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VwGH vom 21.02.2012, 2011/23/0277

VwGH vom 21.02.2012, 2011/23/0277

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der R, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/4.405/2007, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin, einer 1982 geborenen serbischen Staatsangehörigen, war über Antrag vom bezogen auf ihren Großvater, einen österreichischen Staatsbürger, eine (Erst )Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt und anschließend bis verlängert worden. Sie lebte mit ihrem Großvater und ihrer Großmutter im gemeinsamen Haushalt. Am stellte die Beschwerdeführerin einen weiteren Verlängerungsantrag.

Die in der Folge nach § 25 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) befasste Bundespolizeidirektion Wien wies die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus, weil die Erteilungsvoraussetzung für einen Aufenthaltstitel nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht erfüllt sei. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom keine Folge.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführerin nicht über ausreichende Mittel für ihren Unterhalt verfüge. So erhalte ihr Großvater lediglich eine Pension von etwa EUR 477,-- und dessen Ehefrau eine solche von etwa EUR 400,--. Der Großvater der Beschwerdeführerin sei daher nicht in der Lage, ihr die erforderlichen Unterhaltsmittel nach den Richtsätzen des § 293 ASVG in Höhe von EUR 747,-- zur Verfügung zu stellen. Daran ändere auch der in der Berufung vorgebrachte Umstand, dass ihr Vater nun monatlich EUR 1.133,83 netto verdiene, nichts. Dieser sei selbst serbischer Staatsangehöriger und komme daher als "Zusammenführender" nicht in Frage. Auch dessen Einkommen reiche jedoch keinesfalls aus, um der Beschwerdeführerin Unterhalt in der dargestellten Höhe zu gewähren. Der ihrem Großvater im Februar 2007 von der Bausparkasse Wüstenrot ausbezahlte Betrag von EUR 10.449,45 führe zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen sei nicht dargelegt oder glaubhaft gemacht worden, dass der Beschwerdeführerin von diesem Geld Unterhalt geleistet werde, zum anderen sei die Gutschrift auf ein gemeinsames Konto ihrer Großeltern erfolgt, weshalb nicht ersichtlich sei, ob ihr Großvater tatsächlich Begünstigter dieser Zahlung und inwieweit er darüber verfügungsberechtigt sei.

Der im § 11 Abs. 2 Z 4 NAG normierte Versagungsgrund sei daher verwirklicht, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 55 und 66 FPG - im Grunde des § 54 Abs. 1 FPG gegeben gewesen seien.

Im Zusammenhang mit der Interessenabwägung nach § 66 FPG hielt die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin ledig und ohne Sorgepflichten sei. Es bestehe eine familiäre Bindung zu ihrer Schwester, die jedoch mit Bescheid vom selben Tag aus dem gleichen Grunde ausgewiesen worden sei, sowie zu ihrem Vater, gegen den ein Aufenthaltsverbotsverfahren anhängig sei, und zu ihren Großeltern. Die Mutter der Beschwerdeführerin lebe nach der Aktenlage im Heimatstaat. Aus diesen Gründen sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten sei. So komme gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße die Beschwerdeführerin im Hinblick auf den dargelegten Versagungsgrund jedoch gravierend, weil dadurch die Gefahr bestehe, sie könnte sich die für ihren Aufenthalt erforderlichen Mittel durch unrechtmäßiges oder strafbares Verhalten zu finanzieren trachten. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration wiege gering, sei die Beschwerdeführerin doch zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts nicht imstande und "ohne Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt". Ihre familiären Bindungen relativierten sich dadurch, dass auch ihre Schwester ausgewiesen werden müsse und gegen ihren Vater ein Aufenthaltsverbotsverfahren wegen mehrerer Straftaten anhängig sei. Sie selbst sei längst volljährig. Das ihr zuzusprechende Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet sei daher zwar nicht unerheblich, keinesfalls jedoch ausgeprägt.

Die belangte Behörde kam daher zum Schluss, dass die Erlassung der Ausweisung auch iSd § 66 FPG zulässig sei und deren Auswirkung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wiege als das hohe öffentliche Interesse daran, dass die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet verlasse. Dabei sei auch bedacht worden, dass sie - wenn auch eingeschränkt -

den Kontakt zu ihren Familienangehörigen auch vom Ausland aus wahrnehmen könne. Diese Einschränkung habe sie im öffentlichen Interesse zu tragen. Dass einer Ausreise (allenfalls gemeinsam mit ihrer Schwester) unüberwindbare Hindernisse entgegenstünden, habe sie nicht geltend gemacht; "ein Sachverhalt gemäß § 55 FPG liege nicht vor". Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände sah die belangte Behörde schließlich auch keine Veranlassung, von der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen ist. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG, des NAG oder des ASVG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids (Juli 2008) geltende Fassung der genannten Gesetze.

