VwGH vom 31.05.2017, Ro 2015/13/0009

VwGH vom 31.05.2017, Ro 2015/13/0009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des W H in W, vertreten durch die Appellator Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1010 Wien, Schenkenstraße 4/6. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7103990/2014, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2011, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war im Streitzeitraum Gesellschafter (25%) und Geschäftsführer der H GmbH, eines Versicherungsmaklerunternehmens, das als Vermittler zwischen seinen Kunden und Versicherungsunternehmen auftritt und auf Grundlage der vermittelten Verträge Provisionen erhält. Er bezog u. a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus der Geschäftsführertätigkeit und machte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2011 das sogenannte Vertreterpauschale nach der zu § 17 Abs. 6 EStG 1988 ergangenen Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001 sowie weitere Werbungskosten geltend.

2 Das Finanzamt berücksichtigte bei der Arbeitnehmerveranlagung 2011 nur das Vertreterpauschale und führte begründend hiezu aus, dass mit diesem sämtliche Aufwendungen abgegolten seien.

3 Der Revisionswerber berief gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 und führte in der Berufung (nunmehr Beschwerde) aus, er habe 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus zwei Dienstverhältnissen bezogen. Das Vertreterpauschale habe er für die Tätigkeit bei der H GmbH beantragt. Bei den weiteren Werbungskosten habe es sich um Fahrtkosten gehandelt, die im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die A GmbH angefallen seien.

4 Das Finanzamt erließ eine Beschwerdevorentscheidung, in der es das Vertreterpauschale nicht berücksichtigte und dies damit begründete, dass der Revisionswerber 2011 geschäftsführender Gesellschafter der H GmbH gewesen sei und ihm daher die pauschalierten Werbungskosten für eine Vertretertätigkeit nicht zustünden.

5 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundfinanzgericht der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Vertreterpauschales richtete, keine Folge. Es stellte fest, dass es sich bei der H GmbH um ein kleines Familienunternehmen, bestehend aus dem Revisionswerber, zwei weiteren Familienmitgliedern und einer Innendienstmitarbeiterin, handle, das 2013 Provisionserträge von 450.000 EUR erwirtschaftet habe. Der Revisionswerber "verbringt beinahe seine gesamte Arbeitszeit im Außendienst". Er "spricht mit den Kunden, betreut seinen Kundenstock und vermittelt Versicherungsverträge".

7 Der Revisionswerber sei als Versicherungsmakler tätig. Makler sei, wer auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung (Maklervertrag) für einen Auftraggeber Geschäfte mit einem Dritten vermittle, ohne ständig damit betraut zu sein. Der Auftraggeber beauftrage den Makler, ihm ein Geschäft zu vermitteln oder eine Geschäftsgelegenheit nachzuweisen. Durch diesen Auftrag werde der Makler jedoch nicht verpflichtet, sondern nur ermächtigt, tätig zu werden; werde er tätig und komme es durch seine Tätigkeit zum Abschluss eines Vertrages, werde der Auftraggeber provisionspflichtig. Vertreter seien demgegenüber Personen, die ständig damit betraut seien, für andere Geschäfte zu vermitteln oder in deren Namen abzuschließen.

8 Nach der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001 werde gefordert, dass der den Abzug begehrende Steuerpflichtige eine ausschließliche Vertretertätigkeit bestehend aus Außen- und Innendienst verrichte. Die Verordnung spreche eindeutig vom Vertreter und nicht vom Makler und stelle somit nur auf die Berufsgruppe der "Vertreter" ab, weshalb auch nur die Auslegung des Begriffes "Vertreter" maßgebend sei. Im Rahmen der Tätigkeit eines Maklers würden zwei Rechtsgeschäfte abgeschlossen: "Zum einen im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers der Maklervertrag, mit dem die Dienstleistungen des Arbeitgebers verkauft werden, und zum anderen der zu vermittelnde Versicherungsvertrag zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen".

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse eine Tätigkeit, damit sie als Vertretertätigkeit angesehen werden könne, nicht nur (zeitlich) überwiegend im Außendienst erfolgen, sondern vom Abschluss von Rechtsgeschäften geprägt sein (Hinweis auf das Erkenntnis vom , 2003/15/0044). Dieses Erfordernis habe der Verwaltungsgerichtshof dahingehend konkretisiert, "dass bei einem Vertreter im Rahmen des (den Innendienst überwiegenden) Außendienstes der Kundenverkehr in Form des Abschlusses von Geschäften im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers (über den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen) eindeutig im Vordergrund stehen muss". "Dass der (Revisionswerber) im Namen und für Rechnung seines Arbeitgebers Geschäfte im Außendienst anbahnt (Vorbereitung zum Abschluss des Maklervertrages und Verkaufsverhandlungen für die Dienstleistungen des Arbeitgebers) und abschließt", werde nicht angezweifelt. Dass die Anbahnung und der Abschluss von Maklerverträgen aber derart im Vordergrund stünden, dass von einer Vertretertätigkeit im Sinne der Verordnung gesprochen werden könne, habe der Revisionswerber jedoch nicht nachgewiesen und sei für das Bundesfinanzgericht auch nicht erkennbar.

10 Die ordentliche Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage fehle, ob ein angestellter Versicherungsmakler als Vertreter im Sinne der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001 anzusehen sei.

