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VwGH vom 18.10.2012, 2011/23/0328

VwGH vom 18.10.2012, 2011/23/0328

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Georg Uitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Doblhoffgasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/155222/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste - nach eigenen Angaben - im Februar 2005 legal in das Bundesgebiet ein. Am heiratete er eine österreichische Staatsbürgerin. Im Hinblick auf diese Ehe wurden ihm - zuletzt bis verlängerte - Aufenthaltstitel erteilt. Am wurde die Ehe geschieden.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1, 3 und 4 dritter Fall StGB sowie wegen des Vergehens der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB zu einer - auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt. Nach dem Schuldspruch habe der Beschwerdeführer - von Mittätern mit seinem Wissen bei Einbruchsdiebstählen im Jänner 2008 erbeutete - Schmuckstücke, elektronische Geräte und zwei Pelzmäntel in seiner Wohnung verwahrt und anschließend verkauft. Außerdem habe er Ende 2007/Anfang 2008 ihm per Post aus dem Ausland übersandte falsche ausländische Personalausweise und Reisepässe an dritte Personen mit dem Vorsatz weitergegeben, dass diese Urkunden im Rechtsverkehr verwendet würden.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Nach Darstellung der eingangs ausgeführten Verurteilung und der ihr zugrunde liegenden Straftaten führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der relevanten Bestimmungen des FPG begründend aus, dass die Verurteilung den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfülle. Das dieser zugrunde liegende Verhalten, durch das zwei an sich selbständige Delikte verwirklicht worden seien, rechtfertige aber auch die Annahme, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde und überdies anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen wie der Verhinderung strafbarer Handlungen zuwiderlaufe.

Angesichts eines etwas über vierjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet, der dem Beschwerdeführer erteilten Aufenthaltsberechtigung, gewisser familiärer Bindungen zu seiner Schwester und einer wieder bestehenden beruflichen Integration ging die belangte Behörde von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers aus. Dennoch sei diese Maßnahme im Grunde des § 66 FPG zulässig, weil das Fehlverhalten des Beschwerdeführers seine Gefährlichkeit für das Eigentum anderer und die Urkundensicherheit verdeutliche und sein Unvermögen oder seinen Unwillen zeige, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten.

Im Rahmen der nach § 66 FPG erforderlichen Interessenabwägung führte die belangte Behörde weiter aus, dass einer allfälligen, aus seinem Aufenthalt ableitbaren Integration des Beschwerdeführers insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Die privaten bzw. persönlichen Interessen an einem Verbleib hätten daher gegenüber den - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Der Beschwerdeführer weise nach mehrmonatiger Arbeitslosigkeit auch erst seit wieder berufliche Bindungen auf. Seine familiären Beziehungen in Österreich seien als eher lose zu beurteilen, weil er mit der einzigen hier lebenden näheren Verwandten, seiner Schwester, nicht im gemeinsamen Haushalt wohne. Andererseits befänden sich seine engsten Verwandten, nämlich seine Eltern, in seinem Heimatstaat Serbien. Dass er die Kontakte zu diesen - wie von ihm vorgebracht - abgebrochen habe, habe er nicht glaubhaft gemacht; darüber hinaus könnten abgebrochene Kontakte unter Umständen wieder aktiviert werden.

Die Tathandlungen lägen erst etwa 15 Monate zurück, sodass die dadurch bewirkte schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung noch keineswegs als bedeutend gemildert eingeschätzt werden könne. Vom weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers gehe vielmehr nach wie vor eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, zumal er wegen Begehung eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei (§§ 55 und 56 FPG). Liege aber eine rechtskräftige Verurteilung des Fremden im Sinn des § 55 Abs. 3 Z 1 FPG vor, so bestehe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Behörde keine Veranlassung, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 60 Abs. 1 FPG von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Mai 2009) geltende Fassung.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Nach § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache (u.a.) zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist.

Auf der Grundlage der dargestellten Verurteilung ist die - in der Beschwerde auch nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die genannte Alternative des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Dies indiziert die von der belangten Behörde bejahte Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG.

Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, dass er in die Straftat nur durch einen Onkel "hineingezogen" worden sei. Die Verurteilung liege bereits fast ein Jahr zurück; die Tat selbst bereits über ein Jahr. Da er die Aufklärung, Ausforschung und Ergreifung "des Schwersten der Verbrecher" ermöglicht habe, habe er bloß eine "kurze 14-tägige Untersuchungshaft" verbüßt, während die übrigen Mittäter in Untersuchungshaft und anschließend in Strafhaft verblieben seien. Die Untersuchungshaft habe ihm sein Fehlverhalten deutlich genug vor Augen geführt und ihn zu einer inneren Umkehr gelangen lassen. Er sei durch das gegen ihn geführte Strafverfahren gereift, sodass künftig ein weiteres Fehlverhalten von ihm nicht zu erwarten und sogar auszuschließen sei.

