VwGH vom 16.12.2010, 2009/15/0050

VwGH vom 16.12.2010, 2009/15/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des B B in W, vertreten durch die Lindner Rock Rechtsanwälte OEG in 8043 Graz, Mariatrosterstraße 87a, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0155-G/04, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1996, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Bericht vom über die beim Beschwerdeführer durchgeführte Prüfung der Aufzeichnungen für den Zeitraum 1994 bis 1996 ist (nach umfangreichen Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit des Finanzamtes Graz-Stadt) festgehalten, dass der Beschwerdeführer, der u.a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit ("Technisches Büro") erzielt, Mietaufwendungen für eine Einheit (Top 21/22) im Gebäude in Wien, L-Gasse 43, als Betriebsausgaben abgesetzt habe. Diese Wohnung stelle einen "angeblichen Betriebssitz" des Beschwerdeführers dar. Für diese Wohnungen werde die Miete von Frau Aloisia X, die Hauseigentümerin und Mutter des Beschwerdeführers, "selbst zur Einzahlung gebracht". Da diese Wohnung, die im Zuge der Objektbesichtigung als "Betriebssitz" bezeichnet worden sei, die der Hauseigentümerin selbst zur Verfügung stehende Wohnung sei, könnten Betriebsausgaben (und Vorsteuern) nicht anerkannt werden.

Im Anschluss an die abgabenbehördliche Prüfung erließ das Finanzamt Graz-Stadt Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1996 mit Ausfertigungsdatum . Gegen diese brachte der Beschwerdeführer Berufung ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung.

In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der Berufung auch Einwendungen gegen die örtliche Zuständigkeit des Finanzamtes Graz-Stadt erhoben. Er habe behauptet, sein Hauptwohnsitz sei in Wien, was sich daraus ergebe, dass er in Wien wahlberechtigt sei und in seinen Reisepässen, ausgestellt von der Bundespolizeidirektion Wien, als Hauptwohnsitz Wien angegeben sei. Seine Gewerbeberechtigungen wiesen als Standort Wien, L-Gasse 43, auf, wie dies auch aus einer am Hausportal seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts angebrachten Tafel zu ersehen sei. Demgegenüber sei sein Haus in Graz, U-Weg 53, erst 1997 bzw 1998 fertig gestellt worden.

Nach Ansicht der belangten Behörde seien folgende Umstände zu berücksichtigen:

Der Beschwerdeführer sei in einem Dienstverhältnis zum Land Steiermark (Landesberufsschule) gestanden und habe daher (während der Schulzeit) nahezu täglich in Graz anwesend sein müssen. Die an den Beschwerdeführer gerichteten Poststücke würden ihm stets über ein Grazer Postamt zugestellt und dort täglich von ihm behoben. Demgegenüber würden Schriftstücke an die Adresse in Wien nicht zugestellt; der Beschwerdeführer habe einen Nachsendeauftrag nach Graz, U-Weg 53, erteilt.

Der Beschwerdeführer sei seit in Graz gemeldet, seit Juni 1986 mit dem "ordentlichen Wohnsitz" bzw "Hauptwohnsitz".

Der Beschwerdeführer habe zu Unrecht auf seine Reisepässe verwiesen. Seinem Vorbringen halte die belangte Behörde entgegen, dass alle Anträge auf Ausstellung eines Reisepasses (aus den Jahren 1980, 1990 und 2000) bei der Bundespolizeidirektion Graz eingereicht worden seien. Die Reisepässe seien von dieser Behörde ausgestellt worden. In den Reisepässen seien nur Grazer Adressen des Beschwerdeführers genannt.

Sämtliche Kfz des Beschwerdeführers seien in Graz zugelassen worden.

Das Objekt in Wien, L-Gasse 43, sei vom Finanzamt zur Beurteilung der Frage, wo der Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers und der Sitz seines Unternehmens sei, in Augenschein genommen worden. Den Wahrnehmungen der Amtsorgane zufolge handle es sich um eine Liegenschaft mit zwei getrennten Gebäuden (Vorder- und Hinterhaus). Beide befänden sich in desolatem Zustand. Im Eingangsbereich sei ein Hinweis auf ein Technisches Büro angebracht. Die entsprechenden Räumlichkeiten befänden sich im ersten Stock (Top 21/22). Zum Zeitpunkt der Erhebungen des Finanzamtes sei der Beschwerdeführer nicht anwesend gewesen. Es seien Mieter befragt worden. Nach Aussage von Mietern sei der Beschwerdeführer bereits seit ca zwei Monaten nicht mehr gesehen worden. Von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch den Beschwerdeführer in dem in Rede stehenden Haus sei den Mietern nichts bekannt.

Das Finanzamt Graz-Stadt habe bei dieser Sachlage seine Zuständigkeit nach §§ 54, 55 und 61 BAO als gegeben erachten können. Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach über diese Frage der örtlichen Zuständigkeit in den den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnissen vom , 89/14/0088, und vom , 98/15/0029, entschieden.

