VwGH vom 26.04.2012, 2009/15/0139

VwGH vom 26.04.2012, 2009/15/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0183-I/09, betreffend Investitionszuwachsprämie 2003 (mitbeteiligte Partei: T GmbH in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei unterhält einen größeren Fuhrpark mit mehreren Sattelzugmaschinen. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die von der mitbeteiligten Partei geltend gemachte Investitionszuwachsprämie (IZP) gemäß § 108e EStG 1988 vom geltend gemachten Betrag abweichend fest.

Nach einer Außenprüfung erging mit Ausfertigungsdatum vom ein weiterer, auf § 295a BAO gestützter Bescheid, mit dem die IZP gemäß § 108e EStG 1988 (nochmals) niedriger festgesetzt wurde. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter zum langfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt sein müssten. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten müssten daher zumindest mehr als die Hälfte der Nutzungsdauer im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) abgesetzt werden. Es sei festgestellt worden, dass einzelne Fahrzeuge vor Ablauf der Hälfte der Nutzungsdauer aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden seien und daher die IZP abzuändern sei. Das vorzeitige Ausscheiden der Wirtschaftsgüter stelle ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar, weshalb die bisherige Festsetzung der Prämie nach dieser Bestimmung abzuändern gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei am Berufung und beantragte, "den angefochtenen Bescheid aufzuheben" sowie "einen neuen Bescheid" zu erlassen, in dem der Berufung vollinhaltlich stattgegeben werde. In der (nachgereichten) Begründung wurde ausgeführt, von den prämienbegünstigten Investitionen des Jahres 2003 seien im Prüfungszeitraum zwar Anlagegüter aus dem Betriebsvermögen der GmbH ausgeschieden, bei denen die - analog zu den Vorjahren - mit vier Jahren angesetzte Nutzungsdauer zur Hälfte noch nicht verstrichen gewesen sei. In § 108e EStG 1988 befinde sich jedoch keine Bestimmung über eine Behaltedauer. Das vom Finanzamt zu Grunde gelegte Erfordernis der mindestens halben Nutzungsdauer führe bei Wirtschaftsgütern mit einer langen Nutzungsdauer (wie zB Kraftwerken, Staudämmen) zu unbrauchbaren Ergebnissen. Das Abstellen auf eine Mindestbehaltedauer sei daher nicht sachgerecht. Die Missbrauchsbestimmungen der BAO würden ausreichende Möglichkeiten bieten, unerwünschte steuerlich motivierte Gestaltungen hintanzuhalten. Anlagenabgänge aus betriebswirtschaftlichen Gründen seien jedenfalls keine dem Missbrauchstatbestand zu unterwerfenden Geschäftsfälle.

Der Großteil der Anlagenabgänge der mitbeteiligten Partei sei in den letzten Monaten der ersten Hälfte der Nutzungsdauer erfolgt. Wäre eine Mindestbehaltefrist im Gesetz verankert worden, so hätte der Unternehmer die einzelnen Fahrzeuge und Anhänger um wenige Monate länger behalten. Ein Verkauf nach 25 Monaten anstatt nach 22 Monaten würde zwar einen geringfügig niedrigeren Verkaufserlös und höhere Wartungskosten bedeuten. Der Kostennachteil wäre jedoch nie so groß, dass er den Vorteil einer steuerfreien Prämie in Höhe von 10% der Anschaffungskosten ausgleichen könnte.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den Bescheid des Finanzamtes auf.

Begründend führte sie aus, die Kürzung der IZP gemäß § 295a BAO habe 17 Sattelzugmaschinen betroffen, deren Nutzungsdauer bei der Außenprüfung von vier auf fünf Jahre erhöht worden sei und deren Zu- und Abgang sowie Nutzungsdauer in Monaten sich nach den Prüfungsfeststellungen wie folgt darstellten:


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Zugang (Monat/Jahr)
Zugang - Anzahl der WG
Abgang (Monat/Jahr)
Abgang - Anzahl der WG
Nutzung (in Monaten)
05/2003
23
01/2005
10
21
06/2003
11
01/2005
1
20
09/2003
3
01/2005
2
17
10/2003
4
08/2005
3
23
11/2003
1
01/2005
1
15

Auf Monatsbasis berechnet seien die strittigen Wirtschaftsgüter bei einer Nutzungsdauer von fünf Jahren zwischen 38,33% (23 Monate) und 25% (15 Monate) ihrer Nutzungsdauer im Betrieb verwendet und sodann an die seinerzeitige Lieferantin verkauft worden. Bezogen auf die von der mitbeteiligten Partei ursprünglich angesetzte Nutzungsdauer von vier Jahren handle es sich - auf Monatsbasis berechnet - um 47,92% bzw. 31,25% der Nutzungsdauer. Mit der seinerzeitigen Lieferantin sei teilweise vereinbart worden, dass sie die Sattelzugmaschinen nach 24 Monaten - d.h. nach der Hälfte der von der mitbeteiligten Partei angesetzten Nutzungsdauer - zu einem bestimmten Preis zurücknehme.

