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VwGH 14.03.2016, Ra 2015/08/0184

VwGH 14.03.2016, Ra 2015/08/0184

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
VwGG §30 Abs2;
RS 1
Nichtstattgebung - Bestrafung nach dem ASVG - Der Revisionswerber bringt vor, dass mit dem Vollzug ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre, zumal "der Aufschub der Strafzahlung für den Staat weit weniger belastender ist, als für den Revisionswerber, der zur Zeit finanziell angespannt ist". Der bloße - nicht weiter substanziierte - Hinweis auf eine finanzielle Anspannung bzw. Belastung des Revisionswerbers durch die verhängte Geldstrafe (von EUR 2.180) vermag einen unverhältnismäßigen Nachteil nicht darzulegen.
Normen
VStG §25 Abs1;
VStG §25 Abs2;
VwGVG 2014 §38;
RS 1
Gemäß § 38 VwGVG gilt im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten nach § 25 Abs. 1 VStG das Amtswegigkeitsprinzip und nach § 25 Abs. 2 VStG der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit. Das Verwaltungsgericht hat daher von Amts wegen alle zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise aufzunehmen, es darf sich dabei über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2014/09/0028, und vom , Ra 2014/09/0041).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/08/0006 E RS 1
Normen
RS 2
Beweisanträgen ist grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Beweisaufnahme im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Zur Vermeidung einer antizipierenden Beweiswürdigung dürfen Beweisanträge vom Verwaltungsgericht, vor dem der Unmittelbarkeitsgrundsatz gilt (vgl. die §§ 46, 48 VwGVG), nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder ein Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - an sich nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs:

vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2014/09/0028, vom , Ra 2014/08/0064, und vom , Ra 2014/09/0041).
Normen
RS 3
Ein Dienstgeber muss - will er das Zustandekommen eines Dienstverhältnisses durch Aufnahme einer Beschäftigung ohne seine Zustimmung bzw. ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung verhindern - ein wirksames Kontrollsystem errichten bzw. entsprechende Weisungen erteilen und deren Befolgung sicherstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/08/0207). Er hat dabei zwar keine lückenlose Kontrolle zu gewährleisten, jedoch alle möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Arbeitsaufnahme gegen seinen Willen zu verhindern (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2014/08/0065).
Normen
RS 4
Der Entgeltbegriff im § 5 Abs. 2 ASVG ist im Sinn des § 49 ASVG zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/08/0161). Für den Entgeltbegriff des § 49 Abs. 1 ASVG ist der Anspruchslohn oder das höhere tatsächlich geleistete Entgelt maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/08/0162, VwSlg 15927 A/2002).
Normen
RS 5
Da § 49 Abs. 1 ASVG an den arbeitsrechtlichen Begriff anknüpft, ist unter Entgelt im Sinn der Bestimmung das Bruttoentgelt zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/08/0045). Sonderzahlungen sind dabei nicht zu berücksichtigen (vgl. § 49 Abs. 2 ASVG; Mosler in SV-Komm § 5 Rz 51).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Mag. H, vertreten durch Dr. Claus Hofmann, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-23/001-2015, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Finanzamt Lilienfeld St. Pölten; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), erhobenen außerordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt der Revision eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senats vom , VwSlg. 10.381A; uva.), hat der Revisionswerber - unabhängig vom Fehlen eines zwingenden öffentlichen Interesses - in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu konkretisieren, worin für ihn ein unverhältnismäßiger Nachteil gelegen wäre. Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es also erforderlich, dass schon im Antrag konkret darlegt wird, aus welchen Umständen sich der behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falls die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen. Der Revisionswerber hat den ihm drohenden unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteil durch nachvollziehbare Dartuung der konkreten wirtschaftlichen Folgen auf dem Boden seiner gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse darzustellen. Erst eine solche ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Ra 2015/03/0020; vom , Ra 2014/02/0052; vom , AW 2012/08/0010; uva.).

