VwGH vom 29.10.2015, Ra 2015/08/0126
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision der Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W156 2005251- 1/4E, betreffend Zurückverweisung in einer Angelegenheit der Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Binstitut W, 2. Mag.a G Sch,
3. Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben. Das Kostenersatzbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit (Ersatz)Bescheid vom stellte die revisionswerbende Gebietskrankenkasse fest, dass die Zweitmitbeteiligte auf Grund ihrer Tätigkeit für die erstmitbeteiligte Partei in der Zeit vom bis und vom bis gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 Abs. 2 ASVG in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sei.
Die Zweitmitbeteiligte sei von der erstmitbeteiligten Partei als freie Dienstnehmerin zur Sozialversicherung gemeldet worden. Sie habe die Aufgabe gehabt, Kurse "Deutsch für AnfängerInnen und Fortgeschrittene" für das Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) durchzuführen. Ihr sei zu Beginn für die Unterrichtstätigkeit ein Raum zur Verfügung gestellt worden. Sie sei pro Unterrichtseinheit mit EUR 23,-- brutto entlohnt worden. Es habe persönliche Arbeitspflicht bestanden. Die Beschäftigung habe vom bis gedauert. In diesem Zeitraum habe sie keinen Urlaub konsumiert. Vom 27. Mai bis zum sowie vom 29. September bis zum sei sie im Krankenstand gewesen. In dieser Zeit habe das Dienstverhältnis weiter bestanden.
In rechtlicher Hinsicht führte die revisionswerbende Gebietskrankenkasse zur Frage der Einbindung der Zweitmitbeteiligten in die Organisation der Dienstgeberin insbesondere aus, dass die in den Ausschreibungen definierten Anforderungsprofile für die Abhaltung der Kurse den TrainerInnen keinen Freiraum zur individuellen Gestaltung des Kursablaufes ließen. Die im Berichtswesen angeführte detaillierte Tagesplanung sowie die wöchentliche Berichterstattung über die Fortschritte der Kursteilnehmer würden eine organisatorische Eingliederung der Trainer in die betrieblichen Abläufe des Dienstgebers zwingend voraussetzen. Sämtliche Betriebsmittel würden in der Regel vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt. Die Trainer unterlägen der "stillen Autorität" des Dienstgebers. Eine eigenständige Gestaltung des Arbeitsablaufes und der Arbeitsfolge sei nahezu ausgeschlossen. Mittels Feedback-Bögen bzw. Standardprüfungs-Fragebögen werde kontrolliert, ob die Vermittlung der Kursinhalte entsprechend den Vorgaben des AMS erfolgt sei. Ebenso würden vom AMS unangekündigte Kontrollen der Tätigkeit der Trainer durchgeführt und dokumentiert. Die Merkmale der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit würden überwiegen.
Die Zweitmitbeteiligte sei von Montag bis Freitag beschäftigt gewesen. Sie habe keinen Urlaub konsumiert. Im August 2009 habe sie ihre Tätigkeit auf Grund von Arbeitsmangel nicht ausgeübt. Für sie habe das erste Dienstverhältnis vom bis zum einen Anspruch für 14 Urlaubstage erbracht, wodurch sich dieses Dienstverhältnis bis verlängert habe. Für das zweite Dienstverhältnis vom 7. Jänner bis zum , dessen Dauer sich aus den vorgelegten Vereinbarungen ergebe, habe eine Urlaubsersatzleistung im Ausmaß von 24 Tagen bestanden, wodurch sich das Dienstverhältnis bis verlängert habe. Für Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit vom 27. Mai bis und vom bis "" (gemeint wohl: ) habe die Zweitmitbeteiligte Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das Dienstverhältnis sei in diesen Zeiträumen weiterhin aufrecht gewesen.
2. Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat das Verwaltungsgericht mit dem in Revision gezogenen Beschluss den bekämpften Bescheid (bereits zum zweiten Mal) behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur ergänzenden Feststellung des Sachverhalts und Erlassung eines neuen Bescheides an die revisionswerbende Gebietskrankenkasse zurückverwiesen. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht führt unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/09/0166, aus, die revisionswerbende Gebietskrankenkasse habe den in diesem Erkenntnis beschriebenen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Entscheidung nicht entsprochen. Im Bescheid finde sich keine Begründung, weshalb das Dienstverhältnis auf zwei Zeiträume unterteilt sei. Hinsichtlich der angenommenen Urlaubstage könne nicht nachvollzogen werden, für welchen Zeitraum und wie die genannten Urlaubstage berechnet worden seien. Eine Berechnung durch das Verwaltungsgericht sei
"auf Grund nicht durchgeführter Ermittlungen nicht möglich". Es hätte zumindest erhoben werden müssen,
"was allgemein betriebsintern zwischen dem Beschwerdeführer und Dienstnehmern des Beschwerdeführers hinsichtlich Urlaub vereinbart wurde".
Auch zur Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit seien keine Ermittlungen vorgenommen worden. Es sei mangels Ermittlungen nicht ersichtlich,
"ob der Beschwerdeführer die Vorlage einer ärztlichen Bestätigung verlangt hat sowie ob und wann eine korrekte Krankmeldung an den Beschwerdeführer erfolgte, was für den Entgeltfortzahlungsanspruch während dieser Zeit von Belang ist."
Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse habe sich "außerdem zu keinem Zeitpunkt mit der Thematik von
Kettenarbeitsverträgen und dem damit zusammenhängenden möglichen Vorliegen eines unbefristeten Dienstverhältnisses sowie einer allfälligen Kündigungsentschädigung befasst".
Die Ermittlungsschritte der revisionswebenden Gebietskrankenkasse seien unzureichend. Eine Vornahme von Ermittlungen und Feststellungen durch das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG verbiete sich
"unter Berücksichtigung von Effizienzgesichtspunkten, zumal diese Ermittlungen grundsätzlich von der Wiener Gebietskrankenkasse durchzuführen sind und nicht ansatzweise durchgeführt wurden. So müsste das Bundesverwaltungsgericht eine Verhandlung anberaumen, um die Zeugen einzuvernehmen. Die Wiener Gebietskrankenkasse kann hiebei das Verfahren wesentlich kostengünstiger und rascher durchführen; dies auch vor dem Hintergrund, dass es sich im gegenständlichen Verfahren um ein Mehrparteienverfahren handelt, das erstinstanzliche Verfahren jedoch ein Ein-Parteienverfahren ist."
3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision der Gebietskrankenkasse. Die erstmitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung abgesehen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
1. In Anbetracht der (oben zusammengefasst wiedergegebenen) ausreichenden Feststellungen der revisionswerbenden Gebietskrankenkasse lagen dem Verwaltungsgericht brauchbare Ermittlungsergebnisse vor, die von ihm allenfalls zu vervollständigen gewesen wären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/08/0012, mwN). Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden ist unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung zur Tätigkeit von Vortragenden (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/08/0045) und der materiell-rechtlichen Verteilung der Mitwirkungspflichten der Parteien eines Verfahrens zunächst mit diesen zu erörtern, welche rechtlich relevanten tatsächlichen Umstände strittig sind bzw. bleiben. Daran hat sich ein auf die (rechtlich) relevanten Fragen konzentriertes Ermittlungsverfahren anzuschließen, das insbesondere die Vernehmung von Parteien bzw. Zeugen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht umfasst. Sodann ist ein Erkenntnis zu fällen, das den Anforderungen des vom Verwaltungsgericht selbst zitierten hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2013/09/0166, gerecht wird.
2. Der angefochtene Beschluss war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
3. Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse hat keinen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen, weil sie selbst Rechtsträgerin iSd § 47 Abs. 5 VwGG ist.
Wien, am