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VwGH 21.04.2016, Ro 2015/11/0004

VwGH 21.04.2016, Ro 2015/11/0004

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
ÄrzteG 1998 §109;
ÄrzteG 1998 §2 Abs2;
PsychotherapieG §1;
PsychotherapieG §24 Abs2;
RS 1
Der VwGH hat im E vom , 2009/11/0002, zur Frage der Abgrenzung zwischen ärztlicher Tätigkeit und Tätigkeiten im Rahmen der Psychotherapie Stellung genommen und unter Bezugnahme auch auf die Gesetzesmaterialien des PsychotherapieG klargestellt, dass einerseits Psychotherapie nicht mehr allein den Ärzten vorbehalten ist (§ 24 Abs. 2 PsychotherapieG), andererseits aber eine bestehende Berufsberechtigung nach dem ÄrzteG 1998 durch das PsychotherapieG auch nicht beschnitten wird. Auch der Umstand, dass die "gleiche" Tätigkeit - Psychotherapie - einmal von einem Arzt, einmal von einem Nichtarzt ausgeübt werden kann, begründet nicht zwangsläufig, dass es sich dabei um eine nichtärztliche Tätigkeit handelt. Der Umstand, dass beide Berufe, also sowohl die ärztliche als auch die psychotherapeutische Tätigkeit, nur auf wissenschaftlicher Grundlage ausgeübt werden dürfen (§ 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 und § 1 PsychotherapieG), legt es nahe, bei der Beantwortung der gestellten Abgrenzungsfrage auf den Ausbildungsgang zurückzugreifen, also darauf, welche konkrete Ausbildung Grundlage für die nun ausgeübte strittige Tätigkeit bildet. Dies erfordert nicht zuletzt konkrete Feststellungen auch zur konkreten ärztlichen Berufsberechtigung.
Normen
ÄrzteG 1998 §109;
ÄrzteG 1998 §2 Abs2;
PsychotherapieG §1;
RS 2
Die durch einen Arzt ausgeübte psychotherapeutische Tätigkeit stellt, wenn sie von dessen ärztlicher Berufsberechtigung umfasst ist, eine ärztliche Tätigkeit iSd § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 dar.
Normen
ÄrzteG 1998 §109;
ÄrzteG 1998 §2 Abs2;
ÄrzteG 1998 §29 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998 §31 Abs2;
RS 3
Die Ärztin ist entsprechend ihrer Eintragung in die Ärzteliste als Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin zur selbständigen (eigenverantwortlichen) Ausübung des Berufes einer solchen Fachärztin berechtigt und daher schon gemäß § 31 Abs. 2 ÄrzteG 1998 befugt, als Ärztin die Psychotherapie freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses auszuüben. Dem steht nicht entgegen, dass sie es unterlassen hat, die (aufgrund der letztzitierten Bestimmung nur deklarativ wirkende) Meldung betreffend einen Berufssitz (Ordination, Praxis) für die freiberufliche Ausübung der genannten fachärztlichen Tätigkeit gemäß § 29 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 zu erstatten. Es ist somit davon auszugehen, dass (auch) die (freiberufliche) Ausübung der Psychotherapie von der ärztlichen Berufsberechtigung der Ärztin umfasst ist, sodass die von ihr daraus erzielten Einnahmen solche aus ärztlicher Tätigkeit iSd § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 darstellen und gemäß § 109 leg. cit. in die Bemessungsgrundlage für die Fondsbeiträge einzubeziehen sind.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, vertreten durch die PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Julius Raab-Platz 4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-162/076/10430/2014-17, betreffend Beitrag zum Wohlfahrtsfonds für das Jahr 2012 (mitbeteiligte Partei: DDr. I M in W; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom wurde der Fondsbeitrag der Mitbeteiligten für das Jahr 2012 auf der zahlenmäßig näher konkretisierten Beitragsbemessungsgrundlage (Einnahmen aus dem Jahr 2009) festgesetzt. Gleichzeitig wurde unter Berücksichtigung der vorläufig entrichteten Fondsbeiträge ein Beitragsrückstand festgestellt.

