TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 19.01.2012, 2011/23/0271

VwGH vom 19.01.2012, 2011/23/0271

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/226737/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, lebt seit seiner Geburt am ständig in Österreich.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon ein Teil von 10 Monaten zunächst bedingt nachgesehen wurde. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am in Wien gemeinsam mit Mittätern einem Passanten nach dem Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten sein Mobiltelefon weggenommen hatte.

Am wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich wurden die bedingte Strafnachsicht und die gnadenweise Entlassung aus der Haft bezüglich der ersten Verurteilung widerrufen. Diesem Schuldspruch lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am gemeinsam mit Mittätern einen Angestellten der Hotel- und Tourismusschule "Modul" mit einer Stahlrute bedroht und niedergeschlagen sowie anschließend aus den Hotelsafes EUR 3.000,-- Bargeld geraubt hatte.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Diese Maßnahme begründete die belangte Behörde mit den eingangs dargestellten rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers der über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfüge. Zu den familiären Verhältnissen führte die belangte Behörde aus, dass die Mutter und ein Bruder des Beschwerdeführers in Österreich lebten, während sich sein Vater in Serbien aufhalte. Berufliche Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bestünden nicht, weil er seit Mitte 2006 keiner legalen Beschäftigung mehr nachgegangen und auch davor nur sporadisch beschäftigt gewesen sei. Bei den vom Beschwerdeführer gemeinsam mit Mittätern begangenen zwei Raubüberfällen sei erhebliche, zum Teil brutale Gewalt ausgeübt worden. Er habe damit eine besonders starke Gefährdung der öffentlichen Ordnung sowie der Gesundheit und des Eigentums anderer bewirkt. Auf Grund dieses persönlichen Verhaltens könne davon ausgegangen werden, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet werde. Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers sei zudem eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Die belangte Behörde erachtete davon ausgehend den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG für verwirklicht und durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme für gerechtfertigt. Der Ausschlusstatbestand des § 61 Z 4 FPG wurde von der belangten Behörde im Hinblick auf die Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zweieinhalb Jahren verneint.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass einer allfälligen, aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das wiederholte strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Schon von daher müssten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den erwähnten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten. Eine positive Verhaltensprognose sei für den Beschwerdeführer wegen der zwei Verurteilungen und dem überaus erheblichen Unrechtsgehalt, der aus dem diesen zu Grunde liegenden strafbaren Verhalten resultiere, keinesfalls möglich, zumal nur eine kurze Zeit zwischen den beiden Verurteilungen verstrichen sei und der Beschwerdeführer die ihm nach der ersten Verurteilung "eingeräumte Chance" nicht ergriffen habe. Abschließend verneinte die belangte Behörde die Möglichkeit einer Ermessensübung im Hinblick auf § 55 Abs. 3 Z 1 und § 56 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof auf Basis der Sach- und Rechtslage seiner Erlassung zu überprüfen ist. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Juni 2008) geltende Fassung des genannten Gesetzes.

Ausgehend von den im angefochtenen Bescheid dargestellten und vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen ist der von der belangten Behörde herangezogene Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG unzweifelhaft - und vom Beschwerdeführer auch unbestritten - erfüllt.

Die Beschwerde wendet gegen die Gefährdungsprognose ein, dass die Freiheitsstrafe eher an der unteren Grenze des Strafrahmens ausgemessen worden sei, was den Schluss zulasse, dass das Gericht von einer nicht allzu gravierenden Vorgangsweise ausgegangen sei und es somit dem Strafurteil eine durchaus nicht negative Zukunftsprognose zu Grunde gelegt habe.

Vorweg ist festzuhalten, dass nach der Aktenlage zwar Anhaltspunkte bestehen, dem Beschwerdeführer käme die Rechtsstellung eines "langfristigen aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen" zu, gegen den eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur bei Vorliegen der im § 56 FPG genannten Voraussetzungen zulässig ist (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603). Trotzdem wurde der Beschwerdeführer durch die Beurteilung der belangten Behörde ausschließlich nach § 60 FPG fallbezogen nicht in Rechten verletzt, weil in Anbetracht der gegen ihn ergangenen Verurteilungen und des den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Verhaltens ohne Zweifel jedenfalls auch das Vorliegen der in § 56 FPG umschriebenen Gefährdung zu bejahen war.

Dem dargestellten Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die im gegebenen Zusammenhang anzustellende Gefährdungsprognose von der belangten Behörde allein aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmen ist; die Erwägungen des Strafgerichtes können insoweit nicht als ausschlaggebend angesehen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0571, mwN). Ungeachtet dessen kann angesichts der Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten bei einem - gemäß § 36 StGB im Hinblick auf das Alter unter 21 Jahren herabgesetzten - Mindestmaß der Strafdrohung von einem Jahr keineswegs von einer besonders milden Bestrafung ausgegangen werden. Außerdem übersieht die Beschwerde in diesem Zusammenhang, dass gleichzeitig mit der zweiten Verurteilung die vorläufige Nachsicht des bedingten Strafteils der ersten Freiheitsstrafe, aber auch die bedingte - gnadenweise erfolgte - Entlassung aus der ersten Strafhaft, widerrufen wurden. Schon aus diesem Grund relativierte sich der Einwand, das Strafgericht habe durch die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe eine positive Zukunftsprognose abgegeben.

Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist, würde ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreifen, diese Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist das Aufenthaltsverbot unzulässig, wenn dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung.

Wenn die Beschwerde unter diesem Gesichtspunkt meint, dass angesichts der Geburt des Beschwerdeführers in Österreich, des Aufenthalts seiner Mutter und seines Bruders und im Hinblick auf die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit als Maler und Anstreicher von einer "erheblichen Integration" auszugehen sei, zeigt sie in diesem Zusammenhang keine Umstände auf, auf welche die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend Bedacht genommen hätte. Im Hinblick auf das überaus große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten der vorliegenden Art und angesichts der - wie erwähnt - zweimaligen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen auf derselben schädlichen Neigung beruhender schwerer Verbrechen sowie seines raschen Rückfalls in offener Probezeit, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das verhängte Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele dringend geboten sei und die persönlichen Interessen die gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht überwögen keinen Bedenken.

Unter dem Gesichtspunkt des der Behörde nach § 60 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens bringt der Beschwerdeführer letztlich noch vor, dass die Freiheitsstrafe, zu der er zuletzt verurteilt worden sei, nur sechs Monate über der Grenze des § 61 Z 4 FPG liege.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass gemäß § 61 Z 4 FPG ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden darf, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, es sei denn, der Fremde wäre (u.a.) wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Angesichts der letzten Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten hat die belangte Behörde diesen Ausschlussgrund für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu Recht verneint, was auch die Beschwerde nicht bestreitet. Aber auch die Ermessunsübung hätte trotz Überschreitung der genannten Untergrenze der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe um nur sechs Monate nicht anders ausfallen müssen. Bei der - hier vorliegenden - zweimaligen Verurteilung wegen auf derselben schädlichen Neigung beruhender schwerer Verbrechen (und damit im § 55 Abs. 3 FPG genannter strafbarer Handlungen) und unter Berücksichtigung des raschen Rückfalls in offener Probezeit wäre nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzes gelegen (vgl. abermals das bereits erwähnte Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0397, mwN).

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am