VwGH vom 30.03.2011, 2007/12/0065
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des R Z in W, vertreten durch die Lansky, Ganzger Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 29/9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom , Zl. P795628/9-PersC/2006, betreffend Ersatz von Ausbildungskosten nach § 20 Abs. 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand bis zu seinem Austritt aus dem Dienstverhältnis mit Wirkung vom als Berufsoffizier (Verwendungsgruppe M BO 2) in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Während dieses Dienstverhältnisses absolvierte er eine Ausbildung zum Flugverkehrsleiter, die er (nach dem angefochtenen Bescheid) am abgeschlossen hatte.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen - den erstinstanzlichen Bescheid des Kommandos Luftstreitkräfte vom , gegen den der Beschwerdeführer Berufung erhoben hatte, bestätigenden - angefochtenen Bescheid vom stellte die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 4 und 5 BDG 1979 fest, dass der Beschwerdeführer dem Bund Ausbildungskosten in der Höhe von EUR 114.630,-- zu ersetzen habe.
Begründend führte sie (soweit dies aus der Sicht der Beschwerde von Bedeutung ist) aus, der Beschwerdeführer sei - nach einer Laufbahn als Soldat im Grundwehrdienst und als Zeitsoldat sowie Militärperson auf Zeit - mit nach der Ausmusterung von der Theresianischen Militärakademie Beamter (M BO 2) und am schließlich definitiv gestellt worden. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienststand am sei er Berufsoffizier in der militärischen Flugsicherung beim (damaligen) Kommando Luftstreitkräfte gewesen. Er habe die Ausbildung zum Flugverkehrsleiter bei der "Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt GmbH" (kurz: "Austro Control GmbH") am abgeschlossen.
Die Ausbildung habe sich wie folgt zusammengesetzt:
" Gruppe II für 2003 Theoriekurse mit folgenden Inhalten:
o ATC-4 (ohne Flugsimulator und ohne Englischunterricht am Business Language Center)
o ATC-5/APP (Theorie)
o ATC-5/ACC (Theorie)
o ATC-6 (Theorie)
Gruppe II für 2004 Praxiskurse:
o Anflugkontrolle ohne Radar (APS)
Gruppe II für 2004 Praxiskurse:
o Anflug- und Flugplatzkontrolle mit Radar (RAA) Gruppe II für 2004 Militärspezifische
Ergänzungsteile
o Tauern-Sektor Übungen im Ausmaß von zwei Wochen Gruppe II für 2003 Theorie- und Praxiskurse:
o Basic Course (laut Common Core Content (EC)) o Nationaler Aufbaukurs
o FLIGHT INFORMATION CENTER Praxis (Jänner und Februar 2004),(ohne Allgemeines Funksprechzeugnis-Ausbildung)
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EUR 18.975,-- |
Gruppe II für 2004 Theoriekurse:
o Theoriekurse ATC-4, ATC-5/APP, ATC-5/ACC, ATC-6
oder
o ein vergleichbarer Theoriekurs laut Common Core Content (EC),
o welcher derzeit noch in Ausarbeitung ist.
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EUR 11.225,-- |
Gruppe II für 2005 Praxiskurse:
o Anflugkontrolle ohne Radar (APS)
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EUR 27.825,-- |
Gruppe II für 2005 Praxiskurse:
o Anflug- und Flugplatzkontrolle mit Radar (RAA)
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EUR 25.850,-- |
Gruppe II für 2005 Militärspezifische Ergänzungsteile o Tauern-Sektor Übungen im Ausmaß von zwei Wochen
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EUR 11.650,-- | |
EUR 95.525,-- | |
+ 20 % MWSt. | EUR 19.105,-- |
Gesamtsumme = | EUR 114.630,--" |
( Hervorhebungen im Original )
Dieser Betrag übersteige das Sechsfache des Gehaltsansatzes V/2 (von EUR 12.253,80). Auch habe der Beschwerdeführer seit Beendigung seiner Ausbildung zum Flugverkehrsleiter (am ) bis zum Ausscheiden aus dem Dienststand (mit Wirksamkeit vom ) noch nicht fünf Jahre Dienst versehen, sodass die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 BDG 1979 für den Ersatz der Ausbildungskosten erfüllt seien.
Eine - vom Beschwerdeführer geforderte - Aliquotierung der zu ersetzenden Ausbildungskosten nach der Dauer der auf die Ausbildung folgenden Dienstleistung in der betreffenden Verwendung sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Auch sei das Dienstverhältnis durch Austritt aufgelöst und nicht aus einem der im § 10 Abs. 4 Z. 2 und 5 BDG 1979 angeführten Gründe, die zudem auf ein "definitives Dienstverhältnis" nicht anwendbar seien, gekündigt worden. Den Erfolg der absolvierten Kurse habe auch der Beschwerdeführer nicht bestritten. Im Übrigen wäre es unerheblich, ob aus der Ausbildung im Zivilleben Vorteile gezogen werden könnten oder ob sie eine Steigerung des "Marktwertes" des Beschwerdeführers auf dem Arbeitsmarkt erbracht hätte.
