VwGH vom 14.04.2016, Ra 2015/08/0026
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der Salzburger Gebietskrankenkasse in Salzburg, vertreten durch die Niederhuber Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , L504 2003674-1/2E, betreffend Zurückverweisung in einer Angelegenheit nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Gebietskrankenkasse; mitbeteiligte Partei: F GmbH in S, vertreten durch Dr. Maximilian Macho, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 1/1/2.5), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom stellte die revisionswerbende Gebietskrankenkasse (SGKK) fest, dass drei namentlich genannte Personen auf Grund ihrer Tätigkeit für die mitbeteiligte Partei in den angeführten Zeiträumen in einem die Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions ) Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 Abs. 2 ASVG sowie die Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden seien.
2 Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der mitbeteiligten Partei hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss den bekämpften Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG - zur neuerlichen Feststellung des Sachverhalts und Erlassung eines neuen Bescheides - an die revisionswerbende Gebietskrankenkasse zurückverwiesen. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Aktenvorlage durch das Bundesverwaltungsgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die mitbeteiligte Partei - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
4 Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen ist.
5 Zu den für kassatorische Entscheidungen nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG geltenden Voraussetzungen ist auf das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063, zu verweisen (§ 43 Abs. 2 VwGG). Der Verwaltungsgerichtshof hat darin eingehend dargelegt, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt ist. Die nach § 28 VwGVG verbleibenden Ausnahmen von der meritorischen Entscheidungspflicht sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden kann. Eine Zurückverweisung zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt also nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterlassen hat, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/08/0042). Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt hervorgehoben, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/08/0171, mwN).
Auch wenn das Verwaltungsgericht die beweiswürdigenden Erwägungen einer Verwaltungsbehörde nicht teilt, führt dies allein noch nicht dazu, dass von einem Unterlassen gebotener Ermittlungsschritte iSd § 28 Abs. 3 VwGVG gesprochen werden könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/20/0146).
6 Das Verwaltungsgericht führte in seiner Begründung - zusammengefasst - aus, die revisionswerbende Gebietskrankenkasse habe festgestellt, dass die drei namentlich genannten Personen Dienstnehmer iSd § 4 Abs. 2 ASVG seien, obwohl der dazu gehörige Sacherhalt nicht ausreichend festgestellt bzw. ermittelt worden sei. Die vertragliche Ausgestaltung alleine lege die von der Behörde angenommene Dienstnehmereigenschaft grundsätzlich nicht nahe und bedürfe es, auch unter der Prämisse des im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsatzes der materiellen Wahrheit, hier für die Beurteilung des Sachverhaltes der Betrachtung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes der Tätigkeit und es sei nicht bloß die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes als maßgeblich zu erachten.
Wenn sich die belangte Behörde auf Niederschriften anderer Dienstnehmer beziehe, lasse sich daraus nichts Näheres über die vertragliche Gestaltung und tatsächliche Ausgestaltung der Arbeit der drei verfahrensgegenständlichen Beschäftigten in der Praxis ableiten. Der Verweis auf die Homepage der mitbeteiligten Partei und dass sich die Namen dieser Personen auf Dienstplänen wiederfinden würden, sei nicht hinreichend.
Gegenständlich sei es notwendig, dass die drei Beschäftigten niederschriftlich als Parteien einvernommen würden. Da die belangte Behörde bereits dem Hausleiter (Anmerkung: Beschäftigter bei der mitbeteiligten Partei) zentrale Bedeutung bei der Sachverhaltsermittlung beigemessen habe, werde dieser nach Einvernahme der im Spruch genannten Personen als Zeuge über eigene Wahrnehmungen in Bezug auf die reale Ausgestaltung der Arbeit in Bezug auf die gegenständlichen Personen einzuvernehmen sein. Darüber hinaus habe es die SGKK unterlassen, Stellungnahmen im Rahmen des Parteiengehörs zu den "künftigen" Ermittlungsergebnissen einzuholen, sodass nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie den maßgeblichen Sachverhalt festgestellt habe.
Die belangte Behörde habe nur ansatzweise ermittelt bzw. keine geeigneten Ermittlungsschritte gesetzt. Zudem entstehe durch diese Verfahrensführung der Eindruck, dass sie eine wesentliche Tätigkeit an die Rechtsmittelinstanz delegieren habe wollen.
7 Damit legt das Bundesverwaltungsgericht keine Umstände dar, die eine Vorgangsweise nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu rechtfertigen vermögen.
Aus den Verwaltungsakten geht hervor, dass die SGKK umfangreiche Ermittlungen zum maßgeblichen Sachverhalt durchgeführt hat. Auf Grundlage dieser Ermittlungsergebnisse können - gegebenenfalls nach Vervollständigung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zur Wahrung des Parteiengehörs - die wesentlichen Tatsachenfeststellungen getroffen werden, um die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Pflichtversicherung iSd § 4 Abs. 2 ASVG beurteilen zu können. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann daher keine Rede davon sein, dass die SGKK - im Sinn des Vorliegens krasser bzw. besonders gravierender Lücken - keinerlei oder nur völlig ungeeignete bzw. ansatzweise Ermittlungen zu den wesentlichen Tatsachenfragen angestellt hätte oder sämtliche Erhebungen auf das Verwaltungsgericht hätte übertragen wollen.
Wenn das Bundesverwaltungsgericht die behördliche Beweiswürdigung bemängelt, ist dazu festzuhalten, dass gerade die Beweiswürdigung in Bezug auf strittige Sachverhaltselemente zu den zentralen Aufgaben der Verwaltungsgerichte selbst gehört, können sie doch auf Grund ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in besonderer Weise zur Wahrheitsfindung beitragen. Eine Zurückverweisung aufgrund einer nicht fehlerfreien Beweiswürdigung kommt schon daher nicht in Betracht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/08/0178).
8 In Anbetracht dessen, dass die Verwaltungsgerichte in ihrer Konzeption nun die erste gerichtliche Tatsacheninstanz sind, haben sie auf Basis von vorhandenen Ermittlungsergebnissen und allfälligen Ergänzungen in der Sache selbst zu entscheiden.
9 Vor diesem Hintergrund erweist sich der angefochtene Beschluss als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am