VwGH vom 09.07.2015, Ra 2015/08/0037
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision des Arbeitsmarktservice Gmünd gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W162 2015399- 1/3E, betreffend Zurückverweisung in einer Angelegenheit der Arbeitslosenversicherung (mitbeteiligte Partei: S P in G, vertreten durch die Sacha Katzensteiner Blauensteiner Rechtsanwälte GmbH in 3500 Krems, Gartenaugasse 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom stellte das revisionswerbende Arbeitsmarktservice (in der Folge: AMS) fest, dass dem Mitbeteiligten Notstandshilfe (erst) ab dem gebührt, weil er den Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe "nicht innerhalb der festgesetzten Frist, sondern erst am eingebracht" habe.
Mit dem in Revision gezogenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht diesen Bescheid in Erledigung der gegen diesen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurückverwiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Mitbeteiligte habe seit dem Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen. (Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass dem Mitbeteiligten vom AMS am gemäß § 47 Abs. 1 AlVG mitgeteilt worden war, dass sein Anspruch am beginne und voraussichtlich am ende. In weiterer Folge wurde dem Mitbeteiligten - nach Anspruchsunterbrechung durch ein Dienstverhältnis - am vom AMS mitgeteilt, dass sein Leistungsbezug am ende.)
Am habe sich der Mitbeteiligte - so das Verwaltungsgericht weiter - nach Beendigung eines (vom 12. Mai bis zum dauernden) Dienstverhältnisses wieder beim revisionswerbenden AMS gemeldet. Als nächster Vorsprachetermin sei der vereinbart worden. Am habe das AMS mitgeteilt (ein Schreiben an den Mitbeteiligten abgesendet), der Anspruch auf Notstandshilfe werde voraussichtlich am enden und die Weitergewährung der Leistung könne - sofern die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien - erst aufgrund einer neuerlichen Antragstellung erfolgen. Der Mitbeteiligte behaupte, über diesen Termin für einen Antrag auf Weitergewährung der Notstandshilfe nicht informiert worden zu sein. Er habe den genannten Termin nicht eingehalten und erst am beim AMS einen neuerlichen Antrag auf Weitergewährung der Notstandshilfe gestellt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, "dass die Verpflichtung des Arbeitsmarktservice zur Ausstellung einer Mitteilung gemäß § 47 AlVG, aus dem Beginn, Ende und Höhe des Leistungsanspruchs hervorgehen, nicht zu Lasten des Arbeitslosen ausgelegt werden darf, der behauptet, eine derartige Mitteilung nicht erhalten zu haben und demnach den Termin zur Antragstellung versäumt zu haben, da er nicht über das Leistungsende informiert worden wäre. Vielmehr liegt es in der Sphäre des Arbeitsmarktservice dafür Sorge zu tragen, dass der Antragsteller vom Inhalt dieser Mitteilung, im konkreten Fall insbesondere vom Leistungsende, rechtzeitig Kenntnis erlangt. Die belangte Behörde hat es verabsäumt darzulegen, ob und wie sie dieser Verpflichtung nachgekommen ist. Des Weiteren hat es die belangte Behörde unterlassen, auf das Vorbringen des Beschwerdeführers der nicht erfolgten Zustellung einzugehen bzw. diesbezügliche Ermittlungsschritte zu setzen.
Im Beschwerdefall kann auf Grundlage der vorliegenden, von der belangten Behörde vorgenommenen, in entscheidungswesentlichen Teilen mangelhaften Ermittlungen nicht beurteilt werden, ob nun im Beschwerdefall eine Zustellung tatsächlich stattgefunden hat, da die belangte Behörde entscheidungserhebliche Ermittlungen nicht vorgenommen hat."
