VwGH vom 20.12.2016, Ro 2015/15/0033
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Finanzamts Braunau Ried Schärding in 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 60, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100045/2012, betreffend Feststellung von Einkünften 2010 (mitbeteiligte Partei: R. KG in S, vertreten durch die JB-O WT Steuerberatungsgesellschaft mbH in 4020 Linz, Schillerstraße 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Die mitbeteiligte KG mit dem Unternehmensgegenstand Physiotherapie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom errichtet und am in das Firmenbuch eingetragen.
2 Mit Eingabe vom meldete die Mitbeteiligte dem Finanzamt den Zusammenschluss der natürlichen Personen W und C nach den Bestimmungen des Art. IV UmgrStG mit Zusammenschlussstichtag vom . Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die Gewinnermittlung der Mitbeteiligten in Form einer Einnahmen-/Ausgabenrechnung erfolge. Dieser Eingabe waren der Zusammenschlussvertrag sowie der Status des einbringenden Einzelunternehmens des W beigelegt. Mit weiterer Eingabe vom legte die Mitbeteiligte u.a. einen Auszug aus dem Firmenbuch, den Gesellschaftsvertrag sowie die Eröffnungsbilanz zum vor.
3 Mit Bescheid vom stellte das Finanzamt die Einkünfte der Mitbeteiligten für das Jahr 2010 gemäß § 188 BAO erklärungsgemäß fest und teilte sie den Gesellschaftern W und C ebenfalls erklärungsgemäß zu.
4 Mit Bescheiden vom hob das Finanzamt den Feststellungsbescheid vom gemäß § 299 BAO auf und erließ einen geänderten Feststellungsbescheid. Die Einkünfte der Mitbeteiligten wurden nunmehr abweichend von der Erklärung festgestellt und ebenfalls von der Erklärung abweichend den Gesellschaftern zugeteilt. Begründend führte das Finanzamt an, bei der Mitbeteiligten sei wegen Fehlens wesentlicher Voraussetzungen des Art. IV UmgrStG von einem entgeltlichen Betriebserwerb auszugehen. Die Beteiligte C könne am Betriebsergebnis erst ab Abschlusstag des Zusammenschlussvertrages teilnehmen; die Gewinnverteilung sei entsprechend anzupassen gewesen. In einer ergänzenden Bescheidbegründung führte das Finanzamt aus, im Zusammenschlussvertrag fehlten folgende Anwendungsvoraussetzungen:
Die Bestimmung, dass die Übertragung des Vermögens ausschließlich gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten an der übernehmenden Personengesellschaft erfolge; eine eindeutige Regelung der Beteiligungsverhältnisse an der übernehmenden Personengesellschaft; eine Bestimmung über die Gegenleistung. Ferner fehlten eine Zusammenschlussbilanz und ein Jahres- /Zwischenabschluss gemäß § 12 Abs. 2 UmgrStG, welcher aber durch den vorliegenden Status ersetzt werden könne.
5 Gegen diesen Bescheid (Feststellung von Einkünften für das Jahr 2010) erhob die Mitbeteiligte Berufung. Dem Berufungsschriftsatz wurde die bislang nicht vorgelegte Zusammenschlussbilanz per angeschlossen.
6 Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat vor. Darin führte das Finanzamt als "Streitpunkte" u.a. an, der Zusammenschlussvertrag enthalte keinen Hinweis auf Vorsorgemaßnahmen, obwohl stille Reserven übergegangen seien.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesfinanzgericht aus, der (nunmehrigen) "Beschwerde wird stattgegeben". Weiters erklärte das Bundesfinanzgericht eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.
