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VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0330

VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0330

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 169/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste auf Grund einer ihm im Hinblick auf seine Tochter, eine österreichische Staatsbürgerin, ausgestellten, vom bis zum gültigen Erst-Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" in das Bundesgebiet ein. Am heiratete er die österreichische Staatsbürgerin M. Am beantragte er - unter Berufung auf diese Ehe - die Verlängerung des ihm erteilten Aufenthaltstitels.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wegen des Eingehens einer so genannten Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung des Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben.

So habe seine Ehefrau anlässlich der Stellung des Verlängerungsantrags am keine Angaben zu seiner Person machen können und nicht einmal gewusst, dass er einer Beschäftigung nachgehe. Bei einer Hauserhebung am sei der Beschwerdeführer einem Wohnungsnachbarn nicht bekannt gewesen bzw. habe dieser Nachbar angegeben, dass (nur) M. mit ihrer Tochter im Haus wohne. Diese seien in der Wohnung auch angetroffen worden. Persönliche Gegenstände des Beschwerdeführers, wie Kleidung, Dokumente oder Rasierutensilien, habe M. nicht vorweisen können. Erst nach längerem Suchen habe sie einige Hochzeitsfotos gefunden. Vorerst habe sie vehement bestritten, eine Scheinehe geschlossen zu haben. Dann habe sie aber zugegeben, den Beschwerdeführer aus Gefälligkeit geheiratet zu haben. Obwohl sie nicht mit ihm zusammenlebe, habe sie gemeint, dass es sich um keine Scheinehe handle, weil sie den Beschwerdeführer gern habe und sie ihm habe helfen wollen, damit er in Österreich bleiben und hier arbeiten könne. Auch bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am habe sie gemeint, dass es sich "eigentlich" um keine Scheinehe handle, auch wenn sie ihn hauptsächlich geheiratet habe, damit er in Österreich bleiben und hier arbeiten könne. Die Ehe sei zwar nicht aus Liebe geschlossen worden, weil sie beide nicht mehr so jung seien; sie würden einander aber ganz gut verstehen. M. sei zu diesem Zeitpunkt seit zwei Jahren arbeitslos gewesen und habe im Monat EUR 240,-- Notstandshilfe bezogen. Der Beschwerdeführer habe sie - nach ihren Angaben - gefragt, ob sie ihn heiraten wolle, weil er sie in ihrer "finanziellen Situation" habe unterstützen wollen. Trotz Meldung in ihrer Wohnung habe er nie bei ihr gewohnt bzw. geschlafen. Dies habe sie damit erklärt, dass ihre Wohnung einfach zu klein sei. Die genaue Adresse der Wohnung seiner Tochter V. im 3. Bezirk, bei der der Beschwerdeführer wohne und schlafe, habe sie aber nicht nennen können. Dem Vorhalt, dass sie mit dem Beschwerdeführer "kein eigentliches gemeinsames Eheleben führe", habe sie letztlich zugestimmt. Warum der Beschwerdeführer im Haus nicht bekannt sei, habe sie nicht erklären können.

Der Beschwerdeführer habe am niederschriftlich einvernommen angegeben, dass sowohl er als auch seine Ehefrau die "Idee" gehabt hätten, zu heiraten. Einen Heiratsantrag habe es aber nicht gegeben. Vor der Hochzeit habe er mit seiner Ehefrau nicht zusammengewohnt; nach der Hochzeit sei er zu ihr gezogen.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass es sich bei der vorliegenden Ehe zweifellos um eine so genannte Aufenthaltsehe handle. Der Beschwerdeführer sei im Haus, in dem sich die eheliche Wohnung befinde, vollkommen unbekannt. Auch seine Ehefrau habe zugegeben, dass er nie bei ihr gewohnt habe und sie ihm lediglich habe helfen wollen. Abgesehen von der Glaubwürdigkeit ihrer Aussage sei der Beweiswürdigung auch zu Grunde zu legen, dass sich M. in finanziellen Nöten befunden habe und nach der Eheschließung vom Beschwerdeführer regelmäßig mit (geringen) Geldbeträgen unterstützt worden sei. Darüber hinaus sprächen auch die bei den Einvernahmen am zu Tage getretenen teilweise massiven Widersprüche für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe. Die Widersprüche hätten nicht nur Details über das Arbeitsleben oder die Familie betroffen, sondern auch alltägliche Geschehnisse, wie den Zeitpunkt des Aufstehens in der Früh und das "Prozedere" am Abend vor der Einvernahme, sowie die Ereignisse bei der Hochzeit. So habe der Beschwerdeführer angegeben, die Eheringe gemeinsam mit seiner Ehefrau gekauft zu haben und dass etwa zwölf Personen bei der Trauung anwesend gewesen seien. M. habe zu Protokoll gegeben, dass der Beschwerdeführer die Ringe allein gekauft habe und nur etwa acht Gäste am Standesamt anwesend gewesen seien.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte eine schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbots iSd § 86 Abs. 1 FPG rechtfertige.

