agency for Fundamental Rights (im Folgenden kurz: FRA) im Ausmaß von 20 Stunden wöchentlich absolviert habe. Im Sommersemester absolviere sie nunmehr seit dem ein weiteres Praktikum bei der FRA täglich von 9.00 bis 16.00 Uhr (ausgenommen drei Tage mit Vorlesungen), wobei sie dafür ein "Stipendium" von monatlich EUR 1.000,-- erhalte; sie werde das Praktikum beenden, sobald sie eine Beschäftigung gefunden habe. In einer weiteren Niederschrift vom hielt die Mitbeteiligte fest, dass sie das Praktikum bis Ende Juni fortsetzen werde.

1.2. Mit Bescheid vom sprach die Revisionswerberin aus, dass gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. März bis zum widerrufen werde und die Mitbeteiligte nach § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung von EUR 2.929,22 verpflichtet sei. Mit (weiterem) Bescheid vom sprach die Revisionswerberin aus, dass gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 7, 12 AlVG das Arbeitslosengeld ab dem eingestellt werde. Die Revisionswerberin begründete die Entscheidungen damit, dass die Mitbeteiligte ein Praktikum im Ausmaß von 35 Stunden wöchentlich bzw. sieben Stunden täglich absolviere, sodass Verfügbarkeit bzw. Arbeitslosigkeit nicht gegeben sei. Es bestehe daher kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, die bereits erbrachte Leistung sei zu Unrecht erfolgt.

1.3. Gegen diese Bescheide erhob die Mitbeteiligte Beschwerden mit dem wesentlichen Vorbringen, sie sei der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Sie habe das Praktikum vom 1. März bis zum nicht im Rahmen der (universitären) Ausbildung absolviert und dieses auch jederzeit abbrechen können, wie aus einer (unter einem vorgelegten) Bestätigung der FRA hervorgehe. Verfügbarkeit bzw. Arbeitslosigkeit seien daher gegeben gewesen, der Tatbestand des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG sei nicht erfüllt. Im Übrigen habe die Mitbeteiligte ihre Betreuerin bei der Revisionswerberin über das Praktikum vorab informiert, wobei diese darin kein Hindernis für den Bezug des Arbeitslosengelds gesehen habe.

2.1. Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die Revisionswerberin den Beschwerden nicht Folge. Sie sprach ergänzend aus, dass der Antrag auf Arbeitslosengeld abgewiesen werde sowie dass auf den zum Rückersatz vorgeschriebenen Überbezug von EUR 2.929,22 bereits ein Einbehalt vom laufenden (ab dem neuerlich zuerkannten) Arbeitslosengeld von EUR 691,92 erfolgt sei, sodass nur mehr ein Betrag von EUR 2.237,30 unberichtigt aushafte.

2.2. Die Revisionswerberin ging von dem oben (Punkt 1.1.) wiedergegebenen Sachverhalt aus. Ergänzend hielt sie fest, dass die Betreuerin laut deren Stellungnahme nicht vorab informiert worden sei, vielmehr habe die Mitbeteiligte das Praktikum erstmals in der Mitteilung vom erwähnt und nähere Angaben in der Niederschrift vom gemacht. Die Revisionswerberin hob ferner hervor, dass nach den vorgelegten Bestätigungen der FRA und der Universität Wien das vorangehende Praktikum (vom bis zum ) ein Pflichtpraktikum gewesen sei, wohingegen das weitere Praktikum (vom 1. März bis zum ) nicht im Rahmen der universitären Ausbildung, sondern auf freiwilliger Basis erfolgt sei. Für das letztgenannte Praktikum habe sie laut dem mit der FRA abgeschlossenen Vertrag ein Entgelt bzw. Stipendium von monatlich EUR 1.000,-- erhalten; die Normalarbeitszeit habe 37,5 Stunden wöchentlich betragen, die fixen Arbeitszeiten hätten sich Montag bis Donnerstag von 9.30 bis 13.00 Uhr und 14.30 bis 16.00 Uhr sowie Freitag von 9.30 bis 13.00 Uhr und 14.00 bis 15.00 Uhr erstreckt, Urlaube seien zehn Tage im Voraus zu genehmigen gewesen, Erkrankungen am ersten Tag vor 9.30 Uhr zu melden gewesen.

