Suchen Hilfe
VwGH vom 24.11.2011, 2011/23/0290

VwGH vom 24.11.2011, 2011/23/0290

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des P, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/520.388/2007, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zu Grunde, dass der 1979 in Serbien geborene Beschwerdeführer - eigenen Angaben zufolge - bis 1986 fast die ganze Zeit bei seinen Eltern in Österreich gelebt habe. Die Sommermonate habe er bei seinen Großeltern in Serbien verbracht. Von 1986 bis 1991 habe er die Schule in Serbien besucht, die gesamten Ferien sowie die Wochenenden sei er in Wien gewesen. 1991 sei er endgültig nach Österreich übersiedelt. Er habe hier die Schule beendet und ohne Unterbrechung mit gültigem Aufenthaltstitel in Österreich gelebt. Nach Ablauf der Gültigkeit seines Reisepasses im April 1999 habe er nach Serbien zurückkehren müssen.

Der Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung weise für den Beschwerdeführer keinerlei Beschäftigungszeiten im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer habe lediglich seinen Schulbesuch im Zeitraum von Mai 1991 bis Juli 1994 durch Vorlage von Zeugnissen nachgewiesen, wonach er aber in fast allen Schulgegenständen nicht beurteilt worden sei. Mit Ende des Schuljahres 1993/1994 habe er zwar die Schulpflicht erfüllt, die achte Schulstufe aber nicht erfolgreich abgeschlossen. Nach dem Melderegister der Bundeshauptstadt Wien sei der Beschwerdeführer dort vom bis , vom bis und ab bis laufend gemeldet (gewesen).

Da der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel verfüge, seien - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG - die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG gegeben. Zwar sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser erweise sich jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - als dringend geboten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der nicht bloß kurzfristige unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gravierend. Unter den gegebenen Umständen sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet vom Inland aus zu legalisieren. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass seine gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung sei somit dringend geboten und damit zulässig iSd § 66 FPG. Im gegenständlichen Fall sei auch keine Aufenthaltsverfestigung gegeben, weshalb mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände auch keine Veranlassung bestehe, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 382/08-8, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer gesteht ausdrücklich zu, sich derzeit ohne entsprechende fremdenrechtliche Bewilligung im Bundesgebiet aufzuhalten. Gegen die - unbekämpfte - behördliche Annahme, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, bestehen daher keine Bedenken.

Die Beschwerde wendet sich somit ausschließlich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung. Der Beschwerdeführer meint, dass auf Grund seines seit seiner Geburt - mit Unterbrechungen - andauernden Aufenthaltes in Österreich, seiner in Österreich lebenden Freunde und Familie, seines mehr als dreijährigen Schulbesuches mit Erfüllung der Schulpflicht in Österreich ein (Privat- und) Familienleben bestehe, welches "an Intensität nicht steigerbar" sei.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG (in der hier noch maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011) nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0015, mwN).

Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids aufzuzeigen, ging die belangte Behörde doch ohnedies davon aus, dass mit der Ausweisung ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden wäre. Weitere, von der belangten Behörde noch nicht berücksichtigte Umstände zeigt auch die Beschwerde nicht auf.

Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid - ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers - zu Grunde, dass er 1999 im Alter von 20 Jahren seinen Aufenthalt in Österreich beendete und erst Anfang 2007, im Alter von 28 Jahren, illegal nach Österreich zurückkehrte. Angesichts einer maßgeblichen Aufenthaltsdauer von lediglich einem Jahr bis zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung, in der der Beschwerdeführer überdies keiner Berufstätigkeit nachging, werden weder in der Beschwerde nachvollziehbare Gründe vorgebracht, weshalb ihm eine Rückkehr in seinen Heimatstaat unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht zumutbar wäre, noch sind solche zu erkennen. Sofern der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie habe Feststellungen zur tatsächlichen Aufenthaltsdauer unterlassen, legt die Beschwerde nicht dar, welche maßgeblichen Aufenthaltszeiten von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden wären. Insgesamt zeigt die Beschwerde somit keine Umstände auf, die gegen die von der belangten Behörde angenommene fehlende Aufenthaltsverfestigung des Beschwerdeführers sprechen würden.

Auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte strafrechtliche Unbescholtenheit reicht nicht aus, dass der weitere Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von der belangten Behörde hätte akzeptiert und von einer Ausweisung Abstand genommen werden müssen. Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde vorbringt, dass er keinerlei Bindung zum Heimatstaat mehr hätte, ist ihm - abgesehen davon, dass es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt (§ 41 Abs. 1 VwGG) - auch zu entgegnen, dass er sich dort nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren die letzten acht Jahre vor seiner Wiedereinreise nach Österreich aufhielt.

Es ist somit jedenfalls nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unverhältnismäßig angesehen und die Ermessensübung nicht zu seinen Gunsten vorgenommen hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
GAAAE-93400