Es sei nicht Aufgabe des Mitbeteiligten, "aufgrund eventuell erhaltener älterer Mitteilungen des Arbeitsmarktservice gemäß § 47 AlVG das sich um die Zeit der (zwischenzeitigen) Beschäftigung hinausgeschobene Leistungsende selbst zu berechnen und dadurch den Termin für die neuerliche Antragstellung herauszufinden."Gemäß § 47 AlVG seien dem Leistungsbezieher Beginn, Ende und Höhe seines Anspruchs mitzuteilen. Die belangte Behörde habe es unterlassen aufzuzeigen, "dass der neue Termin zur Antragstellung am dem Beschwerdeführer (Mitbeteiligten) wirksam zur Kenntnis gebracht worden ist."
Im fortgesetzten Verfahren werde die belangte Behörde entsprechende Ermittlungen vornehmen und in Abwägung der Ermittlungsergebnisse darlegen müssen, ob das Schreiben vom tatsächlich dem Mitbeteiligten zugestellt worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden sein würde. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG seien nicht gegeben. Der angefochtene Bescheid sei gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben.
Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, ihn aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht hat die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt. Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Das revisionswerbende AMS verweist zur Zulässigkeit der Revision auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die abschließende Normierung des § 46 AlVG es selbst im Falle des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen nicht zulasse, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren, zumal selbst ein Arbeitsloser, der aufgrund einer von einem Organ des AMS schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleide, auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen sei.
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder verspäteter Antragstellungen dar. Infolge dieser abschließenden Normierung ist der Arbeitslose sogar in jenen Fällen, in denen er auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleidet, der durch Anwendung des § 46 AlVG nicht abgewendet werden kann, auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0006, mwN). § 17 Abs. 4 AlVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2010, zuvor § 17 Abs. 3 AlVG) ermöglicht es der zuständigen Landesgeschäftsstelle unter den dort näher genannten Voraussetzungen zwar, die regionale Geschäftsstelle zwecks Abwendung eines Amtshaftungsanspruches amtswegig zu einer Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt zu ermächtigen, auf die Ausübung dieser Ermächtigungsbefugnis besteht jedoch kein Rechtsanspruch (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0284, mwN). Schon die Textierung der genannten Bestimmung lässt erkennen, dass sie eine Ermächtigungsnorm im Verhältnis der Landesgeschäftsstelle zur regionalen Geschäftsstelle darstellt und sich nicht unmittelbar an die arbeitslose Person richtet. Insofern ist § 17 Abs. 3 AlVG an systematisch falscher Stelle eingefügt worden, da mit § 17 Abs. 3 (nunmehr Abs. 4) AlVG kein Anspruch der arbeitslosen Person gegenüber dem Arbeitsmarktservice geschaffen werden sollte. Eine Rechtsschutzlücke entsteht dadurch nicht, da es der arbeitslosen Person - wie schon vor der Einfügung des § 17 Abs. 3 AlVG - weiterhin möglich ist, durch das Arbeitsmarktservice schuldhaft verursachte Schäden im Amtshaftungsweg geltend zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0290, mwN). Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, die (neuerliche) Zuerkennung der Notstandshilfe hänge in ihrem zeitlichen Ausmaß davon ab, ob dem Mitbeteiligten eine Änderung des Anspruchszeitraumes durch Unterbrechung (durch ein zwischenzeitig eingegangenes Dienstverhältnis) vom AMS ordnungsgemäß mitgeteilt worden wäre, findet in § 47 AlVG keine Stütze (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/08/0186).
Dem Verwaltungsgericht lagen zudem im Sinne der hg. Erkenntnisse vom , Zl. Ro 2014/03/0063, vom , Zl. Ra 2014/08/0005, vom , Zl. Ra 2014/08/0011, vom , Zl. Ra 2014/09/0037 und vom , Zl. Ra 2015/08/0012, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, brauchbare Ermittlungsergebnisse vor, die von ihm allenfalls zu vervollständigen gewesen wären. Gravierende Ermittlungslücken werden vom Verwaltungsgericht nicht aufgezeigt, zumal dessen rechtliche Erwägungen, aus denen Ermittlungen für erforderlich gehalten werden, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichen.
Der angefochtene Beschluss war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Wien, am