VwGH vom 26.04.2017, Ro 2015/13/0013

VwGH vom 26.04.2017, Ro 2015/13/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7102784/2012, betreffend Dienstgeberbeitrag 2011 (mitbeteiligte Partei: ÖBB-Infrastruktur AG in Wien, vertreten durch die Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens ist die Auslegungsfrage, ob die Sondervorschrift des § 50 Abs. 2 erster Satz Bundesbahngesetz, BGBl. Nr. 825/1992, in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 95/2009, über die Befreiung der mitbeteiligten Partei u.a. "von bundesgesetzlichen Abgaben mit Ausnahme der Umsatzsteuer (...), soweit sich diese Abgaben (...) aus der Erfüllung der jeweiligen in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Aufgaben dieser Gesellschaft ergeben", für das Streitjahr 2011 auch eine Befreiung von der Entrichtung des Dienstgeberbeitrages gemäß § 41 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) vorsah.

2 Das Finanzamt verneinte dies für den Monat Juli 2011 sowie für die übrigen Monate des Streitjahres mit Bescheiden vom und vom , wogegen die mitbeteiligte Partei Berufungen erhob.

3 Nach abweisenden Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes und Einbringung von Vorlageanträgen durch die mitbeteiligte Partei sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung am stellte das Bundesfinanzgericht an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die zitierte Vorschrift, in eventu den die Aufgaben der mitbeteiligten Partei regelnden § 31 des Bundesbahngesetzes, als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom , G 133/2014, VfSlg 19.939, wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag in Bezug auf § 50 Abs. 2 erster Satz Bundesbahngesetz ab und im Übrigen zurück.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss hob das Bundesfinanzgericht die Bescheide des Finanzamtes gemäß § 278 Abs. 1 BAO auf und verwies die Sache an die Abgabenbehörde zurück. Als Rechtsanschauung im Sinne des § 278 Abs. 3 BAO fasste es in der Begründung dieser Entscheidung zusammen, die mitbeteiligte Partei sei von der Entrichtung des Dienstgeberbeitrages befreit, soweit die Mitarbeiter im Rahmen der Aufgabenerfüllung eines Schieneninfrastrukturunternehmens nach Maßgabe des § 31 des Bundesbahngesetzes tätig seien. Für alle übrigen Arbeitslöhne sei die Befreiung jedoch nicht anzuwenden. Zu ermitteln sei, welche Mitarbeiter in welchem Umfang in begünstigten Tätigkeitsfeldern eingesetzt würden, sodass die Befreiung für die diesbezüglichen Arbeitslöhne zum Tragen komme.

5 Das Bundesfinanzgericht ging davon aus, dass der Dienstgeberbeitrag eine "bundesgesetzliche Abgabe" sei, und vertrat die Ansicht, im dargestellten Umfang handle es sich auch um eine Abgabe, die sich "aus der Erfüllung" der in § 31 Bundesbahngesetz umschriebenen Aufgaben "ergebe". In diesem Umfang ergebe sich die Befreiung mit Rücksicht auf die Notwendigkeit des Einsatzes von Dienstnehmern zur Erfüllung dieser Aufgaben schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Dass eine Abgabe wie der Dienstgeberbeitrag von der Befreiungsbestimmung nicht erfasst sein solle, komme aber - wie schon der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen habe - auch in der Regierungsvorlage (311 BlgNR 22. GP) zum Bundesbahnstrukturgesetz 2003, BGBl. I Nr. 138, mit dem die Befreiungsbestimmung eingeführt wurde, nicht zum Ausdruck.

6 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig. Das Bundesfinanzgericht habe sich zwar an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu vergleichbaren Bestimmungen orientiert, es sei aber "nicht völlig auszuschließen, dass der Gerichtshof in diesem Fall die Befreiung enger auslegt als das Bundesfinanzgericht".

7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision des Finanzamtes, zu der die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 § 50 Abs. 2 erster Satz Bundesbahngesetz lautet:

"Abgabenrechtliche Begünstigungen

§ 50. (1) (...)

(2) Die ÖBB-Infrastruktur AG ist von bundesgesetzlichen Abgaben mit Ausnahme der Umsatzsteuer, von den Bundesverwaltungsabgaben sowie den Gerichts- und Justizverwaltungsabgaben befreit, soweit sich diese Abgaben und Gebühren aus der Erfüllung der jeweiligen in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Aufgaben dieser Gesellschaft ergeben.

(...)"

10 Diese Bestimmung ist unverändert in Kraft. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2017, BGBl. I Nr. 109/2016, hat der Gesetzgeber dem § 41 FLAG aber folgenden Absatz angefügt:

"(7) Die Steuerbefreiung nach § 50 Abs. 2 des Bundesbahngesetzes, BGBl. Nr. 825/1992, ist in Bezug auf den Dienstgeberbeitrag nicht anzuwenden."

11 In § 55 Abs. 34 FLAG wurde zugleich angeordnet, dass diese mit dem Budgetbegleitgesetz 2017 hinzugefügte Bestimmung "mit in Kraft" tritt.

