VwGH vom 21.03.2018, Ro 2015/13/0010

VwGH vom 21.03.2018, Ro 2015/13/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des J F in W, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102930/2010, betreffend Einkommensteuer 2005 bis 2007, Umsatzsteuer 2005 bis 2008 und Festsetzung der Umsatzsteuer 01-09/2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im bekämpften Umfang, somit hinsichtlich Umsatzsteuer 2005 bis 2008 und Festsetzung der Umsatzsteuer 01-09/2009, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber betrieb im Streitzeitraum laut angefochtenem Erkenntnis einen internationalen Fotokunsthandel mit "Klassischer Moderner Fotografie in Originalabzügen".

2 Im Abschlussbericht vom über eine beim Revisionswerber erfolgte Außenprüfung führte die Prüferin - soweit hier wesentlich - aus, dass der Handel mit künstlerisch anspruchsvollen Fotografien nicht als Handel mit Kunstgegenständen gemäß Z 44 der Anlage zu § 10 Abs. 2 und § 24 UStG 1994 (im Folgenden: Anlage) zu qualifizieren sei. Die mit den Fotografien im Inland erzielten Umsätze seien daher dem Normalsteuersatz iHv 20 % zu unterwerfen.

3 Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüferin und erließ am nach Wiederaufnahme der Verfahren neue Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2007. Weiters setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom die Umsatzsteuer für 2008 sowie für den Zeitraum 01-09/2009 entsprechend den getroffenen Prüfungsfeststellungen fest.

4 In der gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide erhobenen Berufung vom brachte der Revisionswerber vor, er sei selbst Fotograf. Das Finanzamt habe ihm im Jahr 1986 den Status eines Künstlers zugebilligt. Neben eigenen Werken verkaufe er Fotografien von Künstlern aus zeitgenössischen und vergangenen Epochen. Zwar seien Fotografien in Z 44 der Anlage nicht ausdrücklich erwähnt. In anderen europäischen Ländern werde die Fotografie aber als Kunstgegenstand betrachtet, wobei der niedrigere Mehrwertsteuersatz für Kunst zur Anwendung komme. Mit der Richtlinie 94/5/EG des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG sei eine gemeinschaftsrechtliche Regelung für die auf dem Gebiet der Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke anzuwendende Besteuerung erlassen worden. Während in Österreich für Fotografien der "erhöhte Mehrwertsteuersatz" Gültigkeit habe, erachte es der Rat der Europäischen Union zwecks Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze und der Wahrung des wirtschaftlichen Gleichgewichts als notwendig, die reduzierten Steuersätze auf den Kunsthandel, worunter auch Fotografien zu subsumieren seien, anzuwenden. In Österreich komme es zu der nicht nachvollziehbaren Situation, dass die Hersteller von Kunstfotografien beim Verkauf 10 % USt, die Weiterverkäufer (Händler, Galerien) aber 20 % USt an den Fiskus abzuführen hätten. Aufgrund der unterschiedlichen Prozentsätze innerhalb der EU und den Vorgaben der Richtlinie 94/5/EG werde die Vorlage an den EuGH angeregt.

5 In der Stellungnahme zur Berufung des Revisionswerbers vom führte das Finanzamt aus, dass die Aufzählung der Kunstgegenstände in Z 44 der Anlage abschließend und erschöpfend sei. Da Z 44 Fotografien nicht nenne, seien inländische Umsätze mit künstlerisch anspruchsvollen Fotografien mit 20 % zu versteuern.

6 Mit Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die (als Beschwerde zu behandelnde) Berufung des Revisionswerbers ab. In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, der Revisionswerber sei in den Jahren 1992 bis 1995 als freischaffender Fotograf tätig gewesen. Seit 1995 betreibe er einen internationalen Handel mit klassischer moderner Fotografie in Originalabzügen. Er nehme an Kunstmessen im EU-Raum und in Drittstaaten teil. Auf diesen Messen würden Fotografien nicht nur ausgestellt, sondern auch verkauft. Die Regelung des § 10 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 trage den verbindlichen Vorgaben der Richtlinie 77/388/EWG (im Folgenden: 6. EG-RL) sowie der für die Jahre ab 2007 geltenden Richtlinie 2006/112/EG (im Folgenden: MwStSystRL) Rechnung. In beiden Richtlinien sei im Zusammenhang mit dem ermäßigten Steuersatz ausdrücklich von "Gelegenheitslieferungen" die Rede, sodass der gewerbliche Kunsthandel gerade nicht erfasst sei. Darüber hinaus räumten beide Richtlinien den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, die (in Anhang I Buchst. a der 6. EG-RL bzw. Anhang IX Teil A der MwStSystRL) aufgezählten Kunstgegenstände nur zum Teil dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. Von dieser Ermächtigung habe Österreich, wie dies aus Z 44 der Anlage hervorgehe, Gebrauch gemacht. Damit verstoße aber die nationale Regelung des § 10 Abs. 2 Z 1 lit. b und c UStG 1994 nicht gegen Unionsrecht. Das Bundesfinanzgericht erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig, weil in der Beschwerde eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgeworfen werde, zu der höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

