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VwGH vom 27.09.2007, 2007/11/0166

VwGH vom 27.09.2007, 2007/11/0166

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der V Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Mag. Dr. Erhard Buder und DDr. Gabriele Herberstein, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 94/15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 62- III/33956/04, betreffend Kosten einer Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den

23. Bezirk, trug mit Bescheid vom dem A.K., Eigentümer der Liegenschaft 1230 Wien, K-Gasse 356, in Anwendung der Wiener Reinhalteverordnung 1982 auf, den auf diesem Grundstück befindlichen sanitären Übelstand in Form von "diversem Gerümpel, Haushaltsrestmüll und Sperrmüll in einem Gesamtausmaß von ca. 5 m2" innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu entfernen.

Mit Schreiben vom erging vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6-Rechnungsamt (MA 6), an A.K. die Androhung der Ersatzvornahme bezüglich der im Bescheid vom auferlegten Verpflichtung. Mit Bescheid vom ordnete die MA 6 gegenüber dem A.K. die Ersatzvornahme an.

Darauf erfolgte die Ersatzvornahme, die Ausführenden legten entsprechende Rechnungen.

Mit Schreiben vom übermittelte die MA 6 dem A.K. diese Rechnungen mit der Erklärung, dass die Rechnungen auf ihre rechnerische Richtigkeit überprüft und die ordnungsgemäße und richtige Leistung bestätigt worden seien. Am erließ die MA 6 gemäß § 11 Abs. 1 VVG einen Kostenbescheid, mit welchem dem A.K. Kosten in der Höhe von EUR 4.135,56 (einschließlich der Auslagen der Behörde gem. § 11 Abs. 3 VVG) sowie Zinsen zur Zahlung binnen zwei Wochen nach Rechtskraft des Kostenbescheides auferlegt wurden.

In der Folge wurde erhoben, dass A.K. am verstorben ist. Das Verlassenschaftsverfahren wurde vom Bezirksgericht St. Pölten zur Zl. 1A 522/02a geführt. Gerichtskommissär war Dr. H. G., öffentlicher Notar in Herzogenburg; Verlassenschaftskurator war Mag. F. K., Notar-Partner in St. Pölten.

Am erließ die MA 6 unter der Geschäftszahl MA 6-EuVD-B/23/4/2002 einen neuen Kostenbescheid nach § 11 Abs. 1 VVG, mit welchem sie der Verlassenschaft nach A.K. die Kosten der Ersatzvornahme auferlegte. Diesen Bescheid richtete sie an die Verlassenschaft nach A. K. zu Handen "RA" Mag. Dr. H. G. in Herzogenburg; dieser Bescheid wurde am dem Gerichtskommissär, dem öffentlichen Notar Dr. H. G. zugestellt.

Der Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens ist im sog. "Mantelbeschluss" des BG St. Pölten vom dokumentiert. Darin wurde festgehalten, dass der Legats- und Pflichtteilserfüllungsausweis als erbracht und das Testament vom als erfüllt angesehen wurde (die Liegenschaft des Titelbescheides war Gegenstand eines Legates zu Gunsten des mj. M. K.). Der Nachlass wurde der Beschwerdeführerin eingeantwortet und das Verlassenschaftsverfahren für beendet erklärt. Vom selben Tag stammt die Einantwortungsurkunde, wonach der Nachlass der Beschwerdeführerin, die sich mit der Rechtwohltat des Inventars zur Erbin erklärt hatte, zur Gänze eingeantwortet worden war.

Die MA 6 hat mit einem Schreiben vom den an die Verlassenschaft gerichteten Kostenbescheid vom der Beschwerdeführerin übermittelt, wozu die Beschwerdeführerin in einem Schreiben vom Stellung genommen hat. Es sei mit Beschluss des Abhandlungsgerichtes vom das Gläubigeredikt gemäß § 813 ABGB erlassen und alle Gläubiger aufgefordert worden, ihre Ansprüche beim Abhandlungsgericht am mündlich oder bis zu diesem Tage schriftlich anzumelden und nachzuweisen. Die MA 6 sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen und die Anmeldefrist sei versäumt. Es stünden der MA 6 daher keine weiteren Ansprüche gegen die Verlassenschaft bzw. gegen die Beschwerdeführerin als Erbin zu.

In einem Schreiben vom beanstandete die Beschwerdeführerin, dass der Kostenbescheid an den Gerichtskommissär und nicht an den Verlassenschaftskurator Mag. F. K. zugestellt worden sei. Die Forderung laut Kostenbescheid vom scheine im Hauptinventar vom nicht auf. Der im Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom ausgewiesene Reinnachlass von EUR 379.684,94 sei mit Verfahrenskosten von EUR 43.995,14 belastet und es hätte aus dem Nachlass ein Legat über EUR 342.000,-- ausgefolgt werden müssen, sodass der Nachlass bereits am Todestag mit EUR 6.310,20 überschuldet gewesen sei.