11 In der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001 keine Definition des Begriffs "Vertreter" enthalte, weshalb dieser laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach der Verkehrsauffassung auszulegen sei. Nach Judikatur und Literatur seien Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig seien. Der Revisionswerber sei nicht selbst Versicherungsmakler, sondern angestellter Außendienstmitarbeiter eines Versicherungsmaklerunternehmens und überwiegend im Außendienst tätig. Er verbringe seine Arbeitszeit damit, "neue Kunden zu akquirieren, bestehende zu betreuen oder im Dienste derselben mit Vertretern oder Entscheidungsträgern von Versicherungsgesellschaften zu beraten und/oder zu verhandeln". Er sei daher überwiegend im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig. Das Ziel der Tätigkeit des Revisionswerbers im Auftrag der Gesellschaft bestehe nicht nur darin, Maklerverträge abzuschließen (und somit neue Kunden zu gewinnen), sondern auch darin, bestehenden Kunden der Gesellschaft (mit aufrechten Maklerverträgen) zusätzliche Versicherungsleistungen zu vermitteln, sodass der Gesellschaft auf Grundlage des neu abgeschlossenen Vertrages ein Provisionsanspruch entstehe. Für die Subsumtion der Tätigkeit des Revisionswerbers unter die Tätigkeit des Vertreters sei es nicht erforderlich, dass die Anbahnung und der Abschluss von Maklerverträgen im Vordergrund stünden. Es reiche aus, dass der Revisionswerber überwiegend im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften sowie zur Kundenbetreuung tätig sei.

12 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen vom , BGBl. II Nr. 382/2001 (im Folgenden nur Verordnung), lautet auszugsweise:

"Auf Grund des § 17 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, wird verordnet:

§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:

...

9. Vertreter

5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 EUR jährlich. Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden."

15 Eine nähere Definition des Vertreterbegriffs ist der Verordnung nicht zu entnehmen, sodass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auf die Verkehrsauffassung abzustellen ist. Danach sind Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind (vgl. z.B. , m.w.N.).

16 Im Erkenntnis vom , 2003/15/0044, VwSlg. 8008/F, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf Vorjudikatur klargestellt, dass auch Tätigkeiten der Auftragsdurchführung zur Tätigkeit eines Vertreters gehören können, "solange der Kundenverkehr in Form des Abschlusses von Geschäften im Namen und für Rechnung seines Arbeitgebers (über Verkauf von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen) eindeutig im Vordergrund steht".

17 Vertreter im Sinne der Verordnung ist - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2012/15/0125, zu Recht erkannt hat - auch, wer Geschäftsabschlüsse lediglich anbahnt. Wesentlich ist, dass eine Außendiensttätigkeit vorliegt, deren vorrangiges Ziel die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen für den Arbeitgeber ist.

18 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass der Revisionswerber beinahe seine gesamte Arbeitszeit im Außendienst verbringe, mit den Kunden spreche, den Kundenstock betreue und Versicherungsverträge vermittle. Dennoch liege - so das Bundesfinanzgericht weiter - keine Vertretertätigkeit im Sinne der Verordnung vor, weil die Verordnung eindeutig vom Vertreter und nicht vom Makler spreche und somit nur auf die Berufsgruppe der "Vertreter" abstelle. Der Revisionswerber vermittle Versicherungsverträge, schließe diese aber nicht im eigenen Namen bzw. im Namen der H GmbH ab. Der Revisionswerber schließe im Außendienst Maklerverträge ab. Dass die Anbahnung und der Abschluss von Maklerverträgen derart im Vordergrund stünden, dass von einer Vertretertätigkeit im Sinne der Verordnung gesprochen werden könne, habe er aber nicht nachgewiesen und sei für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar.

19 Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass für die Anwendbarkeit der Verordnung und für die Zuerkennung des Vertreterpauschales nicht die Berufsgruppe maßgeblich ist, der der Arbeitgeber des Steuerpflichtigen angehört. Entscheidend ist, dass die vom Steuerpflichtigen ausgeübte Tätigkeit dem Tätigkeitsbild der in der Verordnung genannten Berufsgruppe entspricht.

20 Es trifft auch nicht zu, dass im Streitfall nur dann von einer Vertretertätigkeit im Sinne der Verordnung gesprochen werden könnte, wenn bei der vom Revisionswerber ausgeübten Tätigkeit die Anbahnung und der Abschluss von Maklerverträgen im Vordergrund stünden.

21 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2003/15/0044, VwSlg. 8008/F, ausgesprochen hat, ist es der Vertretertätigkeit gleichzuhalten, wenn Rechtsgeschäfte über Dienstleistungen im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers abgeschlossen werden. Das Geschäftsmodell der H GmbH als Versicherungsmakler besteht darin, Versicherungsverträge zwischen ihren Kunden und Versicherungsunternehmen zu vermitteln, woraus ihr letztlich auch Provisionsansprüche erwachsen. Daraus erhellt, dass sowohl die Anbahnung und der Abschluss von Maklerverträgen (mittelbar) als auch die Anbahnung von Versicherungsverträgen zwischen den Kunden der H GmbH und den Versicherungsunternehmen (unmittelbar) darauf abzielen, die von der H GmbH am Markt angebotenen Dienstleistungen zu vertreiben, also Versicherungsverträge zu vermitteln. Folglich ist auch die Anbahnung von Versicherungsverträgen durch den Revisionswerber als Vertretertätigkeit zu qualifizieren (vgl. idS zur inhaltlichen Gleichartigkeit einer Betätigung mit der eines "herkömmlichen Vertreters" auch das Erkenntnis vom , Ra 2015/15/0072).

22 Das Bundesfinanzgericht ging im angefochtenen Erkenntnis offenkundig davon aus, dass die Anbahnung von Versicherungsverträgen keine Vertretertätigkeit im Sinne der Verordnung darstellt und hat damit die Rechtslage verkannt.

23 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

24 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am