2.3. Rechtlich folgerte die Revisionswerberin, der Anspruch auf Arbeitslosengeld setze nach § 7 AlVG (unter anderem) voraus, dass der Anspruchswerber der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe, was dann der Fall sei, wenn er eine Beschäftigung aufnehmen könne und dürfe, und wenn er arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos sei. Personen, die sich einer Ausbildung unterzögen, könnten sich in der Regel nicht zur Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicher Weise angebotenen Beschäftigung bereithalten, weshalb gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG - vorbehaltlich des Bestehens einer Ausnahme nach § 12 Abs. 4 AlVG -

davon auszugehen sei, dass Arbeitslosigkeit nicht vorliege. Ob dies im jeweiligen Fall zutreffe, sei durch Ermittlung einer Überschneidung der Ausbildungszeiten mit den üblichen Beschäftigungszeiten (wobei grundsätzlich von einer vollversicherten unselbständigen Erwerbstätigkeit von zumindest 20 Stunden wöchentlich auszugehen sei) zu prüfen. Ergebe sich eine solche Überschneidung, so sei der Antrag auf Arbeitslosengeld mangels Verfügbarkeit abzuweisen.

Vorliegend sei das Arbeitslosengeld ab dem gewährt worden, weil die Mitbeteiligte nach ihren ursprünglichen Angaben neben dem Studium für eine Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von zumindest 20 Stunden wöchentlich verfügbar gewesen sei. Erst in der Niederschrift vom habe sie offen gelegt, dass sie ein (weiteres) Praktikum bei der FRA mit einer Arbeitszeit von 37,5 Stunden wöchentlich absolviere. Davon ausgehend würden sich aber die Zeiten für die Ausbildung und für das weitere Praktikum jedenfalls mit den am Arbeitsmarkt üblichen Beschäftigungszeiten überschneiden, sodass Verfügbarkeit nicht gegeben sei. Der Einwand der Mitbeteiligten, sie könne das Praktikum jederzeit beenden, sei irrelevant. Es komme nämlich nicht darauf an, ob der Anspruchswerber ein konkretes Arbeitsangebot erhalte und ausschlage, sondern ob er eine Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von zumindest 20 Stunden wöchentlich jederzeit antreten könne. Dies sei hier nicht der Fall (gewesen). Im Übrigen habe die Mitbeteiligte eine vorzeitige Beendigung nicht in Betracht gezogen, zumal sie in der Niederschrift vom trotz Kenntnis der Sachlage erklärt habe, dass sie das Praktikum bis zum vereinbarten Ende fortsetzen werde.

Wie die Revisionswerberin ferner ausführte, sei gemäß § 12 AlVG Arbeitslosigkeit (unter anderem) während der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bzw. Beschäftigung ausgeschlossen, sofern das daraus erzielte Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze übersteige. Vorliegend habe die Mitbeteiligte im Rahmen des Praktikums vom 1. März bis zum von der FRA ein über der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Entgelt ("Stipendium") von monatlich EUR 1.000,-- für die erbrachte Arbeitsleistung erhalten. Im Hinblick auf die vertragliche Gestaltung des Praktikums (mit Entgeltzahlungen, fixen täglichen Arbeitszeiten, Verpflichtung zur unverzüglichen Krankmeldung und Vorschriften zur Urlaubsplanung) sei von einem Dienstverhältnis auszugehen, das Arbeitslosigkeit ausschließe.

Insgesamt seien daher die Voraussetzungen einerseits der Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt und andererseits der Arbeitslosigkeit nicht gegeben, sodass der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu Recht bestehe. Das Arbeitslosengeld sei deshalb ab dem einzustellen und die unberechtigt empfangene Leistung für März und April 2014 zu widerrufen und zurückzufordern gewesen, da die Mitbeteiligte die Absolvierung des weiteren Praktikums und das daraus bezogene Einkommen verschwiegen habe.

3. Die Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag, in dem sie im Wesentlichen ihr Beschwerdevorbringen wiederholte und ergänzend ausführte, bei dem absolvierten Praktikum handle es sich um kein Dienstverhältnis, die Umdeutung des Stipendiums in ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze sei falsch.

4.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht - nach unbekämpft gebliebener (und daher im Folgenden nicht weiter zu erörternder) Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Vorlageantrags (Spruchpunkt A) I.) - den Beschwerden der Mitbeteiligten Folge, indem es den Bescheid über den Widerruf des Arbeitslosengelds und die Rückzahlungsverpflichtung aufhob sowie den Bescheid über die Einstellung des Arbeitslosengelds dahin abänderte, dass es das Arbeitslosengeld ab dem im gesetzlichen Ausmaß zusprach (Spruchpunkt A) II.).

