VwGH vom 09.09.2016, Ro 2015/12/0019
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die ordentliche Revision des W F in M, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 49.31-4341/2014-4, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde i.A. Feststellung des Vorrückungsstichtages und der besoldungsrechtlichen Stellung (vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark belangte Behörde: Landesschulrat für Steiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht als Landeslehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark.
2 Mit einem im Jänner 1993 erlassenen Bescheid des Landesschulrates für Steiermark wurde der Vorrückungsstichtag des Revisionswerbers mit Wirksamkeit vom mit festgesetzt. Es wurde ausgesprochen, dass ihm ab die Bezüge der Verwendungsgruppe L2a2, Gehaltsstufe 6, gebührten. Als Termin für die nächste Vorrückung komme der in Betracht.
3 Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
4 Mit Antrag vom begehrte er gemäß § 113 Abs. 10 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 (im Folgenden: GehG), die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages.
5 Mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom wurde auf Grund dieses Antrages mit Wirksamkeit vom der als Vorrückungsstichtag für die Verwendungsgruppe L2a2 festgesetzt. Es wurde ausgesprochen, dass dem Revisionswerber ab die Bezüge der Gehaltsstufe 13 in der Verwendungsgruppe L2a2 gebührten. Als Tag der nächsten Vorrückung komme der in Betracht.
6 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark, in welcher er sich u. a. gegen die Anwendung der Vorrückungsregel des § 8 Abs. 1 zweiter Satz GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010 wendete.
7 Mit dem angefochtenen Beschluss wurde diese Beschwerde gemäß § 31 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, iVm §§ 106 Abs. 1 und 5 und 123 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984 idF BGBl. I Nr. 32/2015 (im Folgenden: LDG 1984), iVm §§ 12, 169c und 169d GehG idF BGBl. I Nr. 32/2015 als unzulässig zurückgewiesen.
8 Es wurde ausgesprochen, dass gegen dieses "Erkenntnis" (gemeint wohl: gegen diesen Beschluss) eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
9 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Steiermark Folgendes aus:
"Mit der Novelle zum LDG und zum GehG 1956, BGBl. I Nr. 32/2015 (454 BlgNR XXV. GP) wurde die Vordienstzeiten-Anrechnung von Grund auf neu geregelt. Die Bestimmungen sehen ein gänzlich neues Besoldungssystem vor, mit dem insbesondere die Rechtsunsicherheit in Folge des Urteiles des EuGH in der Rechtssache ‚Schmitzer' C-530/13 bereinigt werden soll.
Gemäß § 106 Abs 1 Z 1 LDG gelten für das Besoldungs- und Pensionsrecht der Landeslehrer die Bestimmungen des GehG 1956. Somit gilt im gegenständlichen Verfahren § 12 GehG idF der Novelle BGBl. I Nr. 32/2015. Durch diese Novelle sind die Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag vollständig außer Kraft getreten.
§ 12 GehG (neu) schafft unter dem Titel ‚Besoldungsdienstalter' ein gänzlich neues System der Vordienstzeitenanrechnung und führt auch eine Neugestaltung sämtlicher Gehaltstabellen und eine Anpassung aller einstufungsabhängigen Ansprüche durch.
Die Bediensteten aller Verwendungs- und Entlohnungsgruppen, in denen bislang der Vorrückungsstichtag für die Einstufung, Vorrückung oder Zeitvorrückung maßgeblich war und somit auch die Landeslehrer gemäß § 106 Abs 1 LDG werden von Gesetzeswegen in das neue Besoldungssystem übergeleitet. Das frühere System des Vorrückungsstichtages wird durch das System des Besoldungsdienstalters ersetzt und die alten Bestimmungen zum Vorrückungsstichtag dürfen nach Inkrafttreten der Novelle nicht mehr angewendet werden .
§ 175 Abs 79 Z 3 GehG normiert ausdrücklich, dass die §§ 8, 10 Abs 2 und 12 in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2015 mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft treten und dass diese Bestimmungen in allen früheren Fassungen in laufenden und künftigen Verfahren, nicht mehr anzuwenden sind .
Da der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht aufschiebende Wirkung zukommt und es sich daher beim gegenständlichen Verfahren nicht um ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren, sondern um ein laufendes Verfahren handelt, hat das Landesverwaltungsgericht die durch die Novelle BGBl I Nr. 32/2015 maßgebliche Rechtslage anzuwenden (vgl. im Gegensatz dazu ).
Die Überleitung in das neue System des ‚Besoldungsdienstalters' ist in den §§ 169c und 169d GehG geregelt. Gemäß § 106 Abs 5 LDG werden die den Bestimmungen des LDG unterliegenden Landeslehrpersonen in das durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 32/2015 neu geschaffene Besoldungssystem gemäß §§ 169c und 169d GehG übergeleitet.
Die Überleitung wird laut Durchführungsrundschreiben, BKA- 921.000/0002-III/5/2015, vom automationsunterstützt auf der Grundlage der Gehälter für Februar 2015 erfolgen.
Da es sich im gegenständlichen Fall um ein laufendes Verfahren zur Festsetzung des Vorrückungsstichtages handelt und in diesem laufenden Verfahren die Bestimmungen der §§ 8, 10 Abs 2 und 12 GehG in allen früheren Fassungen nicht mehr anzuwenden sind , sondern automatisch eine Überleitung in das neue Besoldungsdienstaltersschema gemäß der Novelle BGBl. I Nr. 32/2015 erfolgt, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, da eine Rechtsgrundlage für die Neuberechnung des ursprünglich in § 12 GehG geregelten Vorrückungsstichtages nicht mehr existiert."