Dagegen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde, weil in die Bemessungsgrundlage nicht nur ihre Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit, sondern auch der Gewinn aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Psychotherapeutin in Höhe von EUR 9.279,75 einbezogen worden seien. Die Einkünfte aus ihrer psychotherapeutischen Tätigkeit seien nämlich, so die Rechtsansicht der Mitbeteiligten, nicht als solche aus ärztlicher Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 zu qualifizieren.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten insoweit Folge, als es die Bemessungsgrundlage um den genannten Gewinn in Höhe von EUR 9.279,75 reduzierte. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

In der Begründung gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die Mitbeteiligte, die einerseits "Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie" sowie "Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin" und andererseits in die Liste der Psychotherapeuten eingetragen sei, bei der Anwendung wissenschaftlich-psychotherapeutischer Methoden "als selbständig

tätige Psychotherapeutin ... nach den Bestimmungen des

Psychotherapiegesetzes" (und nicht als Ärztin) tätig sei.

Zur Zulässigkeit der Revision wurde lediglich ausgeführt, dass es trotz des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2009/11/0002, an einer "über den Sachverhalt des zitierten Erkenntnisses hinausgehenden" Rechtsprechung zur Frage, ob die Tätigkeit der Mitbeteiligten als selbständige Tätigkeit iSd § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 zu qualifizieren sei, fehle.

Dagegen richtet sich die vorliegende Revision der belangten Behörde, in der zur Zulässigkeit ergänzend vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen "ärztlicher und nichtärztlicher Psychotherapie" in jenen Fällen, in denen der Betreffende schon aufgrund seiner ärztlichen Berufsberechtigung zur Ausübung der Psychotherapie berechtigt sei.

Das Verwaltungsgericht legte die Akten des Verfahrens vor, Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Zulässigkeit der Revision ist unter Bedachtnahme auf ihre diesbezüglichen ergänzenden Ausführungen gegeben. Die Revision ist, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, auch begründet:

1.1. Als entscheidungsrelevanten Sachverhalt stellte das Verwaltungsgericht fest, die Mitbeteiligte sei (nach Absolvierung des psychotherapeutischen Propädeutikums im Jahr 1995 und des psychotherapeutischen Fachspezifikums im Jahr 1998) in die Liste der Psychotherapeuten eingetragen und mit Schreiben des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom darüber informiert worden, dass sie zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt sei.

Außerdem sei die Mitbeteiligte seit als angestellte "Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie" im X-Spital tätig und als solche in die Ärzteliste eingetragen. Seit dem Jahr 2009 sei die Mitbeteiligte auch als nicht selbständig tätige "Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin" in die Ärzteliste eingetragen.

Die Leistungen in ihrer psychotherapeutischen Praxis verrechne die Mitbeteiligte über die Wiener Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung mit der Wiener Gebietskrankenkasse.

1.2. Im vorliegenden Fall gehe es ausschließlich um die Frage, ob die psychotherapeutische Tätigkeit der Mitbeteiligten als ärztliche Tätigkeit iSd § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 zu qualifizieren sei und daher die daraus resultierenden Einkünfte (gemäß § 109 ÄrzteG 1998 und Abschnitt I der Beitragsordnung) in die Bemessungsgrundlage für den Fondsbeitrag einzubeziehen seien.

Diese Frage sei unter Berücksichtigung bestehender Judikatur (Zitate aus den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom , B 894/2013-9, und des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2009/11/0002) zunächst danach zu beurteilen, welche Ausbildung die Grundlage der konkreten psychotherapeutischen Tätigkeit bilde. Bei der Mitbeteiligten sei davon auszugehen, dass diese sowohl aufgrund der dargestellten Ausbildung als Psychotherapeutin in Verbindung mit der Eintragung in die Liste der Psychotherapeuten als auch als "Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin" (§ 31 ÄrzteG 1998 iVm § 10 Abs. 2 und Anlage 37 Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsverordnung 2006 - ÄAO 2006) berechtigt sei, Leistungen im Bereich der Psychotherapie zu erbringen.