4.2. Das Verwaltungsgericht hielt in seinen (mit der rechtlichen Würdigung vermengten) "Feststellungen" fest, die Mitbeteiligte habe vom 1. März bis zum ein freiwilliges Praktikum außerhalb ihrer universitären Ausbildung absolviert. Sie hätte dieses Praktikum jederzeit beenden können, sodass sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden sei. Sie habe das Praktikum bei der FRA absolviert und sei für diesen Zeitraum Beamtin der Europäischen Union gewesen und nicht der österreichischen Sozialversicherung unterlegen. Sie habe für das Praktikum ein "Stipendium" von EUR 1.000,-- erhalten, das nicht der Versicherungspflicht unterlegen sei und nicht als Einkommen im Sinn des § 12 AlVG zu werten sei.

4.3. In der "rechtlichen Beurteilung" führte das Verwaltungsgericht aus, die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld seien erfüllt, sodass der Widerruf und die Einstellung zu Unrecht erfolgt seien. Die Mitbeteiligte sei der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden, zumal mit der FRA vereinbart gewesen sei, dass sie das Praktikum jederzeit beenden könne. Arbeitslosigkeit sei vorgelegen, da das Praktikum kein Dienstverhältnis im Sinn des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG dargestellt habe. Vielmehr habe es sich um ein befristetes Praktikum gehandelt, das jederzeit hätte beendet werden können und das nur der Erlangung einer Zusatzqualifikation, nicht aber der Schaffung einer dauernden Erwerbsquelle gedient habe. Eine praktische Ausbildung im Sinn des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG sei nicht vorgelegen, weil die Mitbeteiligte das Praktikum (im Gegensatz zum vorangehenden Pflichtpraktikum) nicht wegen einer damit verbundenen Ausbildung absolviert habe, sondern weil es sich um ein Traineeship auf freiwilliger Basis ohne ein konkretes Ausbildungsziel gehandelt habe. Das Praktikum habe auch keine Beschäftigung im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG dargestellt. Eine solche setze eine nachhaltige, auf einen Erwerb mit einem Einkommen gerichtete Tätigkeit voraus; Nachhaltigkeit erfordere die Absicht, die Tätigkeit zu wiederholen und daraus eine Erwerbsquelle zu machen. Vorliegend habe die Mitbeteiligte ein freiwilliges Praktikum absolviert, wobei die Befristung von vornherein ausgeschlossen habe, dass sie die Tätigkeit wiederholen und daraus eine Erwerbsquelle machen wolle. Zudem sei das Stipendium nur "als eine Art Taschengeld" zu werten, das laut Mitteilung der Gebietskrankenkasse zu keiner Vollversicherung geführt habe und daher kein die Arbeitslosigkeit ausschließendes Einkommen darstelle. Die Mitbeteiligte sei auch keiner Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterlegen, sodass auch dadurch die Arbeitslosigkeit nicht ausgeschlossen worden sei.

4.4. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts (unter anderem wegen Abweichens von näher erörterter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs), hilfsweise auch Aktenwidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen die Rechtslage verkannt hat bzw. von der Rechtsprechung abgewichen ist.

7. Voranzustellen ist, dass der gegenständliche Anspruch auf Arbeitslosengeld der - vom Verwaltungsgericht in Anlehnung an eine diesbezügliche Stellungnahme der Gebietskrankenkasse als "Beamtin der Europäischen Union" bezeichneten - Mitbeteiligten nach dem AlVG zu beurteilen ist. Selbst wenn - was hier dahinstehen kann - die Mitbeteiligte im Anspruchszeitraum auf Grund ihres zeitgleichen Praktikums bei der FRA deren "Personal" zuzurechnen gewesen wäre, für das gemäß Art. 24 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates vom zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte das Statut der Beamten und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften gelten, machte sie doch keinen Anspruch wegen Arbeitslosigkeit nach Ausscheiden aus dem Dienst bei einem Organ der EU, sondern wegen Beendigung ihrer Beschäftigung beim ÖGLB geltend. Für einen solchen Fall sind jedoch im Statut der Beamten und in den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten keine Regelungen enthalten, die die Anwendung der Bestimmungen des AlVG ausschließen würden.

