VwGH 29.01.2008, 2007/11/0110
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | VwRallg; ZDG 1986 §28 Abs1 idF 2000/I/133; ZDG ÜR 2006 Art2; ZDG VPfV 2006 §1; ZDG VPfV 2006 §4 Abs2 Z3; |
RS 1 | Nach den Gesetzesmaterialien zum ZDG ÜG 2006 (1343 Blg NR XXII GP)sollte mit der Bestimmung des § 28 Abs 1 ZDG 1986 die höchstgerichtliche Rechtsprechung (E VfSlg 17685) umgesetzt werden. Der VfGH ging in dem genannten Erkenntnis davon aus, dass es dem Gesetzgeber offen stehe, hinsichtlich des in § 28 Abs 1 ZDG 1986 grundgelegten Anspruchs auf angemessene Verpflegung eine generelle Regelung "unter Zugrundelegung einer typisierenden Betrachtungsweise" zu treffen. Vor diesem Hintergrund ist daher davon auszugehen, dass ein im Kühlschrank vorhandenes "Gefrierfach" nicht das Erfordernis eines "Kühl- und Gefrierschranks" iSd ZDG VPfV 2006 (§ 4 Abs 2 Z 3)ersetzen kann. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei hat die Behörde die tragende Begründung des Bescheides nicht darauf abgestellt, dass eine "bestimmte Art von Kühl- und Gefrierschränken" erforderlich sei, sondern dass an der Dienststelle ein in der Funktion vom Kühlschrank getrennter Gefrierschrank (welcher Bauart auch immer) vorhanden sein muss. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2007/11/0093 E RS 2 |
Normen | |
RS 2 | Dann, wenn allgemeine Regelungen über die Wertung von Willenserklärungen in Verwaltungsvorschriften oder in den Verfahrensvorschriften nicht enthalten sind, sind zur Beantwortung dieser Frage die im ABGB normierten Grundsätze heranzuziehen. § 863 ABGB misst auch den bloß schlüssigen Willenserklärungen Erklärungswert bei(Hinweis E 23. Feber 2005, 2002/12/0223). Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Erklärenden ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen. Es darf demnach kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, worauf der Wille des Erklärenden gerichtet war (Hinweis E , 92/12/0217; E , 94/12/0110; E , 2002/11/0072). Gerade bei der Annahme eines stillschweigenden Verzichts ist besondere Vorsicht geboten. Die beschwerdeführende Partei stützt die von ihr angenommene konkludente Einigung iSd § 1 Abs. 3 ZDG ÜG 2006 darauf, dass sie an den Mitbeteiligten einen bestimmten Betrag überwiesen und dieser den Betrag weder zurücküberwiesen noch einen "Vorbehalt" erklärt habe. Im Hinblick auf den nach der oben dargestellten Rechtslage an die Schlüssigkeit eines Verhaltens anzulegenden strengen Maßstab kann diesen Umständen allein nicht der von der beschwerdeführenden Partei vermeinte Erklärungswert, der auf einen Verzicht auf weitere Ansprüche hinausliefe, beigemessen werden. Mangels Zustandekommens einer - auch nur konkludenten - gütlichen Einigung iSd § 1 Abs. 3 Zivildienstgesetz- Übergangsrecht 2006 ist es daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die Behörde den Antrag des Mitbeteiligten auf Feststellung der Höhe seiner Ansprüche für zulässig erachtete. |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2007/11/0106 E
2007/11/0108 E
2007/11/0104 E
2007/11/0240 E
2007/11/0187 E
2007/11/0095 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Österreichischen Roten Kreuzes, Landesverband Niederösterreich, in Tulln, vertreten durch Galanda & Oberkofler, Rechtsanwaltskanzlei in 1120 Wien, Arndtstraße 87/12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 247.695/3- III/7/07, betreffend Verpflegungsabgeltung für Zivildiener (mitbeteiligte Partei: J in M, vertreten durch DDr. Fürst Rechtsanwalts-GmbH in 2340 Mödling, Wiener Straße 9), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Zustellung des Zuweisungsbescheides vom leistete der Mitbeteiligte in der Zeit vom bis bei einer der Dienststellen der beschwerdeführenden Partei seinen ordentlichen Zivildienst.
