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VwGH 09.09.2015, Ra 2015/08/0076

VwGH 09.09.2015, Ra 2015/08/0076

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Die Zurückweisung der vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Beschwerde ohne Verbesserungsverfahren wegen unrichtiger Parteienbezeichnung ist als Verweigerung der Sachentscheidung zu qualifizieren, womit das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0333).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision des V B in N, vertreten durch Mag. Oliver Bosin und Mag. Thomas Frischmann, Rechtsanwälte in 6323 Bad Häring, Dorfpassage 1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG-2015/41/0147-2, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit der Übertretung des ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit einem ausweislich der Zustellverfügung an den Revisionswerber persönlich gerichteten (allerdings an die

"V. GmbH, zH Herrn (Revisionswerber)" adressierten) und vom Revisionswerber persönlich in Empfang genommenen Straferkenntnis vom wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer der V. GmbH und somit als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG mit einer Geldstrafe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) bestraft, weil die V. GmbH als Dienstgeber den in der Krankenversicherung pflichtversicherten Z.D. vom 3. Dezember bis mit Eisenverlegungsarbeiten beschäftigt, ihn jedoch (bereits) mit bei der Tiroler Gebietskrankenkasse von der Pflichtversicherung als vollversicherte Person abgemeldet hat. Die

V. GmbH wäre als Dienstgeberin verpflichtet gewesen, den Beschäftigten bis zum anzumelden. Die Meldung sei nicht in diesem Sinn erstattet worden.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Revisionswerber mit einem an die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht (im Folgenden: belangte Behörde) gerichteten Schriftsatz Beschwerde, in deren Rubrum er sich - seiner Bezeichnung durch die Strafbehörde in der genannten Adressierung folgend - als "Beschwerdeführer: V. GmbH zH GF (Revisionswerber)" bezeichnete. In den Beschwerdeausführungen brachte der Revisionswerber vor, als "Beschwerdeführer" Beschwerde zu erheben. In der Folge bezeichnete er sich als "Beschuldigter", der als Geschäftsführer der V. GmbH (zu Unrecht) bestraft worden sei.

2. Mit dem in Revision gezogenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 50 VwGVG zurück und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

Das erstinstanzliche Straferkenntnis sei dem Revisionswerber "p.A." der "V. GmbH, zH Herrn (Revisionswerber)" zugestellt worden. Gegen dieses Straferkenntnis richte sich die Beschwerde der "V. GmbH". Diese sei im Beschwerdeschriftsatz ausdrücklich als Beschwerdeführerin bezeichnet worden. Der Beschwerdeschriftsatz sei von den anwaltlichen Vertretern explizit für "V. GmbH" eingebracht worden. Der beschwerdeführenden V. GmbH fehle es in Ansehung des gegen den Revisionswerber gerichteten und ihm zugestellten Straferkenntnisses an einer Beschwerdelegitimation, zumal der Spruch dieses Straferkenntnisses keinen Haftungsausspruch gemäß § 9 Abs. 7 VStG enthalte.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision. Das Verwaltungsgericht hat die Akten vorgelegt.

Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die Beschwerde an das Verwaltungsgericht habe sich exakt an den Wortlaut des Bescheidadressaten im Straferkenntnis der belangten Behörde gehalten. Die Zurückweisung seines Rechtsmittels sei rechtsmissbräuchlich erfolgt. Eine unrichtige Parteienbezeichnung sei zudem berichtigungsfähig, wenn die Identität der Person feststehe. Aus der Adressierung und den Gründen des Straferkenntnisses könne geschlossen werden, dass der Revisionswerber als Beschuldigter gemeint gewesen sei.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Dem Straferkenntnis der belangten Behörde ist eindeutig zu entnehmen, dass es sich gegen den Revisionswerber gerichtet hat. Die Eindeutigkeit des Bescheidwillens wird auch durch die zitierte Adressierung "zH" des Revisionswerbers (die sich im Übrigen auch schon in der Aufforderung zur Rechtfertigung an den Revisionswerber vom findet) nicht berührt.

Ebenso ist der Beschwerde in Anbetracht ihres sorgfältigen Bestrebens, sich genau an die von der Erstbehörde vorgegebenen Bezeichnungen zu halten, sowie in Anbetracht ihres stets auf den Revisionswerber persönlich Bezug nehmenden Inhalts eindeutig zu entnehmen, dass sie vom Revisionswerber erhoben wurde. Sollten beim Verwaltungsgericht diesbezüglich noch Zweifel bestanden haben, so wäre es zumindest verpflichtet gewesen, gemäß dem - nach § 17 VwGVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden - § 13 Abs. 3 AVG ein Verbesserungsverfahren zur Klarstellung der Identität der beschwerdeführenden Partei einzuleiten.

Die Zurückweisung ohne Verbesserungsverfahren wegen unrichtiger Parteienbezeichnung ist als Verweigerung der Sachentscheidung zu qualifizieren, womit das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0333).

Der angefochtene Beschluss war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2003.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015080076.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAE-93461