Eine Behaltefrist, wie sie etwa der Investitionsfreibetrag (§ 10 EStG aF) vorgesehen habe, kenne § 108e EStG 1988 nicht. Es genüge daher (von Missbrauchsfällen abgesehen), wenn das Wirtschaftsgut dem abnutzbaren Anlagevermögen eines Betriebes - objektiv nachvollziehbar - zugeführt werde, als ein solches Wirtschaftsgut in Nutzung genommen werde und der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach einer Gewinnermittlungsart ermittle, die dem Wertverzehr nach Maßgabe der Regelungen der §§ 7 und 8 EStG 1988 Rechnung trage. Die IZP sei als Anreiz für Investitionszuwächse gedacht gewesen, um die Investitionstätigkeit aus konjunkturellen Gründen "anzukurbeln".

Die prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter müssten zwar nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2005/15/0156, zum "längerfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt sein". Dies zwinge jedoch (noch) keineswegs zu der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden (Richtlinien )Ansicht. Die in dem zitierten Erkenntnis genannte Voraussetzung treffe nämlich bereits auf jegliches Anlagevermögen zu, denn die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zum Anlagevermögen setze voraus, dass ein Wirtschaftsgut dazu bestimmt sei, dem Betrieb dauernd zu dienen, wobei sich der Nutzungszeitraum erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstrecke. Es komme somit auf die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes an.

Die mitbeteiligte Partei habe für sämtliche Wirtschaftsgüter AfA für mehrere Wirtschaftsjahre in Anspruch genommen. Dabei seien die Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter bei einer von der mitbeteiligten Partei angesetzten Nutzungsdauer von vier Jahren zu 50% bzw. zu 62,5%, bei einer vom Prüfer angesetzten Nutzungsdauer von fünf Jahren immerhin noch zu 40% bzw. zu 50% abgesetzt worden:


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Zugang (Monat/ Jahr)
Abgang (Monat/ Jahr)
AfA gem. § 7 EStG in Jahres-beträgen
ds. in % der AK bei einer ND v. 4 Jahren
ds. in % der AK bei einer ND v. 5 Jahren
05/2003
01/2005
2 1/2
62,5%
50%
06/2003
01/2005
2 1/2
62,5%
50%
09/2003
01/2005
2
50%
40%
10/2003
08/2005
2 1/2
62,5%
50%
11/2003
01/2005
2
50%
40%

Der angefochtene Bescheid sei daher ersatzlos aufzuheben gewesen, wobei es keines Eingehens auf die Frage bedurft habe, ob es sich beim Ausscheiden von Wirtschaftsgütern, für die IZP bescheidmäßig festgesetzt worden sei, um ein Ereignis im Sinne des § 295a BAO handle.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde des Finanzamtes Innsbruck gemäß § 292 BAO.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 EStG 1988 sind bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Wege der AfA gleichmäßig verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzusetzen. Maßgebend für die AfA ist die objektive betriebsindividuelle Nutzungsdauer, das ist jene Zeitspanne, innerhalb derer das Wirtschaftsgut einen wirtschaftlichen Nutzen abwerfen kann und im Betrieb nutzbringend einsetzbar sein wird, also die objektive Möglichkeit der Nutzung des Wirtschaftsgutes (vgl. Quantschnigg/Schuch , Einkommensteuerhandbuch, § 7 Tz 38).

Gemäß § 108e Abs. 1 EStG 1988 kann für den Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern eine IZP von 10% geltend gemacht werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass "die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8) abgesetzt werden". Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2005/15/0156, ausgesprochen hat, ergibt sich daraus, dass Wirtschaftsgüter nur dann Anspruch auf IZP im Sinne des § 108e EStG 1988 vermitteln können, wenn sie dazu gewidmet sind, langfristig dem Betrieb als Anlagevermögen zu dienen (vgl. auch Hofstätter/Reichel , EStG § 108e Tz 3). Unter Hinweis auf Quantschnigg , ÖStZ 2003/239, hat der Verwaltungsgerichtshof dabei auch auf den Zweck der Regelung des § 108e EStG 1988 verwiesen, aus welchem sich ebenfalls ergibt, dass Wirtschaftsgüter, die in die Berechnungsgrundlage der IZP eingehen, zum längerfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt sein müssen.