Bei der gegenständlichen Abgrenzung sei daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichts auch zu berücksichtigen, dass die Mitbeteiligte bereits seit dem Jahr 1998 zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt sei, wohingegen sie erst im Jahr 2009 als Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin in die Ärzteliste eingetragen worden sei, und dass sie glaubhaft vorgebracht habe, dass die genannte Eintragung in die Ärzteliste nichts an ihrer Tätigkeit als Psychotherapeutin geändert habe; insbesondere verschreibe sie keine Medikamente.

Schließlich erscheine auch der Umstand relevant, dass sich die Mitbeteiligte bei Ausübung ihrer psychotherapeutischen Tätigkeit nicht auf ihre Facharztausbildung bezogen habe und dass sie in die Ärzteliste nur als "angestellte" Fachärztin der genannten Sonderfächer eingetragen, und somit nicht zur selbständigen Ausübung dieser ärztlichen Tätigkeit berechtigt sei. Unerheblich sei hingegen die genannte Art der Verrechnung der psychotherapeutischen Leistungen.

1.3. Das Verwaltungsgericht gelange daher zur Rechtsansicht, dass die Mitbeteiligte zwar über "beide Ausbildungen" zur Ausübung der Psychotherapie verfüge (Ausbildung als Psychotherapeutin und Ausbildung als Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin), jedoch mangels entsprechender Eintragung in die Ärzteliste gemäß § 27 Abs. 1 ÄrzteG 1998 "nicht zur selbständigen Ausübung als Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin berechtigt sei". Sie sei daher im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit bei der Anwendung wissenschaftlichpsychotherapeutischer Methoden aufgrund ihrer Ausbildung nach dem Psychotherapiegesetz tätig, sodass die daraus resultierenden Einkünfte nicht als Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien.

2. Im vorliegenden Fall sind hinsichtlich des maßgebenden Zeitpunktes der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses folgende Rechtsvorschriften von Bedeutung:

2.1. Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 idF BGBl. I Nr. 32/2014 (ÄrzteG 1998):

"1. Hauptstück

Ärzteordnung

1. Abschnitt

Berufsordnung für Ärzte

Begriffsbestimmung

§ 1. Soweit in den einzelnen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, bezieht sich in diesem Bundesgesetz

1. die allgemeine Bezeichnung ‚Arzt' (‚ärztlich') auf alle Ärzte, die über eine Berufsberechtigung als ‚Arzt für Allgemeinmedizin', ‚approbierter Arzt', ‚Facharzt' oder ‚Turnusarzt' verfügen,

2. die Bezeichnung ‚Turnusarzt' auf alle Turnusärzte in Ausbildung.

Der Beruf des Arztes

§ 2. (1) Der Arzt ist zur Ausübung der Medizin berufen.

(2) Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfaßt jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere

1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Mißbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind;

2. die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;

3.

die Behandlung solcher Zustände (Z 1);

4.

die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut;

5.

die Vorbeugung von Erkrankungen;

6.

die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe;

7. die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen Hilfsmitteln;

8. die Vornahme von Leichenöffnungen.

(3) Jeder zur selbständigen Ausübung des Berufes berechtigte Arzt ist befugt, ärztliche Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten.

§ 3. (1) Die selbstständige Ausübung des ärztlichen Berufes ist ausschließlich Ärzten für Allgemeinmedizin und approbierten Ärzten sowie Fachärzten vorbehalten.

(2) Die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes besteht in der eigenverantwortlichen Ausführung der im § 2 Abs. 2 und 3 umschriebenen Tätigkeiten, gleichgültig, ob solche Tätigkeiten freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt werden.

