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VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0319

VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0319

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. E1/4657/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, reiste am illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen wurde. Unter einem wurde gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch zulässig sei. Der Berufung des Beschwerdeführers gab der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom keine Folge; die Behandlung der gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2008/20/0209, abgelehnt.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte sie zusammengefasst aus, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit dem Abschluss seines Asylverfahrens nicht mehr rechtmäßig sei. Er könne daher nach § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG entgegenstehe.

Der seit in Österreich aufhältige Beschwerdeführer habe von bis Leistungen aus der Grundversorgung bezogen; seit arbeite er als Küchengehilfe. In Österreich lebten keine seiner Angehörigen, während sich in Bangladesch seine Mutter und sechs Geschwister befänden. Von März bis Juni 2003 und von Dezember 2005 bis März 2006 habe er jeweils einen Deutschkurs besucht. Es sei daher davon auszugehen, dass durch die Ausweisung in das "Privat- und Familienleben" des Beschwerdeführers eingegriffen werde, wobei zu seinen Gunsten sein Aufenthalt in Österreich seit beinahe sechseinhalb Jahren und die Ausübung einer Beschäftigung auf Grund einer befristeten Arbeitserlaubnis seit drei Jahren zu berücksichtigen sei. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Bedrohung in seinem Heimatstaat sei für die Rechtmäßigkeit einer Ausweisung ohne Bedeutung, sei diese Frage doch in einem Verfahren nach § 51 FPG, bei der Entscheidung über die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG oder bei der Erteilung eines Abschiebungsaufschubs gemäß § 46 Abs. 3 FPG zu prüfen. Auch die Möglichkeit zur Beantragung eines humanitären Aufenthaltstitels gewähre keinen Rechtsanspruch auf einen Verbleib im Inland und führe zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung.

Rechtlich kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften erheblich beeinträchtigt habe. Die aus seinem Aufenthalt ableitbare Integration sei dadurch maßgeblich relativiert, dass sie auf einen letztlich unbegründeten Asylantrag zurückzuführen sei. Auch unter Berücksichtigung seines Interesses an einem Verbleib in Österreich und der integrationsbegründenden Umstände sei die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele daher dringend geboten und somit zulässig. Die vorliegenden, das Privatleben des Beschwerdeführers betreffenden Umstände reichten auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK oder des Ermessens von einer Ausweisung Abstand hätte genommen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich um die zu diesem Zeitpunkt (März 2009) geltende Fassung.

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig wurde das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig negativ beendet und ihm auch kein Aufenthaltstitel erteilt. Die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, erweist sich daher nicht als rechtswidrig.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.2.) - § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und auf die Intensität der familiären Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Die Beschwerde wendet sich in erster Linie gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung und deren Ermessensübung und bringt dazu vor, dass "starke Argumente für eine umfassende Integration" des Beschwerdeführers vorliegen würden. Er sei "niemals rechtskräftig bestraft" worden und habe während seines sechs Jahre dauernden legalen Aufenthalts in Österreich "entsprechend starke Anknüpfungspunkte" herstellen können. Wegen der Aufenthaltsdauer und seiner Beschäftigung seit "rund fünf Jahren" liege ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK vor.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf. Abgesehen davon, dass das legale Beschäftigungsverhältnis nach den unbekämpften Feststellungen im angefochtenen Bescheid bis zu dessen Erlassung erst drei Jahre und zwei Monate gedauert hat, hätte die belangte Behörde aus den genannten Umständen - auch angesichts der noch nicht besonders langen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet von etwas mehr als sechs Jahren - aber nicht ableiten müssen, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers aus Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig und daher unzulässig sei. Auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte strafrechtliche Unbescholtenheit reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, dass der weitere Verbleib des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von der belangten Behörde hätte akzeptiert und von einer Ausweisung Abstand genommen werden müssen.

Die belangte Behörde, die angesichts der aufgezeigten Umstände ohnedies von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ausging, hat nämlich auch zu Recht darauf hingewiesen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0253, mwN). Dieses öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seine illegale Einreise in das Bundesgebiet beeinträchtigt. Bei der Bewertung des privaten Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde zudem berücksichtigen, dass er (zumindest seit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom ) auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich verbleiben können. Davon ausgehend wurde das Gewicht der erlangten Integration zutreffend als gemindert angesehen. Zuletzt hielt sich der Beschwerdeführer überdies bereits viele Monate ohne Aufenthaltstitel und damit unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des begehrten Betrages - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am