Dem Begehren auf Vorladung der Mieter mit der Begründung, dass sich der Beschwerdeführer "zu offenen Fragen äußern kann", werde nicht entsprochen, weil der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen kein Beweisthema genannt habe.

Das Haus in Graz, U-Weg 53, diene, wie bereits im Zuge der Vorprüfung festgestellt, dem Beschwerdeführer einerseits als gemeinsamer Familienwohnsitz und andererseits als Standort des Betriebes. Es sei unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer nicht das neu errichtete und neu eingerichtete Wohnhaus in Graz, sondern desolate Räume in Wien als Hauptwohnsitz und zentrale Betriebsstätte (bzw Unternehmenssitz) genutzt habe. Der Umstand werde auch dadurch untermauert, dass der Beschwerdeführer in Anträgen auf Gewährung von Familienbeihilfe stets Graz als seinen Wohnort angegeben habe. Nach den für den Betriebs-Pkw (Fiat Croma) und für den privaten Pkw (Fiat Panda) aufgezeichneten Fahrten sei jeweils das in Graz gelegene Büro des Beschwerdeführers Ausgangspunkt seiner Fahrten gewesen. Dem Verweis auf Gewerbeberechtigungen für den Standort Wien und die Aufnahme in die Wählerevidenz komme im Gesamtbild keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Das Büroschild am Gebäude in Wien begründe noch keinen Unternehmenssitz.

Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung sei festgestellt worden, dass die Wohnung in Wien, die angeblich als Büro verwendet werde (Top 21/22), der Mutter des Beschwerdeführers als "Hausherrenwohnung" diene. Deshalb seien Mietzahlungen nicht als Betriebsausgabe anerkannt worden.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer dagegen eingewendet, dass "fünf, ja sogar sechs Gewerbebefugnisse" an diesem Standort in Wien ausgeübt würden. Der Terminus "Hausherrenwohnung" sei unrichtig. Der Beschwerdeführer habe - als Hauptmieter - 1994 bis 1996 Mietzahlungen von 81.092 S 118.441 S und 128.064 S verbucht.

Die belangte Behörde halte dem entgegen, dass sich im Rahmen einer bei der Mutter des Beschwerdeführers für den Zeitraum 1995 bis 1998 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung gezeigt habe, dass ein "Technisches Büro" in dieser Wohneinheit nicht feststellbar sei. Es habe sich ergeben, dass die Wohneinheit Top 21/22 (laut Besichtigung vom ) aus Küche mit Bad und WC, zwei Zimmern und einem Kabinett bestehe. In der Wohnung habe sich kein Schreibtisch befunden. Anlässlich einer weiteren Begehung am sei festgestellt worden, dass die Wohnung Top 21/22 bewohnt gewesen sei, wobei die über die Gegensprechanlage erreichbare Bewohnerin, nachdem ihr bekannt gegeben worden sei, dass ein Organ der belangten Behörde vorspreche, Haustor und Wohnungstür nicht geöffnet habe. In diesem Zusammenhang sei die Hausbesorgerin befragt worden und habe angegeben, dass der Beschwerdeführer vor ca 10 Jahren in diesem Haus gewohnt habe, jedoch nicht regelmäßig, sondern nur gelegentlich, wobei auch andere Familienmitglieder die Wohnung bei bestimmten Anlässen (zB Friedhofsbesuchen) für kurze Aufenthalte benutzt hätten.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung für den Zeitraum 2002 bis 2005 sei das Haus am begangen worden. Im angeblichen Büro sei niemand anzutreffen gewesen. Dahin adressierte Poststücke seien nach wie vor an die Adresse des Beschwerdeführers in Graz nachgesendet worden. Im Telefonbuch sei die Tochter des Beschwerdeführers angeführt.

Die belangte Behörde gelange damit zum Ergebnis, dass das Objekt Top 21/22 eine bedarfsweise genutzte Wohnung sei und nicht, wie auf einem Klebezettel an der Eingangstür vermerkt, ein Büro. Das Mietverhältnis sei steuerlich nicht anzuerkennen. Die Mietzahlungen für die Wohnung seien teilweise von der Mutter des Beschwerdeführers erfolgt. Sie habe diese Wohnung in ihrer Steuererklärung - was bei einer Vermietung an den Sohn für Betriebszwecke unmöglich wäre - als Wohnadresse angegeben. Es sei für diese Wohnung im Übrigen kein zwischen fremden Vertragsparteien üblicher, adäquater Mietvertrag vereinbart gewesen. Der Beschwerdeführer habe bei der Begehung am angegeben, für diese Wohnung Top 21/22 keinen Schlüssel bei sich zu haben, um sein angebliches Büro, in welchem niemand anwesend gewesen sei, öffnen zu können. Nach Ansicht der belangten Behörde lege diese Angabe die Annahme nahe, dass der Beschwerdeführer damals die Wohnungsbesichtigung lediglich aus dem Grund eines für steuerliche Zwecke nicht vorzeigbaren Zustandes verhindert habe. Somit stelle die belangte Behörde fest, dass sich das Hausportalschild als "falsch" erweise.

