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VwGH vom 24.11.2011, 2011/23/0269

VwGH vom 24.11.2011, 2011/23/0269

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der N, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 18/1/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/214.460/2008, betreffend Zurückweisung einer Berufung als verspätet in einer Angelegenheit nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , mit welchem unter anderem gegen die Beschwerdeführerin, eine ukrainische Staatsangehörige, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden war, als verspätet zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, der erstinstanzliche Bescheid sei der Beschwerdeführerin zu Handen ihres rechtsfreundlichen Vertreters am zugestellt worden. Die Berufungsfrist habe demzufolge am geendet. Die erst am zur Post gegebene Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde ging hinsichtlich des Datums der Postaufgabe der Berufung vom Stempelaufdruck auf dem Kuvert, mit dem die Berufung übermittelt wurde, aus. Die Beschwerde macht dagegen geltend, dass der Beschwerdeführerin die beabsichtigte Entscheidung, die Berufung als verspätet anzusehen, nicht vorgehalten worden sei. Tatsächlich sei die Berufung bereits am (und damit am letzten Tag der Frist) der Post zur Beförderung übergeben worden. Zum Nachweis hiefür wurden ein Postaufgabeschein mit Poststempel sowie Aufzeichnungen des Beschwerdevertreters über die Postaufgabe vorgelegt.

Dieses Beschwerdevorbringen zeigt einen relevanten Verfahrensmangel auf.

Zwar ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass der Tag der Postaufgabe grundsätzlich durch den Poststempel nachgewiesen wird. Der Gegenbeweis, eine Briefsendung trage nicht den Poststempel mit dem Datum des Tages der Postaufgabe, ist jedoch zulässig (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 94/09/0300). Vor Zurückweisung einer Berufung als verspätet hat die Behörde daher dem Berufungswerber die offenbare Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Unterlässt sie dies und geht sie von der Versäumung der Rechtsmittelfrist aus, ohne dies dem Rechtsmittelwerber vorgehalten zu haben, so hat sie daher das Risiko einer Bescheidaufhebung zu tragen (siehe etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2005/01/0600).

Sollte sich im gegenständlichen Fall das Vorbringen der Beschwerdeführerin einer Postaufgabe bereits am als richtig erweisen, wäre die Berufung rechtzeitig eingebracht worden. Der belangten Behörde - die einen Verspätungsvorhalt unterließ - ist daher ein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen. Im fortzusetzenden Verfahren wird die belangte Behörde zum Postaufgabeschein eine Stellungnahme der Post einzuholen und danach unter sorgfältiger Berücksichtigung des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens in freier Beweiswürdigung zu beurteilen haben, ob die Berufung rechtzeitig eingebracht worden ist oder nicht.

Den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zu von ihr nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens durchgeführten Erhebungen ist entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Gegenschrift kein geeigneter Platz ist, um im angefochtenen Bescheid Versäumtes nachzuholen. Dies gilt umso mehr, wenn dem Beschwerdeführer im verwaltungsbehördlichen Verfahren keine Gelegenheit geboten worden war, zu dem - der Entscheidung gar nicht zu Grunde gelegten - Sachverhalt Stellung zu nehmen (siehe in diesem Sinne das Erkenntnis vom , Zl. 95/20/0491).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am