Diesen Anforderungen wird der vorliegende Aufschiebungsantrag in keiner Weise gerecht: Der Revisionswerber bringt vor, dass mit dem Vollzug ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre, zumal "der Aufschub der Strafzahlung für den Staat weit weniger belastender ist, als für den Revisionswerber, der zur Zeit finanziell angespannt ist". Der bloße - nicht weiter substanziierte - Hinweis auf eine finanzielle Anspannung bzw. Belastung des Revisionswerbers durch die verhängte Geldstrafe (von EUR 2.180) vermag einen unverhältnismäßigen Nachteil freilich nicht darzulegen. Der Revisionswerber unterlässt es, im Sinn der aufgezeigten Rechtsprechung konkret und nachvollziehbar darzutun, aus welchen Umständen - insbesondere aus welchen konkreten wirtschaftlichen Folgen im Hinblick auf seine konkreten gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse - durch einen nicht aufgeschobenen Vollzug ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Nachteil drohen sollte. Mangels ausreichender Konkretisierung kann daher eine Interessenabwägung zu Gunsten des Revisionswerbers nicht vorgenommen werden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sind nach Lage des Falls auch nicht ohne weiteres zu erkennen.

Schon aus diesen Erwägungen war daher dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des Mag. H W in Wien, vertreten durch Dr. Claus Hofmann, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-S-23/001-2015, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der (nunmehrige) Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als Dienstgeber unterlassen, den am an einem bestimmten Standort beschäftigten nach dem ASVG in der Krankenversicherung (Vollversicherung) pflichtversicherten M S vor Arbeitsantritt beim zuständigen Sozialversicherungsträger als vollversicherte Person anzumelden. Er habe hierdurch eine Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs. 1 Z 1 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG begangen und werde mit einer Geldstrafe von EUR 2.180,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 147 Stunden) zuzüglich Kosten belegt.

Die belangte Behörde führte begründend aus, nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens sei M S bei einer Kontrolle durch die mitbeteiligte Partei am am Standort arbeitend angetroffen worden. Er sei vom Revisionswerber seit dem beim zuständigen Sozialversicherungsträger als geringfügig beschäftigt gemeldet gewesen. Laut dem Strafantrag habe M S bei der Betretung angegeben, dass er tageweise bis zu zehn Stunden arbeite und im Monat EUR 378,-- verdiene. Die täglichen Arbeitszeiten und der monatliche Verdienst würden die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten, sodass von einem der Vollversicherung unterliegenden Dienstverhältnis auszugehen sei. Der Einwand, M S habe ohne Auftrag bzw. trotz Untersagung über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus gearbeitet, stelle eine bloße Schutzbehauptung dar. Der Sachverhalt sei durch die Aussage des M S vor der Finanzpolizei und den Strafantrag erwiesen, aus den beantragten Beweisaufnahmen (Vernehmung des Revisionswerbers, des M S und anderer Zeugen sowie Einholung eines Gutachtens) könnten keine weiteren Erkenntnisse gewonnen werden.

2.1. Der Revisionswerber erhob gegen das Straferkenntnis Beschwerde und machte - neben örtlicher Unzuständigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (wegen Vorliegens eines Werkvertrags und unrichtiger Strafbemessung) - insbesondere Verfahrensmängel geltend. Er führte dazu aus, die belangte Behörde habe nur eine rudimentäre und einseitige Beweisaufnahme durchgeführt, sie habe die beantragten Beweise nicht aufgenommen und dadurch eine Beweisführung verwehrt. Insbesondere wäre der Zeuge M S einzuvernehmen gewesen, der Strafantrag mit selektiv zitierten Sätzen seiner angeblichen Aussage stelle kein Beweismittel dar. Bei Aufnahme der Beweise hätte die belangte Behörde eine nur geringfügige Beschäftigung feststellen müssen. M S habe sich nämlich die Arbeitszeit selbst eingeteilt und auch Zeitausgleich genommen, sodass keine Vollzeitbeschäftigung vorgelegen sei; den Verdienst habe er gegenüber der Finanzpolizei irrig zu hoch angegeben, weil er den genauen Betrag nicht "auswendig wusste".