Mit ihrem Bescheid vom sprach die Zivildienstserviceagentur als Behörde erster Instanz - soweit hier relevant - Folgendes aus:
"Über den, in der Zivildienstserviceagentur am eingelangten Antrag gemäß § 1 Abs. 3 des Zivildienstgesetz - Übergangsrechtes 2006, BGBl. I Nr. 40/2006, auf bescheidmäßige Feststellung der vermögensrechtlichen Ansprüche, die auf Grund des § 28 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG), BGBl. 679 idgF, vor In-Kraft-Treten der Verordnung der Bundesministerin für Inneres über die Vorsorge für die angemessene Verpflegung von Zivildienstleistenden (Verpflegungsverordnung), BGBl. II Nr. 43/2006 entstanden sind, ergeht von der Zivildienstserviceagentur als Behörde erster Instanz folgender
Spruch
Es wird gemäß § 1 des Zivildienstgesetz - Übergangsrechtes 2006, BGBl. I Nr.40/2006 festgestellt, dass die Höhe der vermögensrechtlichen Ansprüche des Antragstellers gegen den Rechtsträger EUR 2.070,96 beträgt. ... "
Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 28 des Zivildienstgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2006 und § 4 Abs. 2 Z. 3 der Verpflegungsverordnung, BGBl. II Nr. 43/2006, sowie § 1 des Zivildienstgesetz-Übergangsrechts 2006 keine Folge. Zur Begründung führte sie - zusammengefasst - aus, da eine Einigung im Sinne des § 1 Abs. 3 des Zivildienstgesetz-Übergangsrechts 2006 zwischen der beschwerdeführenden Partei und dem Mitbeteiligten nicht zustande gekommen und auch keine vollständige Abgeltung seiner Ansprüche erfolgt sei, habe der Mitbeteiligte die Feststellung der Höhe seiner vermögensrechtlichen Ansprüche beantragt. Diese Feststellung sei mit dem erstinstanzlichen Bescheid in einer den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Weise erfolgt. Die Dienststelle, bei welcher der Mitbeteiligte seinen Dienst verrichtet habe, sei nicht mit dem erforderlichen Gefrierschrank ausgestattet gewesen, sondern nur mit einem Kühlschrank mit Gefrierfach. Daraus folge, dass die vorhandene Kochgelegenheit als nicht im Sinne des § 4 Abs. 2 Z. 3 der Verpflegungsverordnung ausgestattet anzusehen und somit diesbezüglich kein Abschlag (wie von der beschwerdeführenden Partei begehrt) zulässig sei.
Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 981/07-3, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeergänzung beantragt die beschwerdeführende Partei die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, in welcher er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgebenden Rechts- und Sachfragen gleichen - was das erforderliche Vorhandensein eines "Kühl- und Gefrierschrankes" anlangt - jenen, die dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/11/0093, zu Grunde lagen. Es genügt daher, diesbezüglich auf dieses Erkenntnis gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen.
Die beschwerdeführende Partei macht ferner geltend, die belangte Behörde sei zu Unrecht vom Fehlen einer Einigung zwischen dem Mitbeteiligten und ihr ausgegangen. Gemäß § 1 Abs. 3 Zivildienstgesetz-Übergangsrecht 2006 sei im Falle einer gütlichen Einigung über die Höhe der abzugeltenden Ansprüche ein Antrag des Zivildienstleistenden auf Feststellung der Höhe der vermögensrechtlichen Ansprüche nicht zulässig. Die beschwerdeführende Partei habe an den Mitbeteiligten am einen Betrag von EUR 1.537,20 zur Überweisung gebracht und sei dieser Betrag vom Mitbeteiligten weder zurücküberwiesen noch "unter Vorbehalt" anerkannt worden. Es sei daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung von einer Einigung zwischen dem Mitbeteiligten und der beschwerdeführenden Partei über die Höhe der dem Mitbeteiligten zustehenden Ansprüche nach § 1 Abs. 1 Zivildienstgesetz-Übergangsrecht auszugehen, weshalb der Antrag des Mitbeteiligten nicht zulässig gewesen sei.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Der § 1 des Zivildienstgesetz-Übergangsrechts 2006, BGBl. I Nr. 40/2006, lautet:
"§ 1. (1) Vermögensrechtliche Ansprüche, die auf Grund des § 28 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG), BGBl. Nr. 679, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 106/2005, vor In-Kraft-Treten der Verpflegungsverordnung, BGBl. II Nr. 43/2006, entstanden sind, sind bis zum Ablauf von sechs Monaten nach In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes vom Anspruchsberechtigten in nachvollziehbarer Weise beim jeweiligen Rechtsträger bei sonstiger Verjährung geltend zu machen.