8 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe des Verfahrensablaufes - im Wesentlichen aus, die mitbeteiligte Kommanditgesellschaft sei aus dem Zusammenschluss von zwei natürlichen Personen unter Inanspruchnahme der Bestimmungen des Art. IV UmgrStG entstanden. Der Betrieb sei zuvor vom Kommanditisten (richtig: Komplementär) als Einzelunternehmen geführt worden, in welchem die Komplementärin (richtig: Kommanditistin) als Dienstnehmerin tätig gewesen sei. Der Zusammenschlussvertrag enthalte keine Bestimmung, dass die Übertragung des Vermögens ausschließlich gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten an der übernehmenden Personengesellschaft erfolge. Er enthalte auch keine eindeutige Regelung der Beteiligungsverhältnisse an der übernehmenden Personengesellschaft und keine Bestimmung über die zu erbringende Gegenleistung. Laut Gesellschaftsvertrag habe ein Gesellschafter sein bisheriges Einzelunternehmen zu Buchwerten, die weitere Gesellschafterin eine Bareinlage in Höhe von 30.000 EUR in die Gesellschaft eingebracht und stelle dieser ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung. Die Gewinnverteilung bzw. Aufteilung des Vermögens erfolge im Verhältnis 60 (einbringender Gesellschafter, Kommanditist; richtig: Komplementär) zu 40 ("Arbeitsgesellschafterin", Komplementärin; richtig: Kommanditistin). Weder der Zusammenschlussvertrag noch der Gesellschaftsvertrag enthielten Regelungen, dass weitere Gegenleistungen gewährt würden. Die Zusammenschlussbilanz sei erst im Zuge der Einbringung des Rechtsmittels vorgelegt worden; es sei aber auch keine entsprechende Aufforderung durch das Finanzamt erfolgt. Ein Jahres- /Zwischenabschluss gemäß § 12 Abs. 2 UmgrStG sei nicht eingereicht worden.
9 Die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. IV UmgrStG seien im vorliegenden Fall erfüllt. Der Zusammenschlussvertrag und der Gesellschaftsvertrag seien als Einheit zu sehen. Die Verträge enthielten die prozentuelle Beteiligung der Gesellschafter am Gewinn/Verlust bzw. Vermögen der Mitbeteiligten; auch sei die Höhe der jeweiligen Einlagenleistung ausgewiesen. Unzulässige Gegenleistungen seien nicht gewährt worden. Mit der Regelung über das Ausmaß der Beteiligung am Vermögen der Mitbeteiligten sei auch der Voraussetzung, dass eine Regelung über die Beteiligungsverhältnisse an der Personengesellschaft erforderlich ist, Genüge getan. Im vorliegenden Fall sei von einem Gesellschafter ein Betrieb eingebracht worden, dessen Verkehrswert zwischen den beiden Gesellschaftern einvernehmlich festgesetzt worden sei; die weitere Gesellschafterin habe eine Bareinlage geleistet. Der jeweilige Anteil der Gesellschafter am Vermögen der Mitbeteiligten entspreche jenem, der sich aus dem Verhältnis zwischen Verkehrswert und Bareinlage ergebe. Für das Bundesfinanzgericht sei nicht ersichtlich, wie aus dieser Konstellation eine endgültige Verschiebung der Steuerlasten eintreten sollte. Die Vorlage einer Zusammenschlussbilanz sei eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung des Art. IV UmgrStG. Da das Finanzamt die Mitbeteiligte nicht zur Nachreichung dieser Bilanz aufgefordert habe, sei die Vorlage im Zuge des Beschwerdeverfahrens als nicht verspätet anzusehen.
10 Der Beschwerde sei daher "stattzugeben" gewesen. 11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes.
12 Das Finanzamt macht zunächst geltend, der Zusammenschlussvertrag sei mit datiert, also vor der Errichtung des Gesellschaftsvertrages (). Es liege sohin kein einheitliches Vertragswerk vor. Davon unabhängig habe aber jeder Zusammenschlussvertrag die in § 23 Abs. 1 UmgrStG normierten wesentlichen Regelungen des Zusammenschlusses zu enthalten. Selbst bei einer Zusammenschau der beiden Verträge sei weder die Form der Gegenleistung noch die ausschließliche Gewährung von Gesellschafterrechten geregelt worden. Auch sei die Zusammenschlussmethodik und die damit verbundene Vorsorge gegen endgültige Steuerlastverschiebungen nicht beschrieben worden. Darüber hinaus sei im vorliegenden Fall eine steuerneutrale Übertragung des Einzelunternehmens nicht zulässig, weil keine Vorsorge gegen eine endgültige Verschiebung von Steuerlasten getroffen worden sei. Folge des Zusammenschlusses sei, dass C mit dem auf den Zusammenschlussstichtag folgenden Tag mit 40% am Zusammenschlussvermögen und somit auch mit 40% an den stillen Reserven und dem Firmenwert des übertragenen Betriebes (Einzelunternehmens) beteiligt sei. Konsequenz des Fehlens einer derartigen Maßnahme sei die Bewertung der Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert und folglich die Gewinnrealisierung innerhalb des Anwendungsbereiches des Art. IV UmgrStG.
