VwGH vom 13.09.2012, 2011/23/0314
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/29A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/121.242/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste am illegal nach Österreich ein. Sein in der Folge eingebrachter Asylantrag vom wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen. Am heiratete er die österreichische Staatsbürgerin G, zog die Berufung im Asylverfahren zurück und beantragte - unter Berufung auf diese Ehe - die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG". Dieser Aufenthaltstitel wurde dem Beschwerdeführer am erstmals erteilt und in der Folge verlängert. Über den weiteren Verlängerungsantrag vom wurde nicht mehr entschieden.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wegen Eingehens einer so genannten "Aufenthaltsehe" ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend stellte die belangte Behörde zunächst die Verfahrensergebnisse dar, wonach - zusammengefasst - bei einer ersten Erhebung an der Adresse der ehelichen Wohnung am niemand habe angetroffen werden können. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten, sodass dem Beschwerdeführer der beantragte Aufenthaltstitel erteilt und in der Folge verlängert worden sei.
Nach einem weiteren Erhebungsbericht vom sei mit Sicherheit kein gemeinsamer Wohnsitz und keine aufrechte Ehegemeinschaft gegeben und auch für die Vergangenheit nicht anzunehmen gewesen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers gehe der Prostitution nach und weise - mit ihrer Tochter - einen Nebenwohnsitz gemeinsam mit F in Mistelbach auf. In der Ehewohnung sei seit eine als Prostituierte registrierte rumänische Staatsangehörige gemeldet. Der Betreiber des Bordells, für den G arbeite, habe nach diesem Bericht angegeben, dass sie ihm nie etwas von einer Heirat erzählt habe. Er wisse jedoch, dass sie einen österreichischen Freund habe, bei dem sie seit etwa drei Monaten ständig in Mistelbach wohne. Sie habe ihm auch erzählt, dass sie die Wohnung in Wien vor kurzer Zeit zurückgegeben habe. Bei der Hauserhebung am sei in der "Ehewohnung" die erwähnte Prostituierte aus Rumänien angetroffen worden. Diese habe angegeben, dass in der Wohnung ihre Freundin D wohne, die derzeit in Rumänien sei, sodass sie ihr die Wohnung vorläufig zur Verfügung gestellt habe. Sie wohne in dieser Wohnung alleine. Es seien auch keine Gegenstände vorgefunden worden, die auf eine Benutzung der Wohnung durch einen Mann hingewiesen hätten.
Die belangte Behörde stellte in der Folge Widersprüche dar, die bei der getrennt voneinander vorgenommenen Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau am hervorgekommen seien und näher genannte Umstände betrafen.
Nach nochmaligem Hinweis auf die Folgen einer falschen Zeugenaussage habe G schließlich niederschriftlich angegeben, dass ein Bekannter namens M, den sie im Bordell kennengelernt habe, die Ehe eingefädelt habe. Von ihm habe sie EUR 1.000,-- für die Eheschließung mit dem Beschwerdeführer bekommen. Nähere Angaben zu ihm könne sie nicht machen. Der Beschwerdeführer sei nur zum Schein in der Ehewohnung gemeldet gewesen und habe nur kurzfristig einen Schlüssel für diese gehabt. Derzeit wohne sie bei ihrem Freund in Mistelbach. Mit dem Beschwerdeführer habe sie nie eine geschlechtliche Beziehung gehabt. Als die Polizei im März 2007 bei ihr in der Wohnung gewesen sei, sei der Beschwerdeführer rein zufällig vorbeigekommen, um sich die Post abzuholen. Er sei überhaupt nur in der Wohnung gewesen, um sich die Post abzuholen. Am Tag vor der Einvernahme bei der Fremdenpolizei habe sie den Beschwerdeführer kurz getroffen, um über den folgenden Tag zu sprechen. Zur Einvernahme sei man nicht gemeinsam von der Ehewohnung weggefahren; sie sei von Mistelbach gekommen und habe den Beschwerdeführer erst vor dem Amt getroffen.
In seiner Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer angegeben, über zahlreiche Familienangehörige in Österreich zu verfügen und jeglichen Kontakt zu seiner Heimat verloren zu haben. Er gehe einer Beschäftigung nach und sei derzeit auf Wohnungssuche. Mit seiner Ehefrau führe er keinen gemeinsamen Haushalt, weil sie ihn aus der gemeinsamen Wohnung hinausgeworfen habe, nachdem sie einen anderen Mann kennengelernt habe. In seiner mit Schriftsatz vom erstatteten Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer hingegen noch ausgeführt, dass sich seine Ehefrau an ihm zu rächen versuche, weil er sie gegen ihren Willen verlassen habe. Es habe sich um eine Liebesheirat gehandelt. Bei Bekanntwerden der Männerbekanntschaften habe er sie verlassen.
Die belangte Behörde kam auf Grund dieser Verfahrensergebnisse zur Feststellung, dass der Beschwerdeführer die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen habe, um problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Er habe die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung des Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, ohne mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die ständig wechselnde Verantwortung des Beschwerdeführers ihm die Glaubwürdigkeit nehmen würde. Verstärkt werde dieser Eindruck durch die dargestellten Widersprüche in den niederschriftlichen Angaben und den Umstand, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau wesentliche, aus ihrem unmittelbaren Umfeld stammende Details nicht hätten nennen können. Hingegen werde der Aussage von G am Ende ihrer zweiten Einvernahme Glaubwürdigkeit beigemessen. Es bestehe nämlich kein Anlass an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Die österreichische Gattin des Beschwerdeführers könne weder aus dem Fortbestand der Ehe noch aus einer allfälligen Scheidung oder Nichtigerklärung Nutzen ziehen. Der Beschwerdeführer habe hingegen ein massives Interesse, das Eingehen einer so genannten Scheinehe zu dementieren. Schließlich sichere ihm die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin das weitere Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet und den freien Zugang zum Arbeitsmarkt.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte eine schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbots rechtfertige. Die Voraussetzungen hiefür seien damit im Grunde des § 87 iVm § 86 FPG gegeben.