(3) Die in Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt befindlichen Ärzte (Turnusärzte) sind lediglich zur unselbstständigen Ausübung der im § 2 Abs. 2 und 3 umschriebenen Tätigkeiten in den gemäß §§ 9 bis 11 als Ausbildungsstätten anerkannten Einrichtungen, im Rahmen von Lehrpraxen bzw. Lehrgruppenpraxen oder in Lehrambulatorien unter Anleitung und Aufsicht der ausbildenden Ärzte berechtigt. ...

...

Erfordernisse zur Berufsausübung

§ 4. (1) Zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als approbierter Arzt, als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt bedarf es, unbeschadet der §§ 32 bis 35, 36, 36a und 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

...

Verordnung über die Ärzte-Ausbildung

§ 24. (1) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen hat unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der medizinischwissenschaftlichen Erkenntnisse nach Anhörung der Österreichischen Ärztekammer durch Verordnung Näheres zu bestimmen über

1. die für die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin und die Ausbildung zum Facharzt vorzusehenden Ausbildungserfordernisse einschließlich Definition des Aufgabengebietes, Ziele der Ausbildung und Umfang der Ausbildung (Ausbildungsfächer samt Dauer), ausgenommen die Arztprüfung (Prüfung zum Arzt für Allgemeinmedizin und Facharztprüfung), ...

...

Ärzteliste und Eintragungsverfahren

§ 27. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern in den Bundesländern die Anmeldungen für die Ausübung des ärztlichen Berufes entgegenzunehmen und eine Liste der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen (Ärzteliste) jedenfalls mit folgenden Daten zu führen:

2.

Eintragungsnummer,

2.

Vorname(-n) und Zuname, gegebenenfalls Geburtsname,

8. Berufssitze und Dienstorte,

10. Berufsbezeichnungen samt allfälligen amtlich verliehenen Titeln und Zusätzen gemäß § 43 Abs. 4,

11. Diplome der Österreichischen Ärztekammer oder der Ärztekammern in den Bundesländern,

12. Ausbildungsbezeichnungen gemäß § 44 Abs. 2,

...

§ 29. (1) Der Österreichischen Ärztekammer sind vom Arzt im Wege der Ärztekammern in den Bundesländern binnen einer Woche ferner folgende schriftliche Meldungen zu erstatten:

1.

jede Namensänderung;

2.

jede Eröffnung bzw. Auflassung eines Berufssitzes oder Dienstortes sowie jede Verlegung eines Berufssitzes oder Dienstortes unter Angabe der Adresse, eine zeitlich befristete Verlegung jedoch nur dann, wenn sie voraussichtlich drei Monate übersteigt;

...

Selbständige Berufsausübung

§ 31. (1) Ärzte, die die Erfordernisse für die Ausübung des ärztlichen Berufes als Arzt für Allgemeinmedizin oder als approbierter Arzt erfüllt haben, sind zur selbständigen Ausübung einer allgemeinärztlichen Berufstätigkeit als Arzt für Allgemeinmedizin oder als approbierter Arzt berechtigt, gleichgültig, ob diese Berufstätigkeit freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt wird.

(2) Ärzte, die die Erfordernisse für die Ausübung des ärztlichen Berufes als Facharzt für ein Sonderfach der Heilkunde erfüllt haben, sind zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als Facharzt auf diesem Teilgebiet der Heilkunde als Sonderfach berechtigt, gleichgültig, ob diese Berufstätigkeit freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt wird.

(3) Fachärzte haben ihre fachärztliche Berufstätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken. ...

...

§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Übt ein Kammerangehöriger seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat, solange diese Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland aufrecht ist. ...

(2) Bei der Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge ist auf die

1.