7 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des § 10 Abs. 2 Z 1 lit. c UStG 1994 in Verbindung mit Z 44 der Anlage und zur Frage, ob Kunstfotografien dem ermäßigten Steuersatz nach § 10 Abs. 2 UStG 1994 unterlägen. Weiters sei das Bundesfinanzgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur erforderlichen Begründung von Erkenntnissen und zur amtswegigen Ermittlungspflicht abgewichen.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat - eine Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde wurde nicht erstattet - erwogen:

9 § 10 UStG 1994, BGBl. Nr. 663/1994, in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung, lautet auszugsweise:

"Steuersätze

§ 10. (1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 20 % der Bemessungsgrundlage (§§ 4 und 5).

(2) Die Steuer ermäßigt sich auf 10 % für

1. a) (...)

b) die Einfuhr der in der Anlage Z 44 bis 46 aufgezählten Gegenstände;

c) die Lieferungen der in der Anlage Z 44 aufgezählten

Gegenstände, wenn diese Lieferungen

- vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder

- von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein

Wiederverkäufer ist, wenn dieser den Gegenstand entweder selbst eingeführt hat, ihn vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolger erworben hat oder er für den Erwerb zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt war;

d) (...)

(...)

5. die Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler;

(...)"

10 Die Anlage zu § 10 Abs. 2 und § 24 UStG 1994, BGBl. Nr. 663/1994, in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung, lautet auszugsweise:

"Verzeichnis der dem Steuersatz von 10 % unterliegenden

Gegenstände

1. (...)

(...)

44. Kunstgegenstände, und zwar

a) Gemälde (zB Ölgemälde, Aquarelle, Pastelle) und

Zeichnungen, vollständig mit der Hand geschaffen, ausgenommen

Zeichnungen der Position 4906 und handbemalte oder handverzierte

gewerbliche Erzeugnisse; Collagen und ähnliche dekorative

Bildwerke (Position 9701 der Kombinierten Nomenklatur),

b) Originalstiche, -schnitte und -steindrucke

(Position 9702 der Kombinierten Nomenklatur),

c) Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst, aus Stoffen

aller Art (Position 9703 der Kombinierten Nomenklatur),

d) Tapisserien, handgewebt, nach Originalentwürfen von

Künstlern, jedoch höchstens acht Kopien je Werk (aus Position 5805

der Kombinierten Nomenklatur),

e) Textilwaren für Wandbekleidung nach Originalentwürfen

von Künstlern, jedoch höchstens acht Kopien je Werk (aus

Position 6304 der Kombinierten Nomenklatur).

45. (...)

(...)"

11 Nach § 10 Abs. 2 Z 1 lit. c UStG 1994 unterliegt (nur) die

Lieferung der in Z 44 der Anlage aufgezählten Kunstgegenstände,

bei Erfüllung bestimmter weiterer Voraussetzungen, dem ermäßigten

Steuersatz von 10 %. Damit enthält Z 44 der Anlage aber eine

taxative Aufzählung jener Kunstgegenstände, auf die der ermäßigte

Steuersatz anzuwenden ist (vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek,

UStG,§ 10 Abs. 2 Z 1 Anm. 8). Kunstfotografien sind dort nicht

genannt.

12 Soweit der Revisionswerber vorbringt, Kunstfotografien seien als Werke der Bildkunst mit den ausdrücklich genannten Gemälden, Zeichnungen und Collagen vergleichbar und könnten unter den in Z 44 lit. a der Anlage genannten Begriff "ähnliche dekorative Bildwerke" subsumiert werden, ist dem entgegen zu halten, dass Z 44 lit. a der Anlage nur Gemälde und Zeichnungen, die "vollständig mit der Hand geschaffen" werden, erfasst (vgl. Gmurzynska-Bscher, C-231/89, Rn. 41, zur Position 9701 der Kombinierten Nomenklatur). Daher sind Erzeugnisse, die ganz oder teilweise in einem anderen, z.B. in einem fotomechanischen Verfahren hergestellt sind, von dieser Position ausgeschlossen (vgl. Baldasty/Fasching/Praschak, Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur IV, 9701, 1). "Collagen und ähnliche dekorative Bildwerke" sind aus Stücken verschiedener Stoffe so zusammengesetzt, dass ein Bild oder ein dekoratives Motiv entsteht, das auf eine Unterlage geklebt oder auf andere Weise auf ihr befestigt wird (vgl. nochmals Gmurzynska-Bscher, C-231/89, Rn. 41). Nicht als "ähnliche Bildwerke" gelten daher Waren, die aus einem Stück eines Materials bestehen (vgl. nochmals Baldasty/Fasching/Praschak, Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur IV, 9701, 2).