2.2. In der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht gab der Revisionswerber - nach Mitteilung seiner persönlichen Daten (einschließlich Sorgepflichten, Einkommens- und Vermögensverhältnisse) - an, dass er die Beschwerde aufrecht erhalte. M S sei seit dem Jahr 2011 mit Unterbrechungen auf der Baustelle tätig gewesen, im November 2012 habe er dort nicht mehr arbeiten und insbesondere keine Verputzarbeiten durchführen sollen. Der Revisionswerber begehre daher die Einvernahme des M S zum Beweis dafür, dass dieser keinen Auftrag zur Verrichtung von Arbeiten am gehabt habe.

Das Verwaltungsgericht führte - abgesehen von der Entgegennahme der (soeben dargestellten) Angaben des Revisionswerbers - in der mündlichen Verhandlung keine Beweisaufnahmen durch.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab.

3.1. Es führte im Wesentlichen aus, laut der Strafanzeige sei M S am auf der Baustelle (bei der Durchführung von Verputzarbeiten an einer Mauer hinter dem Haus) im Auftrag des Revisionswerbers angetroffen worden. M S habe dabei angegeben, dass er tageweise bis zu zehn Stunden arbeite und im Monat EUR 378,-- verdiene. Aus der vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnung ergebe sich für November 2012 ein (Netto)Auszahlungsbetrag von EUR 460,45 sowie ein Bruttoentgelt von EUR 583,98. Ein Beschäftigungsverhältnis gelte dann als geringfügig, wenn das im (hier anzuwendenden) § 5 Abs. 2 Z 2 ASVG bestimmte Entgelt - nach der Rechtsprechung komme es auf den arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff und damit auf das Bruttoentgelt an - in einem Kalendermonat nicht überschritten werde. Für das Jahr 2012 habe sich das nach der angeführten Bestimmung maßgebliche monatliche Entgelt auf EUR 376,25 (gemeint: EUR 376,26) belaufen, sodass vorliegend die Geringfügigkeitsgrenze überschritten worden sei. Da M S seit dem nur geringfügig zur Sozialversicherung angemeldet gewesen sei, sei der Tatbestand des § 33 Abs. 1 ASVG erfüllt.

Zur Nichtdurchführung der beantragten Beweisaufnahmen hielt das Verwaltungsgericht fest, die Einvernahme des M S habe unterbleiben können, weil unerheblich sei, welche Arbeiten er durchgeführt habe. M S sei jedenfalls bei Verputzarbeiten angetroffen worden, ob diese zu verrichten gewesen seien, sei für die Versicherungspflicht unerheblich. Der Revisionswerber habe kein Kontrollsystem dargelegt, da er nur einmal in der Woche auf der Baustelle nachgesehen habe, er habe dadurch nicht sicherstellen können, dass Arbeiten nicht bzw. nicht an bestimmten Tagen durchgeführt würden.

Auch die sonstigen Einwendungen, wonach die belangte Behörde örtlich unzuständig und M S im Rahmen eines Werkvertrags tätig gewesen sei, seien nicht begründet. Die verhängte Strafe sei im Hinblick auf das nicht geringe Verschulden und die sonstigen Zumessungsgründe als sachgerecht zu erachten.

3.2. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen gewesen sei.

4. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung und beantragten die Zurückbzw. Abweisung der Revision.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5.1. Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit der Revision aus, das Verwaltungsgericht habe ihn in seinen grundlegenden Verfahrensrechten auf ein faires Verfahrens mit möglicher Beweisführung verletzt, indem es weder ihn noch die beantragten Zeugen einvernommen habe. Insbesondere sei die Einvernahme des zentralen Zeugen M S unterblieben, obwohl dieser im gesamten Verfahren nie einvernommen worden sei. Bei Durchführung der beantragten Einvernahmen hätte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis kommen müssen, dass eine bloß geringfügige Beschäftigung und damit eine ordnungsgemäße Anmeldung gegeben (gewesen) sei.

