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VwGH vom 24.11.2011, 2011/23/0302

VwGH vom 24.11.2011, 2011/23/0302

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Dr. Günter Harrich, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Margaretenstraße 91/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/107.719/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 sowie §§ 87

und 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Rückkehrverbot.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier wesentlich ihre Zuständigkeit betreffend - aus, der Beschwerdeführer habe am in Wien eine deutsche Staatsangehörige geheiratet. Da der Beschwerdeführer nach einer Mitteilung des unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom und der Aktenlage seine Ehefrau weder nach Österreich begleitet noch ihr (hierher) nachgezogen sei, ergebe sich die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über die Berufung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 FPG entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz, sofern nichts anderes bestimmt ist, im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern (Z 1) und in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz (Z 2).

Gemäß der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger u.a. der Ehegatte eines EWR-Bürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, sofern dieser Drittstaatsangehörige dem "freizügigkeitsberechtigten" EWR-Bürger, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Zur Voraussetzung des "Begleitens" oder "Nachziehens" hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom , Rs C-127/08, "Metock u.a.", klargestellt und im Beschluss vom , Rs C-5512/07, "Sahin", bekräftigt, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG dahingehend auszulegen ist, dass sich ein Drittstaatsangehöriger, der Ehepartner eines Unionsbürgers, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, ist und diesen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, auf die Bestimmungen dieser Richtlinie unabhängig davon berufen kann, wann und wo die Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist. Demzufolge haben Drittstaatsangehörige die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, eine aus dem Gemeinschaftsrecht erfließende Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet auch dann, wenn sie sich schon vor Begründung der familiären Beziehung im Bundesgebiet aufgehalten haben (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 2009/21/0379, und vom , Zl. 2008/22/0733, mwN).

Ob der Beschwerdeführer als Ehemann einer deutschen Staatsbürgerin im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen ist, hängt demnach nur mehr davon ab, ob diese ihr gemeinschaftsrechtlich begründetes Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat. Dies ist im konkreten Fall im Hinblick auf die Heirat und den gemeinsamen Wohnsitz in Österreich, den die Ehefrau des Beschwerdeführers mit diesem nach der Aktenlage begründet hatte, nicht weiter zweifelhaft.

Die belangte Behörde hat somit den Beschwerdeführer zu Unrecht nicht als begünstigten Drittstaatsangehörigen im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG angesehen. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 FPG hätte demnach über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen, die Erlassung des Rückkehrverbotes aussprechenden Bescheid der unabhängige Verwaltungssenat zu entscheiden gehabt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0031).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
GAAAE-93465