Leistungsansprüche,

2.

wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anhand der Einnahmen (Umsätze) und/oder Einkünfte sowie

3. Art der Berufsausübung

der beitragspflichtigen Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen. Die Höhe der Beiträge kann betragsmäßig oder in Relation zu einer Bemessungsgrundlage festgesetzt werden. (...) Näheres ist in der Beitragsordnung zu regeln. Für den Fall einer verspäteten Entrichtung der Beiträge durch Kammerangehörige kann die Beitragsordnung die Vorschreibung von angemessenen Mahnspesen vorsehen.

(3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher und/oder zahnärztlicher Tätigkeit einschließlich der Umsatzanteile an Gruppenpraxen nicht übersteigen.

..."

2.2. Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsordnung 2006, BGBl. II Nr. 286/2006 in der Fassung BGBl. II Nr. 259/2011 (ÄAO 2006):

"§ 1. (1) Diese Verordnung regelt

1. die für die Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin/zum Arzt für Allgemeinmedizin und die Ausbildung zur Fachärztin/zum Facharzt vorzusehenden Ausbildungserfordernisse einschließlich Definition des Aufgabengebiets sowie Ziel und Umfang der Ausbildung, mit Ausnahme der Arztprüfung (Prüfung zur Ärztin für Allgemeinmedizin/zum Arzt für Allgemeinmedizin und Facharztprüfung),

...

Erfordernisse für die Ausbildung zur Fachärztin/zum Facharzt (fachärztliche Ausbildung) Sonderfächer und Definition der Aufgabengebiete

§ 10. (1) Die Ausbildung zur Fachärztin/zum Facharzt eines Sonderfaches ist auf folgenden Gebieten der Medizin möglich:

...

37. Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin,

...

(2) Die Definitionen des Aufgabengebiets der einzelnen Sonderfächer ergeben sich aus den Anlagen 1 bis 45.

...

Anlage 37

Sonderfach Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin

1. Abschnitt A. Definition des Aufgabengebiets

Das Sonderfach Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin umfasst die Prävention, die Diagnostik, die nicht-operative Behandlung einschließlich Psychotherapeutischer Medizin, die Rehabilitation sowie die fachspezifische Begutachtung von psychischen und psychosomatischen Krankheiten oder Störungen sowie psychischen und sozialen Verhaltensauffälligkeiten.

..."

2.3. Psychotherapiegesetz, BGBl. Nr. 361/1990 in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2014:

"Berufsumschreibung

§ 1. (1) Die Ausübung der Psychotherapie im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die nach einer allgemeinen und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewußte und geplante Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlichpsychotherapeutischen Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeuten mit dem Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und Gesundheit des Behandelten zu fördern.

(2) Die selbständige Ausübung der Psychotherapie besteht in der eigenverantwortlichen Ausführung der im Abs. 1 umschriebenen Tätigkeiten, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten freiberuflich oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden.

...

Voraussetzungen für die selbständige Ausübung der Psychotherapie

§ 11. Zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie ist berechtigt, wer

1. das psychotherapeutische Propädeutikum und das psychotherapeutische Fachspezifikum erfolgreich absolviert hat,

2.

eigenberechtigt ist,

3.

das 28. Lebensjahr vollendet hat,

4.

die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung und Vertrauenswürdigkeit nachgewiesen hat und

5. in die Psychotherapeutenliste nach Anhörung des Psychotherapiebeirates eingetragen worden ist.

...

Verhältnis zu anderen Vorschriften

§ 24. (1) Die Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974, ist auf die Tätigkeit der zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigten Personen nicht anzuwenden.

(2) Die Ausübung der Psychotherapie ist keine nach den Bestimmungen des Ärztegesetzes 1984, BGBl. Nr. 373, ausschließlich Ärzten vorbehaltene Tätigkeit.

(3) Durch dieses Bundesgesetz werden die gesetzlichen Bestimmungen über die Führung der Berufsbezeichnung "Psychologe" oder "Psychologin" und über die Ausübung des psychologischen Berufes im Bereich des Gesundheitswesens, Psychologengesetz, BGBl. Nr. 360/1990, nicht berührt.