12 Für die hier zu treffende Entscheidung ist dies unbeachtlich, weil der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit bei ihm angefochtener Entscheidungen - jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Fall nicht Gegenteiliges ausdrücklich angeordnet ist - ohne Rücksicht auf spätere, wenn auch rückwirkende, Änderungen der Rechtslage zu überprüfen hat (vgl. das Erkenntnis vom , 2010/11/0137, VwSlg 18.061/A, mit Hinweis u. a. auf das Erkenntnis vom , 2005/15/0008, VwSlg 8218/F, und seither etwa noch den Beschluss vom , 2011/03/0021, und das Erkenntnis vom , 2013/16/0029).

13 In der Amtsrevision wird nicht bestritten, dass es sich beim Dienstgeberbeitrag um eine bundesgesetzliche Abgabe handelt (vgl. dazu auch Punkt 2.3.1. der Entscheidungsgründe im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes). Geltend gemacht wird, nach der "abgabenrechtlichen Belastungskonzeption" des Dienstgeberbeitrages sei dieser "eine Abgabe, die grundsätzlich von der Art der Tätigkeit des jeweiligen Dienstnehmers losgelöst zu betrachten" sei. Da der "Abgabentatbestand in seiner abgabenrechtlichen Belastungskonzeption" nicht "auf die von der Befreiung begünstigte Tätigkeit" abstelle, könne die Befreiungsbestimmung nicht zur Anwendung kommen. Die nachgeordnete Frage, "ob die konkrete Tätigkeit, die den Abgabentatbestand auslöst, in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Begünstigungszweck der Befreiungsbestimmung steht", stelle sich nicht mehr. Die Befreiungsbestimmung sei nur anwendbar, wenn "der Tatbestand einer Abgabenvorschrift auf eine konkrete Tätigkeit" abstelle, was auf den Dienstgeberbeitrag im Gegensatz zu Verkehrsteuern und auch zur Kommunalsteuer nicht zutreffe.

14 Eine Auseinandersetzung mit der Schlüssigkeit etwa der zuletzt wiedergegebenen Unterscheidung erübrigt sich, weil die Argumentation dem Befreiungstatbestand ein ihn auf bestimmte Arten von Abgaben einschränkendes Erfordernis hinzufügt, das dem Gesetz nicht entnehmbar ist. Für die Beschränkung der Befreiung auf solche bundesgesetzlichen Abgaben, deren Tatbestand "auf eine konkrete Tätigkeit abstellt", gibt es im Gesetz keinen Anhaltspunkt. Sie lässt sich - anders, als die Amtsrevision zu glauben scheint - auch nicht auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes stützen. In dem schon zitierten Punkt seiner Entscheidungsgründe ist der Verfassungsgerichtshof mit einem Hinweis auf "die Belastungskonzeption des Dienstgeberbeitrages" dem Argument des Bundesfinanzgerichtes entgegengetreten, die Inanspruchnahme von Leistungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds durch Dienstnehmer der mitbeteiligten Partei lasse deren Befreiung von der Entrichtung des Dienstgeberbeitrages als gleichheitswidrig erscheinen. Mit der Subsumierbarkeit dieser Abgabe unter die Befreiungsbestimmung steht dies in keinem sachlichen Zusammenhang.

15 Zu prüfen ist nach dem Wortlaut des Gesetzes, inwieweit sich die Belastung mit der Abgabe "aus der Erfüllung" der im Bundesbahngesetz vorgesehenen "Aufgaben" der mitbeteiligten Partei ergibt. Wenn das Bundesfinanzgericht dies für den Dienstgeberbeitrag bejaht hat, soweit sich die Tätigkeit der Dienstnehmer auf die Erfüllung dieser Aufgaben bezieht, so steht dies nicht nur mit dem Gesetzeswortlaut, sondern auch mit der bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der Befreiung vom Verfassungsgerichtshof vorgenommenen Differenzierung nach dem "Unternehmensbereich" in Einklang (vgl. insoweit Punkt 2.3.3. der Entscheidungsgründe in seinem Erkenntnis, wonach der Verfassungsgerichtshof zu Abgabenbefreiungen der ÖBB "im Unternehmensbereich Eisenbahninfrastruktur" schon in früheren Erkenntnissen Stellung genommen habe und die Abgabenbefreiung des § 50 Abs. 2 erster Satz Bundesbahngesetz, "soweit sie sich auf den Bereich Infrastruktur der ÖBB bezieht", auf Grund des besonderen öffentlichen Interesses an der Aufgabenerfüllung gemäß § 31 Bundesbahngesetz verfassungsrechtlich unbedenklich sei).

16 Am insoweit klaren Inhalt der mit dem Bundesbahnstrukturgesetz 2003 neu eingeführten umfassenden Befreiungsbestimmung vermögen auch der Hinweis der Amtsrevision auf das Fehlen des für Belange des Familienlastenausgleichs zuständigen Ministers in der Vollzugsklausel (§ 55 Bundesbahngesetz) und die historischen Ausführungen zur Rechtsentwicklung in Bezug auf die Entrichtung des Dienstgeberbeitrages durch die Österreichischen Bundesbahnen nichts zu ändern.

17 Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet sich die Amtsrevision schließlich auch gegen die Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde. Geltend gemacht wird dazu aber nur, die aufgetragenen Ermittlungen seien "aus abgabenrechtlicher Sicht nicht wesentlich", wozu auf das schon Gesagte verwiesen werden kann.

18 Die Amtsrevision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren (höherer Tarifansatz und zusätzliche Umsatzsteuer) findet darin keine Deckung.

Wien, am

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Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

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