8.1. Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (unter anderem) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Nach § 7 Abs. 2 AlVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf und arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist. Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat (Z 1), wer nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser nur in bestimmten (hier nicht relevanten) Ausnahmefällen unterliegt (Z 2) und wer keine neue oder weitere unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt (Z 3). Gemäß § 12 Abs. 6 lit. a AlVG gilt nicht als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die in § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt.

Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 AlVG sind die in den Z 1 bis 3 dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen. Es ist daher nicht nur erforderlich, dass die bisherige Erwerbstätigkeit beendet ist, sondern dass darüber hinaus (von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen) auch keine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mehr besteht sowie dass keine neue oder weitere Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, aus der ein über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG liegendes Entgelt erzielt wird (vgl. ; , Ro 2014/08/0028).

8.2. Vorliegend hat die Mitbeteiligte unstrittig ihre mit einer Vollversicherung einhergehende Erwerbstätigkeit beim ÖGLB mit Ablauf des beendet. Nach der - vom Verwaltungsgericht auf Grund einer Mitteilung der Gebietskrankenkasse getroffenen - diesbezüglichen Feststellung unterlag sie im Anspruchszeitraum auch nicht mehr einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung. Folglich hängt die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit davon ab, ob die Mitbeteiligte gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 AlVG im Anspruchszeitraum eine neue oder weitere die Geringfügigkeitsgrenze übersteigende Erwerbstätigkeit bzw. Beschäftigung ausgeübt hat.

9.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl. etwa , 2002/08/0013; , 93/08/0125, VwSlg. 14130 A), ist aus der beispielhaften Aufzählung von Tatbeständen für das Nichtvorliegen von Arbeitslosigkeit in § 12 Abs. 3 AlVG und der Richtung, die hierdurch vorgegeben wird, abzuleiten, dass unter einer Beschäftigung im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG jede mit einem Erwerbseinkommen verbundene (im Fall des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG letztlich Erwerbszwecken dienende) Tätigkeit zu verstehen ist. Liegt auch ein Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG vor, so ist unter einem Erwerbseinkommen das Entgelt nach § 49 ASVG gemeint (Geld- und Sachbezüge, auf die der Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er aus dem Grund erhält), liegt kein Dienstverhältnis vor, sind die aus der Beschäftigung erzielten (im Fall des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG fiktiven) Einkünfte in Geld- oder Güterform zu verstehen. Mit einer Beschäftigung im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG ist somit eine Erwerbstätigkeit gemeint. Es muss sich dabei jedoch um eine nachhaltige Tätigkeit handeln, die ihrem Typus nach die Schaffung von Einkünften in Geld- oder Güterform bezweckt. Nachhaltigkeit setzt die Absicht voraus, die Tätigkeit zu wiederholen und daraus eine Erwerbsquelle zu machen (vgl. in dem Sinn auch = SZ 68/197; ferner , und OGH RIS-Justiz RS0121134, wonach eine Tätigkeit nachhaltig ist, wenn sie mehrmals wiederholt wird oder auf Wiederholung ausgelegt ist).

9.2. Vorliegend kann kein Zweifel bestehen, dass die Mitbeteiligte durch ihr weiteres freiwilliges Praktikum bei der FRA (vom 1. März bis zum ) eine nachhaltige Tätigkeit im soeben aufgezeigten Sinn entfaltete. Abgesehen davon, dass das Praktikum ("internship") - wie die Mitbeteiligte einräumte und auch das Verwaltungsgericht festhielt - die Erlangung einer Zusatzqualifikation bzw. Praxis zur Förderung des beruflichen Fortkommens bezweckte, zielte es nicht anders, als wenn ein Dienstverhältnis zugrunde gelegen wäre, seinem Typus nach - als Vollzeitbeschäftigung während eines mehrmonatigen Zeitraums (womit jedenfalls auch dem Kriterium der "Wiederholung" einer Tätigkeit im Sinn der obigen Definition von Nachhaltigkeit entsprochen ist) -

auf die Schaffung von Einkünften, nämlich den Bezug einer Zuwendung ("grant") von monatlich EUR 1.000,-- ab. Dass es sich dabei um ein Erwerbseinkommen im Sinn der aufgezeigten Rechtsprechung handelte, ergibt sich auch aus dem zugrundeliegenden Vertrag ("Internship Contract"), wonach die Zuwendung nur im Umfang der tatsächlichen Ausführung des Praktikums zustand ("Interns are awarded a grant (...) of internship actually carried out") und auch ein zusätzlicher Ersatz für Reisekosten vorgesehen war, was den Zweck des "grant" als (echtes) Entgelt im Sinn einer Gegenleistung für die verrichtete Tätigkeit, und nicht etwa als Entschädigung für damit verbundene Aufwendungen, unterstreicht.