..."

3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im vom Verwaltungsgericht zitierten Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0002, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich zur Frage der Abgrenzung zwischen ärztlicher Tätigkeit und Tätigkeiten im Rahmen der Psychotherapie Stellung genommen und unter Bezugnahme auch auf die Gesetzesmaterialien des Psychotherapiegesetzes klargestellt, dass einerseits Psychotherapie nicht mehr allein den Ärzten vorbehalten sei (§ 24 Abs. 2 Psychotherapiegesetz), andererseits aber eine bestehende Berufsberechtigung nach dem ÄrzteG 1998 durch das Psychotherapiegesetz auch nicht beschnitten werde. Auch der Umstand, dass die "gleiche" Tätigkeit - Psychotherapie - einmal von einem Arzt, einmal von einem Nichtarzt ausgeübt werden kann, begründe nicht zwangsläufig, dass es sich dabei um eine nichtärztliche Tätigkeit handelt. Der Umstand, dass beide Berufe, also sowohl die ärztliche als auch die psychotherapeutische Tätigkeit, nur auf wissenschaftlicher Grundlage ausgeübt werden dürfen (§ 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 und § 1 Psychotherapiegesetz), lege es nahe, bei der Beantwortung der gestellten Abgrenzungsfrage auf den Ausbildungsgang zurückzugreifen, also darauf, welche konkrete Ausbildung Grundlage für die nun ausgeübte strittige Tätigkeit bildet. Dies erfordere nicht zuletzt konkrete Feststellungen auch zur konkreten ärztlichen Berufsberechtigung (in jenem dem zitierten Erkenntnis, Zl. 2009/11/0002, zugrunde liegenden Fall war nicht ersichtlich, dass das von der damaligen Beschwerdeführerin - diese war Fachärztin für plastische Chirurgie - ausgeübte Sonderfach eine ärztliche Tätigkeit im Bereich der Psychotherapie abdeckte). Sollte sich dabei ergeben, so das zitierte Erkenntnis, "dass die von der Beschwerdeführerin ausgeübte psychotherapeutische Tätigkeit nicht von ihrer ärztlichen Berufsberechtigung umfasst ist, wäre - unabhängig von der bei der Ausübung der Psychotherapie angewandten Methode und unabhängig von der Frage, welche konkrete Ausbildung zur Eintragung in die Psychotherapeutenliste geführt hat - davon auszugehen, dass es sich dabei nicht um ärztliche Tätigkeit im Sinne des § 2 ÄrzteG 1998 handelt".

3.2. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage wurde insbesondere mit den letztgenannten Ausführungen zum Ausdruck gebracht, dass die durch einen Arzt ausgeübte psychotherapeutische Tätigkeit, wenn sie von dessen ärztlicher Berufsberechtigung umfasst ist, eine ärztliche Tätigkeit iSd § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 darstellt. Diese Ausführungen gelten angesichts der im Wesentlichen gleichen Rechtslage auch für den vorliegenden Fall.

3.3. Im gegenständlichen Revisionsfall bestehen weder bei der Revisionswerberin noch beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Rechtsansicht, dass die Mitbeteiligte sowohl gemäß § 11 Psychotherapiegesetz zur selbständigen Ausübung der psychotherapeutischen Tätigkeit berechtigt ist als auch aufgrund ihrer Eintragung in die Ärzteliste als "Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin" psychotherapeutische Leistungen erbringen darf (§ 24 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 iVm Anlage 37 ÄAO 2006).