Ferner habe das Verwaltungsgericht die vorgelegte Lohn- und Gehaltsabrechnung zum Nachteil des Revisionswerbers aktenwidrig unrichtig gewürdigt. Daraus sei nämlich kein Bruttolohn von EUR 583,98 (das seien die Dienstgeber-Gesamtkosten), sondern von EUR 460,45 abzuleiten, worin noch Sonderzahlungen von EUR 90,45 enthalten seien, sodass von einem maßgebenden Bruttolohn von EUR 370,-- auszugehen sei, der unter der damaligen gesetzlichen Geringfügigkeitsgrenze von EUR 376,26 liege. Auch im Hinblick darauf hätte das Verwaltungsgericht von einer bloß geringfügigen Beschäftigung und daher von einer ordnungsgemäßen Anmeldung ausgehen müssen.

5.2. Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen ist, indem es auf unvertretbare Weise unter Außerachtlassung tragender Verfahrensgrundsätze einerseits dem Antrag auf Einvernahme von beantragten Beweispersonen (vor allem des zentralen Zeugen M S) nicht entsprochen hat und andererseits der vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnung für November 2012 einen nicht mit den Akten übereinstimmenden Inhalt beigemessen hat. Die Anfechtung ist aus diesen Gründen auch berechtigt.

6. Zum Unterbleiben der beantragten Einvernahmen:

6.1. Gemäß § 38 VwGVG gilt im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten nach § 25 Abs. 1 VStG das Amtswegigkeitsprinzip und nach § 25 Abs. 2 VStG der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit. Das Verwaltungsgericht hat daher alle zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise aufzunehmen, es darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2014/04/0046, und vom , Ra 2014/09/0041).

Beweisanträgen ist grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Beweisaufnahme im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Zur Vermeidung einer antizipierenden Beweiswürdigung dürfen Beweisanträge vom Verwaltungsgericht, vor dem der Unmittelbarkeitsgrundsatz gilt (vgl. die §§ 46, 48 VwGVG), nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder ein Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - an sich nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs:

vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2014/09/0028, vom , Ra 2014/08/0064, und neuerlich Ra 2014/09/0041).

6.2. Vorliegend beantragte der Revisionswerber seine eigene Einvernahme sowie jene der Zeugen (vor allem des zentralen Zeugen M S) zum Beweis dafür, dass M S nur geringfügig beschäftigt gewesen sei. Er brachte dazu - unter anderem - vor, das Entgelt habe die gesetzliche Geringfügigkeitsgrenze von monatlich EUR 376,26 nicht überschritten, der von M S gegenüber der Finanzpolizei angegebene Betrag von EUR 378,-- sei irrig zu hoch beziffert worden.

Diesem Beweisantrag wäre vom Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Notwendigkeit zur Wahrheitsfindung zu entsprechen gewesen, ging es doch um für die Entscheidung wesentliche Tatsachen (nämlich ob das zustehende Entgelt die im Gesetz vorgesehene Geringfügigkeitsgrenze überschritten hat), wobei die Beweistatsachen vorweg auch nicht als wahr zu unterstellen waren und die Beweisaufnahme zur Klärung ganz offenkundig beitragen konnte. Das Verwaltungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Einvernahme der beantragten Beweispersonen - vor allem des Revisionswerbers und des Zeugen M S, soweit erforderlich auch weiterer beantragter Zeugen - nachzuholen haben.

6.3. Soweit die Beweisaufnahme auch zum Vorbringen begehrt wurde, M S habe am (und bereits davor) ohne Auftrag bzw. trotz Untersagung gearbeitet, ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannte - eine Beweisergänzung hingegen schon aus rechtlichen Erwägungen nicht erforderlich.