9.3. Da das Vorliegen einer nachhaltigen auf die Schaffung von Einkünften gerichteten Tätigkeit allein schon im Hinblick auf das im Anspruchszeitraum absolvierte weitere Praktikum zu bejahen ist, kommt es auf das vorangegangene im Rahmen der universitären Ausbildung im Wintersemester 2013/2014 absolvierte Pflichtpraktikum nicht an. Der Wertung des weiteren Praktikums als Beschäftigung im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG steht - wie die Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung einräumt - auch die erfolgte Befristung nicht entgegen (vgl. dazu etwa : befristete Mitwirkung an einem einjährigen Forschungsprojekt gegen Gewährung einer monatlichen Forschungsbeihilfe; , 93/08/0100: befristete Ausführung landwirtschaftlicher Arbeiten gegen Gewährung freier Station und in Erwartung der Hofübergabe nach acht Monaten bzw. letztlich einem Jahr). Die Wertung einer Tätigkeit als Beschäftigung im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG hat ferner ohne Rücksicht darauf zu erfolgen, ob durch sie eine Sozialversicherungspflicht begründet wird oder ob der Betreffende anderweitig sozialversichert ist (vgl. neuerlich VwGH 92/08/0207).

9.4. Entgegen der Argumentation des Verwaltungsgerichts war die im Rahmen des Praktikums gezahlte Zuwendung auch nicht bloß "als eine Art Taschengeld" zu werten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa ; , 85/08/0042) kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Geldanspruch ein "Entgelt" oder ein "Taschengeld" ist, vorrangig auf die Art des Beschäftigungsverhältnisses (insbesondere das allfällige Überwiegen eines Ausbildungszwecks) an. Konnte die Behörde (das Gericht) einen anderen Zweck der Beschäftigung als den Erwerbszweck - mangels konkreter auf das Überwiegen eines Ausbildungszwecks hindeutender Umstände - nicht feststellen, so ist von einem Entgelt für die geleistete Tätigkeit auszugehen. Vorliegend brachte die Mitbeteiligte vor und hielt auch das Verwaltungsgericht fest, dass es sich bei dem im Anspruchszeitraum absolvierten Praktikum (im Gegensatz zum vorangehenden Pflichtpraktikum) um keine Ausbildung - mit einem im Vordergrund stehenden Ausbildungszweck - handelte. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass die Beschäftigung einem Erwerbszweck diente, die Zahlungen von monatlich EUR 1.000,-- sind als Entgelt zu erachten.

9.5. Da das aus der ausgeübten Beschäftigung gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 AlVG erzielte Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigt (§ 12 Abs. 6 lit. a AlVG), ist Arbeitslosigkeit nicht vorgelegen und der Anspruch auf Arbeitslosengeld schon deshalb nicht begründet.

10. Im Hinblick auf das Fehlen von Arbeitslosigkeit bereits nach dem Grundtatbestand des § 12 Abs. 1 AlVG braucht nicht mehr geprüft zu werden (vgl. erneut VwGH 92/08/0207), ob auch andere in Rede stehende Ausschlusstatbestände des § 12 Abs. 3 AlVG (insbesondere das Vorliegen eines Dienstverhältnisses im Sinn der lit. a oder das Vorliegen eines Ausbildungsverhältnisses im Sinn der lit. f) verwirklicht wären. Ebenso ist nicht mehr zu prüfen, ob die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 AlVG (etwa die - von den Parteien und vom Verwaltungsgericht weitläufig erörterte -

Verfügbarkeit) erfüllt wären.

11. Insgesamt ergibt sich daher, dass die belangte Behörde den Widerruf des für März und April 2014 gewährten Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG sowie die Einstellung der Leistung ab dem gemäß § 24 Abs. 1 AlVG jeweils zu Recht ausgesprochen hat; auch die Verpflichtung der Mitbeteiligten zum Rückersatz nach § 25 Abs. 1 AlVG steht im Einklang mit der Rechtslage. Folglich hätte aber das Verwaltungsgericht den Beschwerden der Mitbeteiligten nicht stattgeben dürfen.

Aus den dargelegten Erwägungen war das angefochtene Erkenntnis in dem im Spruch festgehaltenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015080215.L00

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