Daraufhin richtete die MA 6 einen mit datierten Kostenbescheid an die Beschwerdeführerin und verpflichtete diese gemäß § 11 Abs. 1 VVG zur Zahlung der durch die erwähnte Ersatzvornahme verursachten Kosten in Höhe von EUR 4.135,56 und gemäß § 11 Abs. 4 VVG zur Zahlung näher genannter Finanzierungskosten. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am zugestellt.

In dem an die MA 6 gerichteten Schreiben vom

führte die Beschwerdeführerin wie folgt aus:

"Betrifft: MA 6-EuVD-B/23/4/2002

Wien 23., K-Gasse 356

Sehr geehrte Damen und Herren !

Wir beziehen uns auf den mit Schreiben vom übermittelten rechtskräftigen Kostenbescheid vom gegen die Verlassenschaft nach A.K., deren eingeantwortete Erbin unsere Gesellschaft ist.

Zu Ihrer Forderung dürfen wir wie folgt Stellung nehmen:

Im Verlassenschaftsverfahren nach Herrn A.K., das beim Bezirksgericht St. Pölten zu 1 A 522/02a geführt wurde, wurde mit Beschluss des Abhandlungsgerichtes vom das Gläubigeredikt gemäß § 133 AP (§ 813 ABGB) erlassen und alle Gläubiger aufgefordert, ihre Ansprüche beim Abhandlungsgericht am mündlich, oder bis zu diesem Tage schriftlich anzumelden und nachzuweisen.

Nach der Aktenlage sind Sie dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen und haben damit die Anmeldungsfrist versäumt.

Da Sie nicht zum Kreis der durch ein Pfandrecht versicherten Gläubiger gehören und die Verlassenschaft durch die fristgerecht angemeldeten Forderungen erschöpft ist, stehen Ihnen keine weiteren Ansprüche gegen die Verlassenschaft bzw. gegen uns als deren Erbin zu.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme zeichnen wir

..."

Im angefochtenen Bescheid qualifizierte die belangte Behörde das Schreiben der Beschwerdeführerin vom als Berufung gegen den Bescheid vom und änderte den letztgenannten Bescheid dahin ab, dass die Beschwerdeführerin den Betrag von EUR 4.135,56, nicht aber auch die gleichzeitig vorgeschriebenen Finanzierungskosten zu leisten habe.

Über die dagegen erhobene Beschwerde, zu der von der belangten Behörde der Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides setzt das Vorliegen einer Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom voraus. Im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass das zitierte Schreiben der Beschwerdeführerin vom als Berufung anzusehen sei. Diese Ansicht ist aus folgenden Gründen unzutreffend:

Im Schreiben vom nimmt die Beschwerdeführerin ausdrücklich - und ausschließlich - Bezug auf den bereits rechtskräftig gewordenen Kostenbescheid vom , der an die Verlassenschaft nach A.K. gerichtet war, und vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass die belangte Behörde keine Ansprüche gegen die Beschwerdeführerin mehr geltend machen könne. Diese Stellungnahme beinhaltet somit einen Rechtsstandpunkt, der nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen ist, weshalb es nicht Aufgabe der belangten Behörde war, diese Stellungnahme umzudeuten oder die Beschwerdeführerin zur Klarstellung aufzufordern. Da sich aber einerseits aus dem Inhalt der Stellungnahme nicht ergibt, dass die Beschwerdeführerin mit diesem Schreiben überhaupt eine Berufung erheben wollte (auch ein Berufungsantrag findet sich darin nicht) und andererseits der Bescheid vom in der Stellungnahme gar nicht als bekämpfter Bescheid genannt wird - vielmehr nimmt die Beschwerdeführerin, wie erwähnt, ausdrücklich auf einen früheren, bereits rechtskräftigen Bescheid Bezug -, durfte die belangte Behörde nicht vom Vorliegen einer Berufung gegen den Bescheid vom ausgehen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, unter E. 122 zu § 63 AVG referierte Judikatur).

Die belangte Behörde hat somit zu Unrecht ihre Zuständigkeit als Berufungsbehörde angenommen, was der Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen hat (vgl. die bei Mayer, B-VG (2002), unter III.1. zu § 42 VwGG referierte Judikatur).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil sich der Schriftsatzaufwand aus der genannten Verordnung ergibt und im Pauschbetrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am