Soweit der Beschwerdeführer seinen "Abschluss für eine Verwendbarkeit an der Dienststelle Militärische Flugverkehrskontrollzentrale (MCC)" per als "Teilkursabschluss" ins Treffen führe, könne dies an der Rückzahlungspflicht nichts ändern. Auch der - vom Beschwerdeführer so bezeichnete - "Teilkursabschluss" liege nämlich weniger als fünf Jahre vor seinem Austritt aus dem Dienstverhältnis. Insgesamt habe das damals gemäß § 20 Abs. 5 BDG 1979 zuständige Kommando Luftstreitkräfte somit zu Recht festgestellt, dass der Beschwerdeführer zum Rückersatz der genannten Ausbildungskosten, die die "Austro Control GmbH" dem Bund gegenüber verrechnet habe und die dem Beschwerdeführer im Zuge einer Akteneinsicht zur Kenntnis gebracht worden seien, verpflichtet sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 373/07-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften releviert.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I. Rechtslage:
Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 in der Stammfassung BGBl. Nr. 333 (BDG 1979) wird das Dienstverhältnis durch Ausfall aufgelöst.
Mit Art. I Z. 1 der BDG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 287, wurden dem § 20 BDG 1979 folgende Bestimmungen als Abs. 4 und Abs. 5 angefügt:
"(4) Ein Beamter hat dem Bund im Fall der Auflösung des Dienstverhältnisses nach Abs. 1 Z. 1 bis 5 die Ausbildungskosten zu ersetzen, wenn die Ausbildungskosten für die betreffende Verwendung am Tag der Beendigung dieser Ausbildung das Sechsfache des Gehaltes eines Beamten der Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V zuzüglich allfälliger Teuerungszulagen übersteigen. Der Ersatz der Ausbildungskosten entfällt, wenn das Dienstverhältnis mehr als fünf Jahre (bei Militärpiloten mehr als acht Jahre) nach der Beendigung der Ausbildung geendet hat oder das Dienstverhältnis aus den im § 10 Abs. 4 Z. 2 und 5 angeführten Gründen gekündigt worden ist. Bei Ermittlung der Ausbildungskosten sind
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1. | die Kosten einer Grundausbildung, |
2. | die Kosten, die dem Bund aus Anlass der Vertretung des Beamten während der Ausbildung erwachsen sind, und |
3. | die dem Beamten während der Ausbildung zugeflossenen Bezüge, mit Ausnahme der durch die Teilnahme an der Ausbildung verursachten Reisegebühren, |
nicht zu berücksichtigen. |
(5) Die dem Bund gemäß Abs. 4 zu ersetzenden Ausbildungskosten sind von der Dienstbehörde mit Bescheid festzustellen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Beamten aus dem Dienstverhältnis zuständig gewesen ist. Der Anspruch auf Ersatz der Ausbildungskosten verjährt nach drei Jahren ab der Auflösung des Dienstverhältnisses. Die §§ 13a Abs. 2 und 13b Abs. 4 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, sind sinngemäß anzuwenden."
Diese Bestimmungen sind gemäß Art. VII Abs. 1 Z. 3 der BDG-Novelle 1988 mit in Kraft getreten. Mit Art. I Z. 2 der BDG-Novelle 1989, BGBl. Nr. 346, wurde in Abs. 4 das Wort "Militärpiloten" durch das Wort "Piloten" ersetzt.
Die Regierungsvorlage zur BDG-Novelle 1988 (553 BlgNR XVII. GP 9) führte zu § 20 Abs. 4 und 5 BDG 1979 im Vorblatt Folgendes aus:
"Problem:
Bedienstete, für deren Spezialausbildung der Bund erhebliche Geldbeträge aufgewendet hat, haben in einer Reihe von Fällen bald nach Abschluss dieser Ausbildung ihr Dienstverhältnis beim Bund beendet, um ihre auf Bundeskosten erworbenen Kenntnisse in der Privatwirtschaft lukrativer zu verwerten.
Ziel:
Ersatz des für den Bund verlorenen hohen Aufwandes.
Inhalt:
Refundierung der hohen Ausbildungskosten bei freiwilligem
vorzeitigem Ausscheiden des Bediensteten.
Alternativen:
keine"
II. Beschwerdeausführungen und Erwägungen:
1.1. Der Beschwerdeführer macht Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend und bringt dazu vor, gemäß § 2 Abs. 2 DVG wäre nicht das Kommando Luftstreitkräfte, sondern die belangte Behörde zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom zuständig gewesen. Eine Übertragung der Zuständigkeit sei nicht erfolgt. Die Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz werde "durch die allenfalls rechtsrichtige Zuständigkeit der 2. Instanz nicht saniert".