Der Beschwerdeführer lebe seit mehr als fünf Jahren in Österreich. Er verfüge im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu seinen zwei (volljährigen) Töchtern, die bereits über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügten, und gehe regelmäßig einer (geringfügigen) Beschäftigung nach. Mit dem Aufenthaltsverbot sei daher ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, und damit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten. Der Beschwerdeführer habe nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz eine unselbständige Beschäftigung als Arbeiter eingehen können, sodass seine - durch den mehr als fünfjährigen Aufenthalt erzielte - Integration zu relativieren sei. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers hätten daher gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund zu treten. Seine persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet würden somit keinesfalls schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbots. Besondere, zu seinen Gunsten sprechende Umstände seien nicht gegeben, sodass auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Juni 2009) geltende Fassung.

Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin (Ehegatte) ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn ein Fremder iSd § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0298, mwN).

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die in diesem Sinn vorgenommene rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, sondern ausschließlich gegen ihre Beweiswürdigung.

In der Beschwerde gibt er dazu auszugsweise die Angaben von M. wieder: Seine Ehefrau habe vorerst bestritten, dass eine Scheinehe gegeben sei. Dann habe sie ausgeführt, ihn aus Gefälligkeit geheiratet zu haben. Obwohl sie nicht mit ihm zusammenlebe, habe sie angegeben, dass keine Scheinehe vorliege, weil sie ihn gern habe und ihm habe helfen wollen, damit er in Österreich bleiben und arbeiten könne. Auch bei einer neuerlichen Einvernahme habe "Frau M." deponiert, dass es sich um keine Scheinehe handle. Sie habe ausgesagt, dass die Ehe zwar nicht aus Liebe geschlossen worden sei, weil beide nicht mehr so jung seien, sie sich aber "ganz gut verstehen" würden. Dass auf ihrer Seite auch ihre schwierige finanzielle Situation eine Rolle gespielt habe, habe er nicht gewusst. Dass die Eheleute nicht zusammengewohnt hätten, habe sich aus der beengten Wohnungssituation erklärt. Auch diesbezüglich würden sich seine Angaben mit jenen seiner Ehefrau decken. Auch wenn die "äußeren Umstände der Ehe" nicht unbedingt den "gängigen Vorstellungen" entsprächen, liege jedenfalls keine Scheinehe vor.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, dass die Beurteilung der Ehe durch die Ehefrau des Beschwerdeführers aus ihrer subjektiven Sicht nicht maßgeblich ist. Zu prüfen ist vielmehr, ob die Tatbestandselemente des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt sind und daher objektiv eine "Scheinehe" vorliegt. Selbst nach dem Beschwerdevorbringen kann jedoch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer mit M. ein "gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK" geführt hätte.

Entgegen den dahingehenden Ausführungen in der Beschwerde gaben der Beschwerdeführer und M. in ihren Einvernahmen überdies keineswegs übereinstimmend an, dass wegen der beengten Wohnverhältnisse kein gemeinsamer Haushalt vorliege. Wenn der Beschwerdeführer weiter vorbringt, er habe nicht gewusst, dass auf Seiten seiner Ehefrau auch deren schwierige finanzielle Situation eine Rolle gespielt habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass er - nach der Aussage von M. - die Frage, ob sie ihn heirate, selbst damit verknüpft habe, dass er sie "in ihrer finanziellen Situation unterstützen wolle".

Die belangte Behörde hat sich ausreichend mit den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau sowie den übrigen Ermittlungsergebnissen auseinander gesetzt. Es erweist sich daher - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - nicht als rechtswidrig, wenn die belangte Behörde auf Grund der dargestellten Widersprüche in den Angaben der Eheleute und einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangte, dass eine Aufenthaltsehe vorliege.

Die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene (unbedenkliche) Interessenabwägung und die Ermessensübung zum Nachteil des Beschwerdeführers werden in der Beschwerde nicht bekämpft.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-93600