Da sich die Beschwerdeführerin während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält, kann sie gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FPG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht. Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung der Gebietskörperschaft führen könnte. Dies ist nach § 11 Abs. 5 NAG dann der Fall, wenn der Fremde feste und regelmäßige Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und die der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen.

Der Fremde hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass er nicht nur über die Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0111).

Die Beschwerde rügt zunächst ausschließlich die Nichtberücksichtigung des Einkommens des Vaters der Beschwerdeführerin sowie des Bausparguthabens.

Sie brachte dazu lediglich vor, dass das Einkommen ihres Vaters, der monatlich netto zwölfmal jährlich rund EUR 1.323,-- verdiene, nicht entsprechend berücksichtigt worden sei, ebenso wie der Umstand, dass ihrem Großvater im Februar 2007 von der Bausparkasse Wüstenrot ein Betrag von rund EUR 10.450,-- ausbezahlt worden sei, der ebenfalls zu ihrem Unterhalt beigetragen habe und in weiterer Folge auch beitragen werde.

Im Zusammenhang mit dem Sparguthaben tritt die Beschwerde den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden sei, dass der Beschwerdeführerin aus diesem Betrag auch tatsächlich Unterhalt geleistet werde, jedoch überhaupt nicht argumentativ entgegen. Auch die von der belangten Behörde angenommene fehlende Verfügungsberechtigung des Großvaters der Beschwerdeführerin über dieses Guthaben bleibt unbekämpft. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang in der Beschwerde lediglich vorbringt, dass der im Februar 2007 von der Bausparkasse ausbezahlte Betrag "zu meinem Unterhalt beigetragen hat und in weiterer Folge auch beitragen wird", legt sie überdies nicht konkret dar, welcher Betrag allenfalls noch für ihren Unterhalt zur Verfügung gestanden und zu berücksichtigen gewesen wäre. Eine Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides wird insoweit daher nicht aufgezeigt.

Soweit die Beschwerdeführerin die Einbeziehung des Einkommens ihres Vaters begehrt, kann bereits im Hinblick auf dessen Höhe dahingestellt bleiben, ob dieses im konkreten Fall zu berücksichtigen gewesen wäre, weil selbst in diesem Fall der nach dem maßgeblichen Richtsatz des § 293 Abs. 1 lit. a ASVG erforderliche Betrag nicht erreich würde. Weitere Argumente dafür, dass ausreichende Unterhaltsmittel vorlägen, werden in der Beschwerde nicht vorgetragen, sodass insgesamt eine Rechtswidrigkeit der Beurteilung durch die belangte Behörde, dass eine allgemeine Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht erfüllt sei und ein Versagungsgrund iSd § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG vorliege, nicht aufgezeigt wird.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa jüngst das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0015, mwN).

Die Beschwerdeführerin tritt auch der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung nicht konkret entgegen, sondern verweist bloß pauschal auf ihre "engen familiären Bindungen zu Österreich". Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf, ging die belangte Behörde doch deswegen ohnedies davon aus, dass mit der Ausweisung ein Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin verbunden sei. Weitere, von der belangten Behörde noch nicht berücksichtigte Umstände sind auch der Beschwerde nicht zu entnehmen.

Angesichts der Dauer des bisherigen inländischen Aufenthalts von etwa viereinhalb Jahren und der daraus ableitbaren Integration sowie der familiären Bindungen der volljährigen Beschwerdeführerin zu ihren Großeltern, ihrem Vater und einer selbst bereits verheirateten Schwester ist mit der Ausweisung ein relevanter Eingriff in deren Privat- und Familienleben verbunden. Diesen persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet stellte die belangte Behörde jedoch zu Recht die aus der Verwirklichung des Fehlens der Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Wenn die belangte Behörde bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen zum Schluss gelangte, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und auch verhältnismäßig sei (§ 66 FPG), ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unverhältnismäßig angesehen und die Ermessensübung nicht zu ihren Gunsten vorgenommen hat.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
GAAAE-93345