Auf Grund des ausdrücklichen Verweises auf die "Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8)" in § 108e Abs. 1 letzter Satz EStG 1988 ist für die Beurteilung der Widmung zur längerfristigen Betriebszugehörigkeit des Anlagegutes das Ausmaß der AfA (nicht hingegen eine monatsweise Betrachtung des tatsächlichen betrieblichen Verbleibs) des Anlagegutes heranzuziehen. Als Indiz für die maßgebliche Widmung des Wirtschaftsgutes ist dabei die tatsächliche Abschreibung im Wege der AfA im Ausmaß von 50% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten heranzuziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0082). Bei Wirtschaftsgütern mit langer Nutzungsdauer (vgl. Schwaiger , SWK 2012, S 609 ff, Pkt. 4.2.) mag anders gelten. Im Übrigen ist ein aus den betrieblichen Erfordernissen abgeleiteter üblicher (Re )Investitionszyklus dahingehend zu berücksichtigen, dass bei Vorliegen eines solchen Zyklus im konkreten Betrieb ein mäßiges Unterschreiten des vorgenannten Ausmaßes der tatsächlichen Abschreibung im Wege der AfA noch nicht als Indiz gegen die Widmung des Wirtschaftsgutes zum längerfristigen Einsatz im Betrieb heranzuziehen ist.

Im Beschwerdefall fehlen ausreichende Feststellungen der belangten Behörde sowohl zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Sattelzugmaschinen als auch zu einem allfälligen besonderen betrieblichen (Re )Investitionszyklus. Mit der Nutzungsdauer iSd § 7 Abs. 1 EStG 1988 hat sich die belangte Behörde nicht näher auseinander gesetzt, sondern lediglich festgestellt, dass die Anschaffungskosten bei Zugrundelegung der von der mitbeteiligten Partei "analog zu den Vorjahren" angenommenen Nutzungsdauer von vier Jahren bei allen betroffenen Wirtschaftsgütern zu mindestens 50% abgesetzt worden seien und dieser Prozentsatz letztlich nur infolge der abgabenbehördlichen Zugrundelegung einer im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellten längeren Nutzungsdauer von fünf Jahren bei einigen Wirtschaftsgütern nicht mehr erreicht worden sei. Anhaltspunkte dafür, welche Nutzungsdauer den Vorgaben des § 7 Abs. 1 EStG 1988 entspricht, finden sich im angefochtenen Bescheid genauso wenig wie solche für einen im Betrieb der mitbeteiligten Partei allgemein geübten (Re )Investitionszyklus. Die belangte Behörde hat diese Feststellungen - in Verkennung der Rechtslage - unterlassen. Daher war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes zu beheben.

Im fortzusetzenden Verfahren wird sich die belangte Behörde hinsichtlich der zu Grunde zu legenden Nutzungsdauer iSd § 7 Abs. 1 EStG 1988 nicht nur mit den unterschiedlichen Annahmen der mitbeteiligten Partei einerseits und des Betriebsprüfers andererseits, sondern auch damit auseinandersetzen müssen, dass sie in dem dem hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0082, zu Grunde liegenden Fall von einer sechsjährigen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer für Sattelzugmaschinen ausgegangen ist.

Im Lichte der im Beschwerdefall festgestellten Nutzungsdauer ist sodann von der belangten Behörde für jedes einzelne Wirtschaftsgut die Widmung zu prüfen, über einen längeren Zeitraum dem Betrieb als Anlagevermögen anzugehören.

Im Übrigen weist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf hin, dass die mitbeteiligte Partei mit ihrem Lieferanten hinsichtlich einzelner Sattelzugmaschinen von vornherein vereinbart hat, dass diese Wirtschaftsgüter mit Ablauf von 24 Monaten zu einem bereits festgelegten Preis wieder zurückgekauft würden. Eine solche Vereinbarung spricht nicht dafür, dass für das betreffende Wirtschaftsgut die Voraussetzungen des § 108e EStG erfüllt sind.

Wien, am