Ein Dienstgeber muss - will er das Zustandekommen eines Dienstverhältnisses durch Aufnahme einer Beschäftigung ohne seine Zustimmung bzw. ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung verhindern - ein wirksames Kontrollsystem errichten bzw. entsprechende Weisungen erteilen und deren Befolgung sicherstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/08/0207). Er hat dabei zwar keine lückenlose Kontrolle zu gewährleisten, jedoch alle möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Arbeitsaufnahme gegen seinen Willen zu verhindern (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2014/08/0065).

Derartige Vorkehrungen hat der Revisionswerber freilich nicht behauptet. Nach seinem Vorbringen war er "maximal einmal in der Woche" auf der Baustelle (in Niederösterreich), im Übrigen hatte

M S den "Schlüssel (...) zum Haus" und konnte "daher unbehelligt arbeiten". Davon ausgehend stellte der Revisionswerber kein ausreichendes Kontrollsystem sicher, hätte er doch - abgesehen von (auch bei einem Wiener Wohnsitz nicht unmöglichen bzw. unzumutbaren) vermehrten Kontrollen - M S jedenfalls den Schlüssel abnehmen können, um ihm den (weiteren) Zutritt zur Liegenschaft zu verwehren und dadurch eine auftragslose unbefugte Dienstverrichtung zu unterbinden.

7. Zum Inhalt der Lohn- und Gehaltsabrechnung:

7.1. Der Entgeltbegriff im § 5 Abs. 2 ASVG ist im Sinn des § 49 ASVG zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/08/0161). Für den Entgeltbegriff des § 49 Abs. 1 ASVG ist der Anspruchslohn oder das höhere tatsächlich geleistete Entgelt maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 15927 A/2002). Da § 49 Abs. 1 ASVG an den arbeitsrechtlichen Begriff anknüpft, ist unter Entgelt im Sinn der Bestimmung das Bruttoentgelt zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/08/0045). Sonderzahlungen sind dabei nicht zu berücksichtigen (vgl. § 49 Abs. 2 ASVG; Mosler in SV-Komm § 5 Rz 51).

7.2. In der vom Revisionswerber vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnung für November 2012 ist ein maßgebender (Brutto)Auszahlungsbetrag von EUR 460,45 ausgewiesen, worin jedoch eine Sonderzahlung von EUR 90,45 enthalten ist. Zieht man diese - nach dem oben Gesagten nicht zu berücksichtigende - Sonderzahlung ab, so verbleibt ein maßgebender Bruttolohn (zugleich ausgewiesener Nettolohn) von lediglich EUR 370,--. Der weitere angeführte Betrag von EUR 583,98 steht - wie in der Abrechnung ausdrücklich festgehalten ist - für "Dienstgeber-Gesamtkosten (incl. Lohn-Nebenkosten)" und entspricht daher nicht dem Entgeltbegriff im Sinn der §§ 5 Abs. 2 und 49 Abs. 1 ASVG.

Demnach ist im Hinblick auf die Lohn- und Gehaltsabrechnung für November 2012 - bei deren aktenkonformer Würdigung - von einem Bruttolohn von lediglich EUR 370,-- auszugehen. Ein solches Entgelt liegt jedoch unter der gesetzlichen Geringfügigkeitsgrenze von EUR 376,26.

7.3. Ob - letztlich - von einem unter der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Entgelt (wofür die Lohn- und Gehaltsabrechnung für November 2012 spricht) oder von einem höheren tatsächlich geleisteten Entgelt (wie es M S gegenüber der Finanzpolizei angegeben haben soll und wie es auch aus einer Zahlungsempfangsbestätigung vom auf der Lohn- und Gehaltsabrechnung für Oktober 2012 hervorzugehen scheint) auszugehen ist, wird erst nach Durchführung der ergänzenden Beweisaufnahmen beurteilt werden können.

8. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (§ 42 Abs. 2 Z 3 VwGG) aufzuheben.

9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Norm
VwGG §30 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015080184.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAE-93576