13 Im Übrigen wird die Ansicht, dass auf Kunstfotografien nicht der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist, durch die unionsrechtlichen Vorgaben bestätigt. Nach Art. 103 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 311 Abs. 1 Z 2 MwStSystRL (bzw. Art. 12 Abs. 3 lit. c 6. EG-RL) "können" die Mitgliedstaaten für die Lieferung der in Anhang IX Teil A der MwStSystRL (bzw. Anhang I der 6. EG-RL) genannten Kunstgegenstände, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen, einen ermäßigten Steuersatz vorsehen. Der nationale Gesetzgeber hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht (vgl. z.B. Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 10 Rz 132) und in Z 44 lit. a bis e der Anlage zu § 10 Abs. 2 und § 24 UStG 1994 allerdings nur die in Anhang IX Teil A Z 1 bis 4 der MwStSystRL (bzw. Anhang I lit. a erster bis vierter Spiegelstrich der 6. EG-RL) genannten Kunstgegenstände aufgenommen. Von der Möglichkeit, auch für die in Anhang IX Teil A Z 5 bis 7 der MwStSystRL (bzw. Anhang I lit. a fünfter bis siebenter Spiegelstrich der 6. EG-RL) genannten Gegenstände den ermäßigten Steuersatz anzuwenden, hat der nationale Gesetzgeber Abstand genommen. Damit hat er aber auch bewusst auf die Aufnahme der in Anhang IX Teil A Z 7 der MwStSystRL (bzw. Anhang I lit. a siebenter Spiegelstrich der 6. EG-RL) genannten, "vom Künstler aufgenommenen Photographien, die von ihm oder unter seiner Überwachung abgezogen wurden und signiert sowie nummeriert sind", wobei "die Gesamtzahl der Abzüge (...) alle Formate und Trägermaterialien zusammengenommen, 30 nicht überschreiten (darf)", verzichtet. Die einschränkenden Bedingungen, unter denen Fotografien nach diesen Bestimmungen für die Zwecke der Richtlinien als Kunstgegenstände gelten, lassen es nicht zu, sie schon durch Subsumtion unter den Begriff der "ähnlichen dekorativen Bildwerke" - und somit ohne diese einschränkenden Bedingungen - zu den Kunstgegenständen zu zählen. Die Richtlinien eröffnen in dieser Hinsicht keinen Raum für Zweifel, sodass es auch aus diesem zum schon zitierten Urteil vom hinzutretenden Grund keiner Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf.

14 Soweit der Revisionswerber eine Verletzung des Gleichheitssatzes rügt, ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts mit Beschluss vom , E 1647/2014-4, abgelehnt hat. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag aufgrund der Verschiedenartigkeit der Gegenstände eine unsachliche Differenzierung nicht zu erkennen.

15 Da eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Lieferung von Kunstfotografien schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil diese nicht in Z 44 der Anlage aufgezählt sind, erübrigt sich ein Eingehen auf die übrigen in § 10 Abs. 2 Z 1 lit. c UStG 1994 genannten Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes sowie auf die weiteren Ausführungen des Revisionswerbers, wonach ein Kunsthändler, der auf die Anwendung der Differenzbesteuerung verzichte, nicht als "Wiederverkäufer" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 1 lit. c UStG 1994 anzusehen sei.

16 Jedoch lässt das angefochtene Erkenntnis eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers in der Rechtsmittelschrift, wonach er neben Fotografien fremder Künstler auch eigene Werke verkaufe und der Verkauf von Kunstwerken durch den Künstler selbst dem ermäßigten Steuersatz unterliege, vermissen.

17 Nach § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1994 ist auf "die Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler" der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Da sich der Begriff der "Tätigkeit" auf Lieferungen und sonstige Leistungen erstreckt, ist auch der Verkauf von Kunstwerken durch den Künstler selbst als begünstigter Umsatz anzusehen (vgl. Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 10 Rz 251; Ruppe/Achatz, UStG5, § 10 Tz 148). Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, kann auch die Tätigkeit eines Fotografen eine künstlerische sein, wenn sie nach Gestaltungsprinzipien erfolgt, die für ein umfassendes Kunstfach charakteristisch sind (vgl. ). Ausgehend davon hätte das Bundesfinanzgericht aber auch die Künstlereigenschaft des Revisionswerbers (die ihm seitens der - seinerzeitigen - Finanzlandesdirektion mit Berufungsbescheid auch zuerkannt worden sei) prüfen und bejahendenfalls sich mit dem Ausmaß der Erlöse aus dem Verkauf eigener Kunstfotografien im Streitzeitraum beschäftigen müssen.

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit es die Umsatzsteuer 2005 bis 2008 und die Festsetzung der Umsatzsteuer 01- 09/2009 betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

19 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2015130010.J00

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