Der Beschwerdeführer habe im ergänzenden Schriftsatz vom eingewendet, dass die Fremdunüblichkeit eines Hauptmietverhältnisses nichts daran ändere, dass ein dem Vermieter persönlich nahestehender Mieter über die Räumlichkeiten verfügen und unternehmerische Tätigkeiten entfalten könne. Dies gelte auch für ein Mietverhältnis, das aus privaten Gründen fortgesetzt werde, wiewohl eine Auflösung des keine marktkonformen Mietzinse vorsehenden Bestandverhältnisses unter Fremden zu erwarten gewesen wäre. Diesem Einwand halte die belangte Behörde entgegen, dass im gegenständlichen Fall eine Verfügungsmöglichkeit über die Wohnung, bei der auch anderen Familienmitgliedern die Möglichkeit der Nutzung zugekommen sei, die steuerliche Nichtanerkennung der Vertragsbeziehung zwischen ihm und seiner Mutter nicht aus dem Weg räume.

Mit Beschluss vom , B 2069/08, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beschwerdeführer mit Verfügung vom aufgefordert, innerhalb von vier Wochen das Recht, in dem er sich verletzt erachtet, bestimmt zu bezeichnen (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), also den Beschwerdepunkt zu benennen.

Mit Eingabe vom hat der Beschwerdeführer sodann eine Reihe von Beschwerdegründen vorgetragen, aber auch folgende hinreichend bestimmt dargelegte Beschwerdepunkte (siehe zum Bestimmtheitsgebot des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2009/15/0002):

Der Beschwerdeführer erachte sich im Recht auf Sachentscheidung durch die zuständige Behörde verletzt, weil die "Steuerakte" nicht abgetreten worden sei, obwohl das Finanzamt Wien für den 8., 16. und 17. Bezirk von seiner Zuständigkeit Kenntnis erlangt hatte. Die vom unzuständigen Finanzamt Graz erlassenen Bescheide hätte die belangte Behörde aufheben müssen. Der Beschwerdeführer erachtet sich weiters im Recht verletzt, dass die familiäre Verbundenheit zwischen der Vermieterin und dem Beschwerdeführer als Mieter nicht benachteiligend ("diskriminierend") berücksichtigt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer in Wien, L-Gasse 43, zwar gelegentlich wohnt, sich aber vorwiegend an seinem Wohnsitz in Graz aufhält, von wo aus er sein Unternehmen betreibt. Dass sich in Wien, L-Gasse 43, ein Büro befinde, sei falsch.

Diese Sachverhaltsfeststellung stellt das Ergebnis der Beweiswürdigung der belangten Behörde dar.

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangt, obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zu Stande gekommen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/15/0057).

Die Beweiswürdigung hält der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand. Die Beschwerde vermag eine Unschlüssigkeit dieser Beweiswürdigung nicht aufzuzeigen, unterlässt sie doch eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Überlegungen der belangten Behörde.

Das Beschwerdevorbringen, die Behörde stütze sich auf Sachverhaltselemente und Entscheidungen für die "Periode 1985 bis 1988", übersieht, dass sich die Behörde auf eine Reihe von deutlich später durchgeführten Begehungen des Objektes in Wien, insbesondere auf jene im Zuge der den streitgegenständlichen Zeitraum betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung, gestützt hat.

Soweit die Beschwerde auf "Anfragedaten" beim zentralen Melderegister verweist, unterlässt sie es darzutun, welche entscheidenden Umstände diesen Anfragedaten zu entnehmen wären und aus welchen Gründen sich daraus ein Mangel an der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde ergeben könnte. Das gilt in gleicher Weise für das Beschwerdevorbringen, Erhebungen bei der Wiener Gebietskrankenkasse hätten darauf hingewiesen, dass die "wirtschaftliche Realität" des Büros in Wien besser gewesen sei als jene des Büros in Graz.

Dass die belangte Behörde bei diesem Sachverhalt das Finanzamt Graz-Stadt gemäß § 55 BAO als für die Erhebung der Einkommensteuer und gemäß § 61 BAO als für die Erhebung der Umsatzsteuer örtlich zuständig angesehen hat, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Den Feststellungen der belangten Behörde zufolge wurde Top 21/22 in Wien, L-Gasse 43, vom Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen, insbesondere seiner Mutter (der Vermieterin) privat genutzt. Eine betriebliche Nutzung hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Wie bereits angeführt, konnte sich die belangte Behörde bei ihrer Beweiswürdigung insbesondere auf Begehungen des Gebäudes stützen, aber auch auf Auskünfte der Bewohner.

Bei diesem Sachverhalt erfüllen die Mietaufwendungen nicht den Tatbestand von Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG 1988, und zwar unabhängig davon, dass die Vermieterin des Objektes die Mutter des Beschwerdeführers ist.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beschwerdepunkte nicht in Rechten verletzt worden ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 455/2008.

Wien, am