Entgegen diesen Beschwerdeausführungen vermag der Umstand, dass eine bedingte Freiheitsstrafe verhängt wurde, eine Rechtswidrigkeit der - von den Fremdenbehörden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von gerichtlichen Erwägungen vorzunehmenden - Prognosebeurteilung im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG nicht aufzuzeigen. Den Tatbeständen des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG ist nämlich die gesetzgeberische Wertung zu entnehmen, dass auch eine bedingte Strafnachsicht einem Aufenthaltsverbot nicht entgegen steht (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0280, mwN). Abgesehen davon lässt sich dem im Verwaltungsakt erliegenden Strafurteil eine besonders zur Aufklärung der Straftaten beitragende Funktion des Beschwerdeführers - dem vom Strafgericht lediglich ein "untergeordnetes Geständnis" als Milderungsgrund zuerkannt wurde - nicht entnehmen. Maßgeblich für die Beurteilung durch die belangte Behörde war daher vielmehr, dass der Beschwerdeführer bereits knapp drei Jahre nach seiner Einreise in das Bundesgebiet straffällig wurde. Er sorgte in mehreren Fällen für die Aufbewahrung und die Verwertung von Diebesgut, das bei einer Vielzahl von Einbruchsdiebstählen erbeutet worden war. Überdies setzte er schwerwiegende Delikte gegen die Urkundensicherheit. Die Annahme der belangten Behörde, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und beeinträchtige erheblich das öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen der vorliegenden Art, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die dagegen vorgebrachten Beschwerdeargumente vermögen hingegen nicht zu überzeugen.

Allein die Zusicherungen des Beschwerdeführers, die Untersuchungshaft und das Strafverfahren hätten ihm das Fehlverhalten deutlich vor Augen geführt und ihn zu einer inneren Umkehr gelangen lassen, bieten jedoch keine ausreichende Gewähr dafür, dass der Beschwerdeführer in Zukunft von einer weiteren Begehung von Straftaten Abstand nehmen würde. Auch die seit den Straftaten verstrichene Zeit ist noch zu kurz, als dass die belangte Behörde einen Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung hätte annehmen müssen.

Entgegen der Beschwerdeansicht berücksichtigte die belangte Behörde nicht nur die Tatsache der Verurteilung, sondern sie stellte auch ausreichend die dem Strafurteil zugrunde liegenden Tathandlungen dar.

Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots, mit dem in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen würde, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer führt in diesem Zusammenhang aus, dass er seit mehr als vier Jahren in Österreich sei und auch wieder einer Arbeit nachgehe. Er sei sozial integriert und beherrsche Deutsch besser als die Sprache seines Herkunftslandes. Zu diesem bestehe keine Bindung mehr, weil er den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen habe.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde die - noch nicht besonders lange - Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich und seine (inzwischen erfolgte) Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ohnedies zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigte. Im Hinblick auf das überaus große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten der vorliegenden Art erweist sich die Ansicht der belangten Behörde, dass das verhängte Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei und die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet die gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht überwiegen würden, nicht als rechtswidrig. Der vorgebrachten fehlenden Bindung zum Heimatland ist zu erwidern, dass der Beschwerdeführer erst im Jahr 2005 im 24. Lebensjahr nach Österreich einreiste. Im Bundesgebiet hielt er sich - bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheids - lediglich etwas mehr als vier Jahre auf. Es ist daher mit der belangten Behörde nicht davon auszugehen, dass allenfalls aufgegebene Bindungen zum Heimatstaat nicht wiederhergestellt werden könnten; die behaupteten sprachlichen Schwierigkeiten sind überhaupt nicht nachvollziehbar. Die von der Beschwerde relevierten allfälligen wirtschaftlichen Schwierigkeiten beim (Wieder )Aufbau einer Existenz im Herkunftsstaat sind im öffentlichen Interesse hinzunehmen.

Der weiters erhobene Beschwerdevorwurf, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet, ist nicht berechtigt, weil sich dessen Begründung mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde legte und welche Erwägungen für ihre Beurteilung maßgeblich waren. Wenn die Beschwerde meint, dass nicht auf alle Berufungsargumente eingegangen worden sei, zeigt sie die Relevanz eines allfällig darin zu erblickenden Verfahrensmangels nicht auf. So stellt sie nicht dar, welche Argumente der Berufung noch zu behandeln gewesen wären und inwiefern dies zu einem für den Beschwerdeführer positiveren Ergebnis geführt hätte.

Die Beschwerde zeigt schließlich auch keine Gründe auf, wonach das Ermessen durch die belangte Behörde nicht in gesetzmäßiger Weise ausgeübt worden wäre.

Wenn die Beschwerde zu Letzt noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung durch die erstinstanzliche Behörde bekämpft, geht dies schon deshalb ins Leere, weil durch die Entscheidung der Berufungsbehörde in der Hauptsache der bekämpfte Ausspruch jedenfalls seine Wirkung verloren hat (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0208).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am