Angesichts der Umstände sei zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das "Privat- und Familienleben" des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens sowie zur Verhinderung von Aufenthaltsehen, dringend geboten sei. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei daher auch iSd § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Dies gelte auch nach der gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotenen Interessenabwägung. So werde die durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe wesentlich gemindert. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet würden daher keinesfalls schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Mangels besonderer, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sei auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (März 2009) geltende Fassung.
Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin ist die Erlassung des Aufenthaltsverbots gemäß § 86 Abs. 1 FPG (iVm § 87 FPG) nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn ein Fremder iSd § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0187, mwN).
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die in diesem Sinn vorgenommene Beurteilung der belangten Behörde, sondern in erster Linie gegen ihre Beweiswürdigung. Soweit die Beschwerde dabei jedoch zunächst die Erhebungsergebnisse aus dem Jahr 2004 als zu vage rügt, übersieht sie offenbar, dass dem Beschwerdeführer nach diesen Ermittlungen ohnedies noch Aufenthaltstitel erteilt wurden. Den Beschwerdeausführungen in diesem Zusammenhang mangelt es daher bereits an Relevanz.
Der Beschwerdeführer argumentiert weiters damit, gegen das Vorliegen einer Scheinehe spreche, dass er im März 2007 - und damit drei Jahre nach Eheschließung - zur Ehewohnung gekommen sei, als gerade eine Polizeiintervention stattgefunden habe. Mit diesem Vorbringen wird jedoch keine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufgezeigt, setzt es sich doch in keiner Weise mit den diesbezüglichen Angaben von G auseinander, wonach der Beschwerdeführer bloß deshalb zufällig zur Ehewohnung gekommen sei, um sich seine Post zu holen. Auch mit der Behauptung, dass der Beschwerdeführer stets gleich ausgesagt habe, während seine Ehefrau erst zu Ende ihrer letzten Einvernahme eine Scheinehe eingestanden habe, wird keine Mangelhaftigkeit der behördlichen Beweiswürdigung dargetan. So gab der Beschwerdeführer nach den mit der Aktenlage in Einklang stehenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid in seiner Stellungnahme an, von seiner Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung hinausgeworfen worden zu sein, nachdem diese einen anderen Mann kennengelernt habe. In seiner Berufung hatte er hingegen noch ausgeführt, dass seine Ehefrau sich mit ihrer Aussage bei ihm habe rächen wollen, weil er sie gegen ihren Willen verlassen habe. Auf diesen, von der belangten Behörde aufgezeigten Widerspruch geht der Beschwerdeführer überhaupt nicht ein. Die Ausführungen, dass die Angaben zur Anbahnung der Eheschließung durch die Ehefrau lebensfremd wären, vermögen Bedenken an der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Beweiswürdigung nicht zu erwecken, zeigt doch auch die Beschwerde keine Umstände auf, aus denen die belangte Behörde ein gemeinsames Familienleben hätte ableiten müssen. Die Beschwerde setzt sich aber auch in keiner Weise mit den im angefochtenen Bescheid aufgezeigten Widersprüchen zwischen den Angaben der Ehepartner auseinander, sodass insgesamt eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung nicht aufgezeigt wird. Diese begegnet somit im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg. Nr. 11.894 A/1985) keinen Bedenken.
Die von der Beschwerde weiters ins Treffen geführte Verletzung des Parteiengehörs liegt nicht vor, wurden dem Beschwerdeführer doch die Niederschriften der Einvernahmen mit der Aufforderung zur Äußerung übermittelt. Der Beschwerdeführer gab dazu auch eine Stellungnahme ab. Die - bloß indirekt wiedergegebenen - Angaben des Betreibers jenes Lokals, in dem G arbeitete, waren - wie die Beschwerde selbst einräumt - bereits im erstinstanzlichen Bescheid enthalten. Dem Beschwerdeführer wurde daher ausreichend Gelegenheit eingeräumt, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen. Die Beschwerde legt aber auch nicht dar, was der Beschwerdeführer weiters vorgebracht hätte, wenn ihm von der belangten Behörde abermals Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben worden wäre. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird somit ebenfalls nicht dargetan.
Wenn die belangte Behörde somit auf Grund ihrer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung und eines von relevanten Mängeln freien Verwaltungsverfahrens zum Ergebnis gelangte, dass der Beschwerdeführer eine Ehe geschlossen und sich zur Erteilung der Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen habe, obwohl ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK mit der Ehegattin nie geführt worden sei, erweist sich dies nicht als rechtswidrig. Auf Basis dieser Feststellungen durfte die belangte Behörde - wie dargestellt - davon ausgehen, dass die Gefährdungsannahme iSd § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei.
Es ist aber auch die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die von der Beschwerde aufgezeigten Umstände wurden von der belangten Behörde bereits ausreichend berücksichtigt, weshalb sie auch von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das "Privat- und Familienleben" des Beschwerdeführers ausging. Da die vom Beschwerdeführer erlangten Aspekte einer Integration jedoch dadurch zu relativieren sind, dass sie im Wesentlichen auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen sind, ist es nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem von ihm erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Die Beschwerde zeigt auch keine konkreten Umstände auf, weshalb dem Beschwerdeführer eine Wiedereingliederung in seinem Heimatstaat nicht möglich sein sollte.
Gründe, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre, sind nicht ersichtlich.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-93528