10 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark erachtete die Revision aus folgendem Grund für zulässig:
"Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist insbesondere deshalb der Fall, da zu der zu lösenden Rechtsfrage, wie eine Überleitung laufender Verfahren zur Festlegung des Vorrückungsstichtages gemäß der Novelle BGBl. I Nr. 32/2015 erfolgen und wie in den bereits anhängigen Verfahren nach Wegfall der Rechtsgrundlage entschieden werden soll, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt."
11 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Revisionswerber verweist zur Zulässigkeit der Revision auf die Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark.
12 Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Beschlusses mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.
13 Der vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark belangte Landesschulrat für Steiermark erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher die Zurückweisung der Revision beantragt wird. Er vertritt insbesondere die Auffassung der im Jänner 1993 erlassene Bescheid, insbesondere die dort erfolgte Beurteilung der Anrechenbarkeit von Zeiten nach Vollendung des 18. Lebensjahres der Revisionswerberin sei nach wie vor rechtskräftig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision erweist sich aus den vom Landesverwaltungsgericht Steiermark ins Treffen geführten Gründen als zulässig.
15 Sie ist auch berechtigt:
16 Gemäß § 106 Abs. 1 Z 1 LDG 1984 (Stammfassung dieser Ziffer) gilt für das Besoldungsrecht der Landeslehrer grundsätzlich das GehG.
17 Gemäß § 106 Abs. 5 LDG 1984 in der Fassung dieses Absatzes nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 32/2015 werden die Landeslehrer in das durch das zuletzt zitierte Gesetz geschaffene Besoldungssystem gemäß den §§ 169c und 169d GehG übergeleitet.
18 Zur Entwicklung der Rechtslage betreffend die Regelungen der besoldungsrechtlichen Stellung nach dem GehG wird in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf deren ausführliche Wiedergabe im hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Ro 2015/12/0025, verwiesen.
19 Aus den in diesem Erkenntnis dargelegten Gründen, auf welche gleichfalls gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, folgt auch die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses, zumal auf § 113 Abs. 10 GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010 gestützte Anträge ihre Zulässigkeit durch das Inkrafttreten der Bundesbesoldungsreform 2015 nicht verloren haben. Gegenteiliges folgt auch nicht aus § 106 Abs. 5 LDG 1984, welcher - ähnlich wie § 169d Abs. 1 GehG für die dort genannten Gruppen von Bundesbeamten - eine Gruppenüberleitung auch für Landeslehrer anordnet, sonst aber auf die im vorzitierten Erkenntnis ausgelegten Bestimmungen des GehG verweist.
20 Der angefochtene Beschluss erweist sich darüber hinaus auch deshalb als rechtswidrig, weil selbst auf Basis der unzutreffenden Auslegung des § 175 Abs. 79 Z 3 zweiter Halbsatz GehG durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark nicht mit einer Zurückweisung der Beschwerde, sondern mit einer Zurückweisung des Antrages vorzugehen gewesen wäre.
21 Aus den Entscheidungsgründen des vorzitierten hg. Erkenntnisses vom heutigen Tage folgt auch, dass die Unzulässigkeit des Antrages nicht auf eine Rechtskraft des Bescheides des Landesschulrates für Steiermark aus dem Jänner 1993 gestützt werden könnte, wie dies die Revisionsbeantwortung vermeint. Die Rechtskraft der Feststellung des Vorrückungsstichtages selbst wurde nämlich in Ansehung der Gehaltsperioden ab dem aus den in dem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis vom heutigen Tage dargelegten Gründen durchbrochen. Auch sonst ist keine Rechtsgrundlage für eine "Verwirkung" des Rechtsschutzes, welchen § 113 Abs. 10 GehG gewährt, durch Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels gegen einen vor seinem Inkrafttreten erlassenen Bescheid zu erkennen.
22 Im Übrigen folgt aus dem hg. Erkenntnis vom , 2012/12/0047, dass es sich bei der Prüfung, welche Zeiten in welchem Ausmaß dem Zeitpunkt des Beginnes des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses voranzustellen sind, um bei der Festsetzung des Vorrückungsstichtages vorweg zu beurteilende Fragen handelt, welche insofern Begründungselemente eines den Vorrückungsstichtag festsetzenden Bescheides bilden. Solche Begründungselemente sind aber für sich genommen nicht rechtskraftfähig. Daraus folgt, dass die im Bescheid vom Jänner 1993 vorweg beurteilten Fragen, welche (nach dem 18. Geburtstag des Revisionswerbers gelegenen) Zeiten in welchem Umfang anzurechnen waren, von vornherein nicht in Rechtskraft erwuchsen und daher auch nicht "teilrechtskräftig" geblieben sein konnten. Weiters folgt daraus, dass eine Beschwerde gegen die (einheitliche) Festsetzung des Vorrückungsstichtages auch zulässigerweise (allein) mit der Begründung erhoben werden kann, dass die obgenannten Zeiten nicht im gesetzlich gebotenen Ausmaß berücksichtigt wurden. Aus der Unteilbarkeit folgt weiters, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in der "Sache" Vorrückungsstichtagsfestsetzung auch die Zeiten vor dem
18. Geburtstag des Revisionswerbers zu beurteilen gehabt hätte. Weiters wäre die vom Revisionswerber im Ergebnis bekämpfte Festsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung meritorisch vorzunehmen gewesen.
23 Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
24 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am