VwGH vom 12.09.2012, 2011/23/0315
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/94.083/2009, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein 1988 geborener serbischer Staatsangehöriger, gelangte im Dezember 1999 mit seiner Mutter illegal nach Österreich. Seit verfügt er über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung "Familiengemeinschaft mit Österreicher".
Mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB sowie wegen der Verbrechen des schweren Einbruchsdiebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB und des schweren Raubes als Bestimmungstäter nach den §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB zu einer - vom Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom dahingehend abgeänderten - (unbedingten) Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer, ein leitender Angestellter eines Einzelhandelsunternehmens, gemeinsam mit zwei Mittätern am einen Raub in einer Supermarktfiliale seines Arbeitgebers vorgetäuscht hatte. Dazu wurden die Einnahmen dieses Tages in der Höhe von EUR 6.100,-- von dem an der Tat beteiligten stellvertretenden Leiter dieser Filiale nicht in den Tresor gelegt sowie eine Kassenlade mit der Tageslosung vom Vortag in der Höhe von EUR 6.800,-- aus dem Tresor gerissen und die gestohlenen Bargeldbeträge unter den Mittätern aufgeteilt. Weiters hatte er mit einem Mittäter Mitte des Jahres 2007 in mehreren Angriffen diverse Spirituosen, ohne diese zu bezahlen, nach Dienstschluss aus dem Geschäftslokal gebracht und anschließend um den halben Kaufpreis (auf eigene Rechnung) verkauft. Letztlich wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, Anfang September 2007 mit einem Mitangeklagten zwei weitere Täter dazu bestimmt zu haben, einen schweren Raubüberfall auf die eigene Supermarktfiliale durchzuführen. Bei diesem Raub am wurde einer nicht eingeweihten Angestellten Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, sie anschließend ins Kühlhaus des Geschäftslokals gezerrt und dort mit Klebeband gefesselt. Bei dieser Tat wurden über EUR 12.200,-- erbeutet.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Sie begründete diese Maßnahme mit der eingangs dargestellten rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers, der auf Grund der Ehe seiner Mutter mit einem österreichischen Staatsbürger über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfüge. Die belangte Behörde erachtete auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG für erfüllt. Da das Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit schon in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität in höchstem Maße gefährde, erweise sich (auch) die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt.
Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer ledig und ohne Sorgepflichten sei. Wegen seines etwa neunjährigen inländischen Aufenthalts und seines gemeinsamen Haushalts mit seiner Mutter sei mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dennoch sei diese aufenthaltsbeendende Maßnahme zulässig, habe er doch keinerlei Bedenken gehabt, mehrmals in das Eigentum seines Arbeitgebers einzugreifen, wobei der zuletzt begangene schwere Raub die von ihm ausgehende große Gefahr zusätzlich verdeutliche. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei daher zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz fremden Vermögens, als dringend geboten zu erachten. Eine Verhaltensprognose könne schon deshalb nicht positiv ausfallen, weil der Beschwerdeführer immer wieder in das Eigentum seines Arbeitsgebers eingegriffen habe. Der Beschwerdeführer - so führte die belangte Behörde weiter aus - könne sich auch nicht mit Erfolg auf eine berufliche Integration berufen. Er habe nicht nur eine begonnene Lehre alsbald abgebrochen, sondern seinen ehemaligen Arbeitgeber auch auf besonders verwerfliche Weise am Vermögen geschädigt. "Die Bindung zu seiner Mutter erfahre durch seine Volljährigkeit jedenfalls eine nicht unbeträchtliche Relativierung." Bei einer Gesamtbetrachtung müssten daher die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten. Die Trennung von seiner krebskranken Mutter müsse wegen des massiven Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und der dadurch berührten öffentlichen Interessen in Kauf genommen werden. Die Auswirkung des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Mutter werde schon dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer auch während der Verbüßung seiner Strafhaft nicht in der Lage sei, sich um seine Mutter zu kümmern.
Abschließend verneinte die belangte Behörde angesichts der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr die Möglichkeit einer Ermessensübung zu seinen Gunsten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (März 2009) geltende Fassung des genannten Gesetzes.
Ausgehend von der im angefochtenen Bescheid dargestellten und vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung ist der von der belangten Behörde herangezogene Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG unzweifelhaft erfüllt.
Der Beschwerdeführer wendet jedoch gegen die Gefährdungsprognose ein, dass er sich vor der Polizei und in der Hauptverhandlung geständig verantwortet und damit wesentlich zur Aufklärung der Straftat beigetragen habe. Aus diesem Grund sei in erster Instanz auch lediglich eine teilbedingte Freiheitsstrafe verhängt worden. Ebenfalls stehe das strafbare Verhalten in einem krassen Widerspruch zu seinem Verhalten vor dieser Tat.
Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass nach der Aktenlage zwar Anhaltspunkte bestehen, dass dem Beschwerdeführer die Rechtsstellung eines "langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen" zukam, gegen den eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur bei Vorliegen der im § 56 FPG genannten Voraussetzungen zulässig ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603). Selbst wenn dies so wäre, wurde der Beschwerdeführer durch die Beurteilung der belangten Behörde ausschließlich nach § 60 FPG aber fallbezogen nicht in Rechten verletzt, weil in Anbetracht der gegen ihn ergangenen Verurteilung und des dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Verhaltens jedenfalls auch das Vorliegen der in § 56 FPG umschriebenen Gefährdung zu bejahen war.
Dem Beschwerdevorbringen ist weiters zu entgegnen, dass eine (mildere) strafgerichtliche Verurteilung durch eine Unterinstanz und die dazu führenden Gründe im Fall der Abänderung des Urteils durch das im Instanzenzug übergeordnete Gericht jedenfalls nicht maßgeblich ist. Die letztlich - trotz Berücksichtigung des Geständnisses als Milderungsgrund - rechtskräftig ausgesprochene unbedingte Freiheitsstrafe von 36 Monaten stellt aber keineswegs eine besonders milde Bestrafung dar, wurden dem Beschwerdeführer nach dem Strafurteil doch die Urheberschaft bzw. führende Beteiligung und die Verführung von Mitangeklagten zu den Straftaten als erschwerend angelastet. Allein im Hinblick auf das Geständnis kann jedenfalls noch nicht angenommen werden, dass vom Beschwerdeführer keine Gefahr für die öffentlichen Interessen mehr ausgehe. Zu Recht verwies die belangte Behörde überdies darauf, dass der Beschwerdeführer - über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr mit steigender Intensität und krimineller Energie - immer wieder in das Vermögen seines Arbeitgebers eingegriffen habe. Schon deshalb kann keineswegs davon gesprochen werden, dass das zur Verurteilung führende Verhalten des Beschwerdeführers in einem krassen Widerspruch zu seinem sonstigen Handeln stehen würde.
Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang schließlich vorbringt, dass der Beschwerdeführer nunmehr eine unbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von 36 Monaten verbüße und allein dadurch sichergestellt sei, dass ihm das Unrecht seiner Taten "dringlichst vor Augen geführt" werde, ist darauf zunächst zu erwidern, dass unter dem Blickwinkel des hier maßgeblichen Fremdenrechts ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters in erster Linie daran zu messen ist, innerhalb welchen Zeitraums er sich nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0255, mwN). Im gegenständlichen Fall befand sich der Beschwerdeführer bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch in Strafhaft, sodass von einem Wohlverhalten in Freiheit nicht gesprochen werden kann. Der Beschwerdeführer stellt aber auch keine konkreten Umstände dar, weshalb in Zukunft keine Gefahr mehr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit von ihm ausgehen sollte. So beging er trotz des aufrechten Beschäftigungsverhältnisses und seines regelmäßigen Arbeitseinkommens gemeinsam mit von ihm dazu angestifteten Mittätern Vermögensdelikte, die teilweise mit Gewalt verbunden waren.
Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots, mit dem in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen würde, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Es darf jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
Die Beschwerde führt in diesem Zusammenhang aus, dass der Beschwerdeführer in Österreich "äußerst integriert" sei und ihm eine berufliche Integration nicht allein deshalb abgesprochen werden könne, weil er vor seiner Anstellung bei dem erwähnten Einzelhandelsunternehmen seine Kfz-Technikerlehre abgebrochen habe. Er habe vor seiner Verurteilung eine steile Karriere begonnen, weil er es im März 2007 bis zum Filialleiter-Stellvertreter gebracht habe.
Mit diesem Vorbringen werden keine Umstände aufgezeigt, auf welche die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid noch nicht ausreichend Bedacht genommen hätte. Auch die vorgebrachte soziale und berufliche Integration vermag aber keine Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung darzustellen. Im Hinblick auf das überaus große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten der vorliegenden Art erweist sich die Ansicht der belangten Behörde, dass das verhängte Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei und die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet die gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht überwiegen würden, nicht als rechtswidrig. Die Beschwerde zeigt schließlich auch keine Gründe auf, wonach das Ermessen durch die belangte Behörde nicht in gesetzmäßiger Weise ausgeübt worden wäre.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am