(2) Der Rechtsträger hat Ansprüche nach Abs. 1 unter Heranziehung der in der Verpflegungsverordnung festgelegten Grundsätze bis zu einem Höchstbetrag von 13,60 Euro pro Tag binnen drei Monaten ab Geltendmachung abzugelten.
(3) Besteht zwischen dem Anspruchsberechtigten und dem Rechtsträger keine Übereinstimmung über die Höhe der nach Abs. 2 abzugeltenden Ansprüche, hat der Rechtsträger auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Kommt eine solche nicht zu Stande und nimmt der Rechtsträger eine Abgeltung nicht vor, stellt die Zivildienstserviceagentur auf Antrag des Anspruchsberechtigten die Höhe fest. Ein solcher Antrag ist bis zu vier Wochen nach Ablauf der Frist nach Abs. 2 zu stellen. Dem Rechtsträger kommt in diesem Verfahren Parteistellung im Sinne des § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004, zu. Im Falle einer rechtskräftigen Feststellung hat der Rechtsträger die festgestellten Ansprüche binnen sechs Wochen abzugelten."
Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei ist eine Einigung im Sinne des § 1 Abs. 3 leg. cit. nicht erfolgt. Die beschwerdeführende Partei stützt sich ohnehin nicht auf den Abschluss einer ausdrücklichen Übereinstimmung zwischen ihr und dem Mitbeteiligten über die Höhe seiner Ansprüche, aber auch für die Annahme einer konkludent zustande gekommenen Einigung fehlt die Grundlage:
Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Feber 2005, Zl. 2002/12/0223, mit weiteren Nachweisen), sind dann, wenn allgemeine Regelungen über die Wertung von Willenserklärungen in Verwaltungsvorschriften oder in den Verfahrensvorschriften nicht enthalten sind, zur Beantwortung dieser Frage die im ABGB normierten Grundsätze heranzuziehen. § 863 ABGB misst auch den bloß schlüssigen Willenserklärungen Erklärungswert bei. Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Erklärenden ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen. Es darf demnach kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, worauf der Wille des Erklärenden gerichtet war (vgl. dazu allgemein die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/12/0217, und vom , Zl. 94/12/0110, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/11/0072). Gerade bei der Annahme eines stillschweigenden Verzichts ist besondere Vorsicht geboten (vgl. etwa Rummel in Rummel I3, Rz. 14 zu § 863 ABGB und die dort angeführten Hinweise aus Lehre und Rechtsprechung).
Die beschwerdeführende Partei stützt die von ihr angenommene konkludente Einigung darauf, dass sie an den Mitbeteiligten einen bestimmten Betrag überwiesen und dieser den Betrag weder zurücküberwiesen noch einen "Vorbehalt" erklärt habe. Im Hinblick auf den nach der oben dargestellten Rechtslage an die Schlüssigkeit eines Verhaltens anzulegenden strengen Maßstab kann diesen Umständen allein nicht der von der beschwerdeführenden Partei vermeinte Erklärungswert, der auf einen Verzicht auf weitere Ansprüche hinausliefe, beigemessen werden. Mangels Zustandekommens einer - auch nur konkludenten - gütlichen Einigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Zivildienstgesetz- Übergangsrecht 2006 ist es daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde den Antrag des Mitbeteiligten auf Feststellung der Höhe seiner Ansprüche für zulässig erachtete.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am
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Normen | ABGB §863; VwRallg; ZDG 1986 §28 Abs1 idF 2000/I/133; ZDG 1986 §28 Abs1; ZDG ÜR 2006 §1 Abs1; ZDG ÜR 2006 §1 Abs3; ZDG ÜR 2006 Art2; ZDG VPfV 2006 §1; ZDG VPfV 2006 §4 Abs2 Z3; |
Schlagworte | Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Auslegung Diverses VwRallg3/5 Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2008:2007110110.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAE-93253