1.2. Dazu ist Folgendes auszuführen:
§ 2 Abs. 2 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG idF des Art. 16 Z. 1 des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119, lautet:
"(2) Die obersten Verwaltungsorgane des Bundes sind für die Dienstrechtsangelegenheiten der der Zentralstelle angehörenden Beamten als Dienstbehörde in erster Instanz zuständig. Die den obersten Verwaltungsorganen nachgeordneten, vom jeweiligen Bundesminister durch Verordnung bezeichneten Dienststellen, die nach ihrer Organisation und personellen Besetzung zur Durchführung der Dienstrechtsangelegenheiten geeignet sind, sind innerhalb ihres Wirkungsbereiches als Dienstbehörden erster Instanz zuständig. In zweiter Instanz sind die obersten Verwaltungsorgane innerhalb ihres Wirkungsbereiches als oberste Dienstbehörde zuständig. In Dienstrechtsangelegenheiten eines Beamten, der eine unmittelbar nachgeordnete Dienstbehörde leitet oder der der obersten Dienstbehörde ununterbrochen mehr als zwei Monate zur Dienstleistung zugeteilt ist, ist jedoch die oberste Dienstbehörde in erster Instanz zuständig."
§ 1 der auf dieser Grundlage erlassenen Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung über die Regelung der Zuständigkeiten in Dienstrechtsangelegenheiten der Beamten und Vertragsbediensteten des Bundesministeriums für Landesverteidigung (Dienstrechtsverfahrens- und Personalstellenverordnung - BMLV 2002), BGBl. II Nr. 492, lautet auszugsweise:
"§ 1. Nachgeordnete Dienststellen gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz DVG (Dienstbehörden I. Instanz), die nach ihrer Organisation und personellen Besetzung zur Durchführung der Dienstrechtsangelegenheiten geeignet sind, sind:
a) das Kommando Landstreitkräfte,
b) das Kommando Luftstreitkräfte,
..."
Diese Verordnung ist gemäß ihrem § 3 Abs. 1 mit in Kraft getreten. Sie trat gemäß § 4 Abs. 2 der Dienstrechtsverfahrens- und Personalstellenverordnung - BMLV 2006, BGBl. II Nr. 290, mit Ablauf des außer Kraft.
Der Beschwerdeführer hat die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, er sei bis zu seinem Ausscheiden aus den Beamtendienst Berufsoffizier in der militärischen Flugsicherung beim (damaligen) Kommando Luftstreitkräfte (Dienststelle 3012 Kommando und Betriebsstab der Luftraumüberwachung) gewesen, nicht bekämpft.
Hieraus folgt die Zuständigkeit des Kommandos Luftstreitkräfte zur Erlassung des genannten Bescheides vom als Dienstbehörde erster Instanz im Sinne des § 20 Abs. 5 Satz 1 BDG 1979.
Soweit der Beschwerdeführer mit dem Inhalt des - die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesministers für Landesverteidigung für die Rückforderung von Ausbildungskosten nach § 20 Abs. 4 BDG 1979 darlegende - hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2001/12/0106, argumentiert, übersieht er, dass dieses zur Bestimmung des § 2 Abs. 2 DVG vor Inkrafttreten des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst 2002 iVm der DVV 1981 ergangen war. Seine Aussagen können daher auf den vorliegenden Beschwerdefall nicht angewendet werden.
2.1. In der Sache erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Unterbleiben des Ersatzes von Ausbildungskosten mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 BDG 1979 verletzt.
Er macht dazu unter anderem geltend, § 20 Abs. 4 BDG 1979 hätte "eine Aliquotierung" erfordert, weil der Bund nach Beendigung der Ausbildung die Dienstleistung des Beschwerdeführers zur Gänze nutzen konnte "und zudem eine Abschreibung der Ausbildungskosten im Sinne einer Amortisierung jedenfalls stattgefunden" habe. Die Auslegung der belangten Behörde würde dagegen "zu einem Gewinn des Bundes zu Lasten der Vermögensrechte des Beschwerdeführers" führen.
2.2. Dieser Argumentation kommt Berechtigung zu, wobei im Einzelnen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2007/12/0066, verwiesen wird. Auf das weitere Beschwerdevorbringen brauchte bei diesem Ergebnis nicht eingegangen zu werden. Der angefochtene Bescheid erweist sich nämlich schon allein von daher als inhaltlich rechtswidrig, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
3. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem nicht entgegen, weil dem Standpunkt des Beschwerdeführers ohnehin Rechnung getragen wurde und der belangten Behörde auch keine für den Beschwerdeführer nachteiligen Aussagen überbunden wurden.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil durch die mit dieser Verordnung vorgenommene Pauschalierung die Umsatzsteuer bereits abgegolten ist.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-93577