VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0297
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/29A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/392.119/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer, einem 1976 in Wien geborenen serbischen Staatsangehörigen, der sich nach dem Beschwerdevorbringen von 1979 bis 1989 in Jugoslawien aufhielt, wurde am vom Jugendgerichtshof Wien wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB eine Ermahnung gemäß § 6 Abs. 1 Jugendgerichtsgesetz erteilt. Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Josefstadt vom wurde er wegen der Vergehen des Diebstahls, der Urkundenunterdrückung, der dauernden Sachentziehung und des versuchten Betrugs nach § 127, § 229 Abs. 1, § 135 und §§ 15, 146 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je S 50,-- verurteilt, weil er am einer anderen Person S 500,-- Bargeld gestohlen, mehrere fremde Bankkarten unterdrückt, eine Ledergeldbörse mit einem "Squash-Zehner-Block" und einer Telefonwertkarte weggeworfen und dadurch deren Eigentümer geschädigt sowie Angestellte der Raiffeisenkasse Wien durch die Vorspiegelung, über ein fremdes Konto verfügungsberechtigt zu sein, zur Auszahlung von S 1.500,-- bis S 2.000,-- zu verleiten versucht hatte.
Mit rechtskräftigem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 Fremdengesetz 1997 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und am aus Österreich abgeschoben. Er reiste jedoch in der Folge im Jahr 2006 illegal wieder nach Österreich ein.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 erster Fall StGB sowie des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, 148 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten verurteilt, wovon ein Teil von 14 Monaten bedingt nachgesehen wurde. Den Urteilsgründen zufolge hatte er sich von 31. Jänner bis durch insgesamt 24 widerrechtliche Bankomatbehebungen unter Verwendung einer fremden Bankomatkarte insgesamt EUR 8.880,-- angeeignet sowie im Jänner 2008 eine silberne Damenuhr gestohlen. Weiters hatte er in diesem Zeitraum unter Vorgabe, über eine fremde Bankomatkarte verfügungsberechtigt zu sein, in mehreren Fällen Angestellte von Spielcasinos zur Auszahlung von insgesamt EUR 2.550,-- verleitet.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Nach Darstellung des oben wiedergegebenen - unstrittigen - Sachverhalts und einem Verweis auf die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides führte die belangte Behörde weiter aus, dass der Beschwerdeführer nach seiner Geburt in Wien zunächst auf Grund eines Sichtvermerks rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Derzeit verfüge er über keinen Aufenthaltstitel mehr.
Auf Grund der Verurteilungen - so führte die belangte Behörde weiter aus - könne kein Zweifel daran bestehen, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei. Das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit, nämlich das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität, in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - auch im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben seien.
Der Beschwerdeführer sei in Wien geboren, wo er seine Schulausbildung und eine Kellnerlehre absolviert habe. In Österreich lebten seine Eltern - bei welchen er nach seinen Angaben nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wohnen könne - und seine Schwester. Er verfüge derzeit über keine Krankenversicherung. Im Heimatland habe er - seinem Vorbringen zufolge - keine Anknüpfungspunkte mehr. Vor diesem Hintergrund - so führte die belangte Behörde weiter aus - sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei diese Maßnahme im Grunde des § 66 FPG zulässig, weil sie zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz des Eigentums Dritter, dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer habe durch sein strafbares Verhalten augenfällig dokumentiert, dass er nicht in der Lage oder gewillt sei, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten Normen einzuhalten. Aus diesem Grund könne auch eine Verhaltensprognose für ihn nicht positiv ausfallen. Einer aus seinem bisherigen Aufenthalt allfällig ableitbaren Integration komme insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Dem stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen gelangte die belangte Behörde zur Ansicht, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen würden als das in seinem Verhalten begründete hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fern bleibe.
Abschließend führte die belangte Behörde aus, dass auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots Abstand genommen werden könne und ein Wegfall der für die Erlassung maßgeblichen erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums zu erwarten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Dezember 2008) geltende Fassung des genannten Gesetzes.
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Nach § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Der Beschwerdeführer weist unstrittig die von der belangten Behörde festgestellten strafgerichtlichen Verurteilungen auf. Die behördliche Ansicht, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt ist, erweist sich nicht als rechtswidrig.
Dies indiziert die von der belangten Behörde bejahte Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung durfte die belangte Behörde bei der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang auch das der bereits getilgten Verurteilung aus dem Jahr 1995 zu Grunde liegende strafbare Verhalten miteinbeziehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0400, mwN).
Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang weiters geltend macht, dass der Beschwerdeführer erstmals das Haftübel verspürt habe, wodurch bei ihm ein Gesinnungswandel eingetreten sei, ist ihr zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für eine Bewährung in erster Linie das Verhalten eines Fremden auf freiem Fuß maßgeblich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0250, mwN). Im vorliegenden Fall ist die Zeitspanne des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers nach den Straftaten bzw. dem Ende der Strafhaft und der Erlassung des angefochtenen Bescheides von wenigen Monaten jedoch bei weitem zu kurz, um von einer relevanten Minderung oder gar einem Wegfall der vom Beschwerdeführer herrührenden Gefährdung ausgehen zu können.
Wenn die Beschwerde weiters ausführt, dass die Gefährdungsprognose nicht nur auf Grund der strafrechtlichen Verurteilung bejaht hätte werden dürfen und insbesondere die familiäre, berufliche und soziale Integration des Beschwerdeführers zu berücksichtigen gewesen wäre, ist ihr zunächst zu entgegnen, dass die belangte Behörde ohnedies nicht bloß auf den Umstand der Verurteilungen abstellte, sondern die diesen zu Grunde liegenden Tathandlungen ausführlich wiedergab und in ihre Beurteilung einbezog. Welche über die im angefochtenen Bescheid bereits festgestellten, eine Integration des Beschwerdeführers indizierenden Umstände in die Gefährdungsprognose noch hätten einfließen sollen, zeigt die Beschwerde nicht konkret auf. Insofern stellt sie die Relevanz des behaupteten Begründungsmangels nicht dar. Sofern sie jedoch meint, dass die ohnedies berücksichtigten familiären Bindungen in Österreich zu einer anderen, für den Beschwerdeführer positiveren Gefährdungsprognose hätten führen müssen, ist ihr zu erwidern, dass diese Beziehungen den Beschwerdeführer bislang auch nicht von der Begehung der Straftaten abgehalten haben.
Insgesamt vermag die Beschwerde daher keine Rechtswidrigkeit in der Beurteilung der belangten Behörde, dass eine Gefährdungsprognose iSd § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, aufzuzeigen.
Die Beschwerde wendet sich weiters gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG. In diesem Zusammenhang vermag sie jedoch keine Umstände aufzuzeigen, welche die belangte Behörde noch nicht ausreichend berücksichtigt hätte. Wenn die Beschwerde zunächst vorbringt, dass nicht festgestellt worden sei, wie lange sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufgehalten habe, zeigt sie die Relevanz eines allenfalls darin zu erblickenden Feststellungsmangels nicht auf. So stellt auch die Beschwerde nicht jene Zeiten dar, in welchen der Beschwerdeführer über die im angefochtenen Bescheid bereits berücksichtigten Zeiten hinaus - rechtmäßig - im Inland gelebt hätte. Die familiären Beziehungen des Beschwerdeführers zu seinen im Bundegebiet aufhältigen Eltern und seiner Schwester wurden von der belangten Behörde ohnedies berücksichtigt, weshalb sie auch von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben ausgegangen ist. Diese familiären Bindungen zu den Eltern und der Schwester sind jedoch schon auf Grund der Volljährigkeit der Beteiligten zu relativieren. Soweit erstmals in der Beschwerde vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer seit zwei Jahren in Österreich mit einer Lebensgefährtin zusammenlebe, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG). Eine Integration des Beschwerdeführers in den inländischen Arbeitsmarkt wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.
Wenn die Beschwerde schließlich meint, dass die belangte Behörde "in Kenntnis sämtlicher familiärer Umstände" zu einer Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers gekommen wäre, zeigt sie diesbezüglich keinen konkreten Sachverhalt auf und unterlässt damit die für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG erforderliche Relevanzdarstellung. Die belangte Behörde hat aber auf die aktenkundigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers, der sich seit seiner illegalen Wiedereinreise im Jahr 2006 unrechtmäßig im Inland aufhält, ausreichend Bedacht genommen, diesen persönlichen Interessen jedoch zu Recht die aus den strafbaren Handlungen resultierende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Straftaten der vorliegenden Art gegenübergestellt. Wenn die belangte Behörde daher zum Ergebnis gelangte, dass das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zum Schutz des Eigentums anderer - somit zur Erreichung im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele - dringend geboten und daher auch zulässig iSd § 66 FPG sei, erweist sich dies nicht als rechtswidrig.
Soweit der Beschwerdeführer schließlich das Unterlassen einer persönlichen Einvernahme durch die belangte Behörde rügt, ist ihm zunächst zu erwidern, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0261, mwN). Abgesehen davon wurde dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ausreichend Gelegenheit zu rechtlichem Gehör geboten.
Die Beschwerde zeigt schließlich auch keine Gründe auf, wonach das Ermessen durch die belangte Behörde nicht in gesetzmäßiger Weise ausgeübt worden wäre.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des ziffernmäßig Begehrten - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am