Das Verwaltungsgericht meint jedoch, dass die ärztliche Berufsberechtigung der Mitbeteiligten als Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin insoweit eingeschränkt sei, als sie in der Ärzteliste nur als "angestellte" Ärztin in einem psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien ausgewiesen und sohin "nicht zur selbständigen Ausübung" des genannten ärztlichen Sonderfaches berechtigt sei. Daher sei die selbständige Ausübung der Psychotherapie durch die Mitbeteiligte (nach ihrem Verhandlungsvorbringen übe sie diese "in meiner Praxis" aus) nicht von der ärztlichen Berufsberechtigung umfasst und dieser auch nicht zuzuordnen.

3.4. Diese Überlegungen des Verwaltungsgerichtes sind deshalb unzutreffend, weil es, wie die Revision zutreffend einwendet, sichtlich zwei Begriffspaare des ÄrzteG 1998 vermengt:

Die "selbständige" Ausübung des ärztlichen Berufes besteht gemäß § 3 Abs. 2 ÄrzteG 1998 (im Unterschied zur unselbständigen Berufsausübung der in Ausbildung befindlichen Turnusärzte gemäß Abs. 3 leg. cit.) in der - eigenverantwortlichen - Ausführung der in § 2 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Tätigkeiten und wird gemäß § 31 leg. cit. durch die Erfüllung der Erfordernisse für die Ausübung des ärztlichen Berufes (darunter fallen gemäß § 4 ÄrzteG 1998 neben den besonderen Erfordernissen einer besonderen Ausbildung auch die Eintragung in die Ärzteliste) begründet.

Davon zu unterscheiden ist das Begriffspaar der "freiberuflich" bzw. "im Rahmen eines Dienstverhältnisses" ausgeübten ärztlichen Tätigkeit (vgl. § 3 Abs. 2 und § 31 Abs. 2 ÄrzteG 1998), wobei zufolge letztgenannter Bestimmung die Berechtigung für beide Ausübungsarten mit der Berechtigung für die selbständige (eigenverantwortliche) Ausübung des Arztberufes entsteht.

Die Mitbeteiligte ist entsprechend ihrer unstrittigen Eintragung in die Ärzteliste als Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin zur selbständigen (eigenverantwortlichen) Ausübung des Berufes einer solchen Fachärztin berechtigt und daher schon gemäß § 31 Abs. 2 ÄrzteG 1998 befugt, als Ärztin die Psychotherapie freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses auszuüben. Dem steht nicht entgegen, dass sie es nach den Annahmen des Verwaltungsgerichts unterlassen hat, die (aufgrund der letztzitierten Bestimmung nur deklarativ wirkende) Meldung betreffend einen Berufssitz (Ordination, Praxis) für die freiberufliche Ausübung der genannten fachärztlichen Tätigkeit gemäß § 29 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 zu erstatten.

3.5. Nach dem Gesagten ist somit entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts davon auszugehen, dass (auch) die (freiberufliche) Ausübung der Psychotherapie von der ärztlichen Berufsberechtigung der Mitbeteiligten umfasst ist, sodass die von ihr daraus erzielten Einnahmen solche aus ärztlicher Tätigkeit iSd § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 darstellen und gemäß § 109 leg. cit. in die Bemessungsgrundlage für die Fondsbeiträge einzubeziehen sind.

4. Bei diesem Ergebnis genügt der Hinweis, dass das angefochtene Erkenntnis auch deshalb mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, weil Sache des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Vorschreibung eines (ziffernmäßig bestimmten) Fondsbeitrages war, wohingegen das Verwaltungsgericht mit dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses nur über das Ausmaß der Bemessungsgrundlage (die lediglich eine Vorfrage darstellt) entschieden hat (vgl. Pkt. 5.4. des hg. Erkenntnisses vom , Zl. Ra 2015/11/0051).

5. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Ein Kostenersatz findet gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht statt.

Wien, am

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Normen
ÄrzteG 1998 §109;
ÄrzteG 1998 §2 Abs2;
ÄrzteG 1998 §29 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998 §31 Abs2;
PsychotherapieG §1;
PsychotherapieG §24 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RO2015110004.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAE-93303