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VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0327

VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0327

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des M, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/177.865/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, reiste am illegal in das Bundesgebiet ein, wo er am einen Asylantrag stellte. Dieser wurde mit dem am in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen. Unter einem wurde die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch festgestellt und der Beschwerdeführer nach Bangladesch ausgewiesen.

Bereits am hatte der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und - unter Berufung auf diese Ehe - am die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Dem Beschwerdeführer wurde daraufhin eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung mit einer Gültigkeit bis zum ausgestellt. Über seinen Verlängerungsantrag vom wurde zunächst nicht mehr entschieden.

Am wurde die Ehe des Beschwerdeführers geschieden.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer wegen des Eingehens einer so genannten Aufenthaltsehe gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung stützte sie sich im Wesentlichen auf Berichte über Hauserhebungen im Oktober 2004 und im Oktober 2006 sowie auf die niederschriftliche Einvernahme der geschiedenen Ehefrau des Beschwerdeführers vom . Die vormalige Ehefrau des Beschwerdeführers habe dabei angegeben, für den Abschluss einer Scheinehe mit dem Beschwerdeführer EUR 5.000,-- erhalten und mit ihm nie gemeinsam in einer Wohnung gewohnt zu haben. Die Ehe mit ihm sei nach ihrer Aussage nie vollzogen worden.

Auf Grund weiterer, im angefochtenen Bescheid näher ausgeführter beweiswürdigender Erwägungen kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass eine Scheinehe vorliege; ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK sei nie geführt worden. Dennoch habe sich der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ausdrücklich auf diese Ehe berufen. Es sei daher der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt und die Erlassung des Aufenthaltsverbots "nicht nur zulässig, sondern im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG auch dringend geboten".

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 1999 (richtig: 1997) im Bundesgebiet aufhalte. Sein Aufenthalt sei jedoch zunächst bloß auf einen Asylantrag gestützt gewesen, der sich in weiterer Folge als unbegründet herausgestellt habe. Seinen weiteren Aufenthalt habe er durch das Eingehen einer Scheinehe erwirkt. Weitere familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien nicht bekannt und auch nicht geltend gemacht worden. Eine nachhaltige Integration am Arbeitsmarkt liege nicht vor, sei der Beschwerdeführer doch immer nur kurzfristig beschäftigt gewesen und habe überwiegend Notstandshilfe bzw. Arbeitslosengeld bezogen. Seit sei er wieder geringfügig beschäftigt. Angesichts der bisherigen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich sei - so führte die belangte Behörde weiter aus - von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, sowie zur Verhinderung von Aufenthaltsbzw. Scheinehen dringend geboten sei. Die vom Beschwerdeführer durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration werde auf Grund der von ihm eingegangenen Scheinehe wesentlich gemindert. Eine Abwägung der genannten Interessenlagen ergebe, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wiegen würden als das öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Da keine besonderen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe die belangte Behörde auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand nehmen können. Ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, könne nicht vor Verstreichen eines zehnjährigen Zeitraums erwartet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (April 2009) geltende Fassung.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider läuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheins auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Die Beschwerde wendet sich weder konkret gegen die von der belangten Behörde in diesem Sinn getroffenen Feststellungen noch gegen die darauf gegründete rechtliche Beurteilung.

Der Beschwerdeführer rügt allerdings als "schwerwiegenden" Verfahrensmangel, dass im angefochtenen Bescheid eine Feststellung darüber fehle, "weshalb eine - in der Berufung angeregte - Anzeigenerstattung bei der zuständigen Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Eingehens einer Scheinehe zu erstatten sei".

Sofern die Beschwerde damit auf das Berufungsvorbringen Bezug nimmt, wonach die Fremdenrechtsbehörden für die Feststellung einer Scheinehe nicht zuständig wären, sondern dies den (ordentlichen) Gerichten obliege, ist sie nicht im Recht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung, ob ein Fremder, der eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese berufen hat, mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt hat, im Anwendungsbereich des FPG den Verwaltungsbehörden überantwortet. Die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz stellt keine Voraussetzung für die Feststellung des Bestehens einer Scheinehe dar (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0187, mwN). Ferner ist für die gegenständliche Beurteilung ohne Relevanz, aus welchen Gründen die Staatsanwaltschaft von der Erhebung einer Nichtigkeitsklage Abstand genommen hat (vgl. u.a. das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0278, mwN).

Die Beschwerde bringt weiters vor, dass der Beschwerdeführer bereits seit zwölf Jahren in Österreich aufhältig sei. Sein Fehlverhalten sei angesichts des seither verstrichenen Zeitraums nicht mehr geeignet, eine relevante Gefährdung der maßgeblichen Interessen herbeizuführen. Auch seit der Eheschließung sei bereits ein Zeitraum von über fünf Jahren vergangen. Die belangte Behörde habe das nachmalige Wohlverhalten - insbesondere bei ihrer Ermessensentscheidung - jedoch nicht berücksichtigt.

Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer übersieht in diesem Zusammenhang nämlich zum einen, dass er sich noch im Jahr 2006 für die Verlängerung seines Aufenthaltstitels auf die Scheinehe berufen hat. Von einem relevanten Zeitraum des Wohlverhaltens kann somit nicht gesprochen werden.

Im Rahmen der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung wurde im Übrigen ohnedies auf die Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers und seine teilweise Integration in den heimischen Arbeitsmarkt ausreichend Rücksicht genommen. Die belangte Behörde hat aber zutreffend auch darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer zunächst bloß über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügte, die auf einem Asylantrag beruhte, der sich als unberechtigt herausstellte. Weitere Integrationsschritte konnte der Beschwerdeführer nur auf Grund der von ihm eingegangenen Aufenthaltsehe setzen. Es kann der belangten Behörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet könnten im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht überwiegen. Die belangte Behörde durfte nämlich zutreffend davon ausgehen, dass die vom Beschwerdeführer erlangten Aspekte einer Integration dadurch relativiert werden, dass sie im Wesentlichen auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen sind. Überdies liegt nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, welchen die Beschwerde nicht entgegen tritt, keine nachhaltige berufliche Integration des Beschwerdeführers in den heimischen Arbeitsmarkt vor; es bestehen auch keine familiären Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Umstände, die auf eine besondere Integration des Beschwerdeführers im Inland schließen lassen würden, werden in der Beschwerde nicht dargestellt.

In der Beschwerde werden auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Schließlich wird in der Beschwerde auch gegen die Dauer des Aufenthaltsverbots nichts ins Treffen geführt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am