13 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht. Darin verweist sie darauf, dass der Zusammenschlussvertrag am errichtet worden sei. Der Zusammenschlussvertrag sei als Ergänzung des Gesellschaftsvertrages anzusehen. Im Gesellschaftsvertrag sei die Beteiligung am Gewinn und Vermögen eindeutig vereinbart; auch die Einlage der sich zusammenschließenden Parteien sei genau beschrieben. Zur Vorsorge gegen eine endgültige Verschiebung der Steuerlasten führte die Mitbeteiligte aus, stille Reserven im Anlagevermögen seien nicht vorhanden. W habe in seinem Einzelunternehmen alleine als Physiotherapeut gearbeitet. Er erbringe gegenüber den Patienten höchstpersönliche Leistungen, er könne diese nicht delegieren. Der im Zusammenschlussvertrag angenommene Wert der Einzelfirma sei lediglich eine fiktive Größe, um die Beteiligungsverhältnisse darzustellen; dies unter der Voraussetzung, dass W in der neu gegründeten KG weiterhin aktiv tätig sei. Mangels Vorhandenseins eines nachhaltigen und bewertbaren Firmenwertes oder stiller Reserven sei eine Regelung bezüglich der Verschiebung von Steuerlasten als nicht notwendig erachtet worden. Vorsorgemaßnahmen könnten weiters auch nachgeholt werden; diese Möglichkeit sei der Mitbeteiligten vom Finanzamt nicht gewährt worden.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Ein Zusammenschluss im Sinne des UmgrStG liegt nach § 23 UmgrStG vor, wenn Vermögen ausschließlich gegen Gewährung von Gesellschafterrechten auf Grundlage eines schriftlichen Zusammenschlussvertrages (Gesellschaftsvertrages) und einer Zusammenschlussbilanz einer Personengesellschaft tatsächlich übertragen wird.
16 Nach § 23 Abs. 4 UmgrStG sind auf Zusammenschlüsse die §§ 24 bis 26 UmgrStG anzuwenden. Gemäß § 24 Abs. 2 UmgrStG ist die Buchwertfortführung in Anwendung des § 16 Abs. 1 UmgrStG nur zulässig, wenn für die weitere Gewinnermittlung Vorsorge getroffen wird, dass es bei den am Zusammenschluss beteiligten Steuerpflichtigen durch den Vorgang der Übertragung zu keiner endgültigen Verschiebung der Steuerbelastung kommt.
17 Die Mitbeteiligte hat lediglich den neuen Bescheid über die Feststellung der Einkünfte, nicht aber den Bescheid betreffend Aufhebung (gemäß § 299 BAO) des alten Bescheides über die Feststellung der Einkünfte angefochten. Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes, der Beschwerde werde "stattgegeben", ist in diesem Zusammenhang jedenfalls unvollständig, da auch anzugeben wäre, in welcher Weise der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die "stattgegebene" Beschwerde abgeändert wird. Insbesondere kann auch aus dem Berufungsantrag, der darauf lautete, den "Zusammenschluss der Einzelfirma (W) mit (C) zur (Mitbeteiligten) per anzuerkennen", nicht darauf geschlossen werden, welche ziffernmäßige Erledigung betreffend die Feststellung der Einkünfte vom Bundesfinanzgericht beabsichtigt war. Auch aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ist zu dieser Frage nichts ableitbar.
Damit ist aber das angefochtene Erkenntnis einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen und war schon aus diesem Grunde aufzuheben.
Im Übrigen stellt das Vorbringen in der Revisionsbeantwortung die Ernsthaftigkeit der Vereinbarung in Zweifel, wenn ausgeführt wird, es seien lediglich fiktive Größen angesetzt worden, um die Beteiligungsverhältnisse darzustellen. Diese Zweifel werden dadurch verstärkt, dass die Beteiligten dem Akteninhalt zufolge dieselbe Anschrift aufweisen. Das Bundesfinanzgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren auch zu klären haben, ob hier eine Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen vorliegt und ob gegebenenfalls diese Vereinbarung nach den hierauf anwendbaren Kriterien steuerlich anerkannt werden kann (vgl. etwa , VwSlg. 7965/F).
18 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am