VwGH vom 11.08.2017, Ro 2015/10/0022
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der M L in E, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , Zl. LVwG-9/73/11-2014, betreffend Kostenbeitrag nach dem Salzburger Behindertengesetz 1981 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als damit ein Kostenbeitrag für den Zeitraum vom bis vorgeschrieben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.
Das Land Salzburg hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom wurde die Revisionswerberin verpflichtet, ab gemäß § 17 Salzburger Behindertengesetz 1981 (Sbg. BHG) einen laufenden Kostenbeitrag aus ihrem Pflegegeld in Höhe von monatlich EUR 153,16 für die gemäß § 10 Sbg. BHG gewährte Hilfeleistung der Aufnahme und Betreuung in einer näher genannten Werkstätte der Lebenshilfe Salzburg zu leisten (Spruchpunkt I.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
2 Begründend ging das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften - soweit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof von Relevanz - davon aus, dass die Revisionswerberin nach Maßgabe des § 17 Sbg. BHG zu einem Kostenbeitrag für die ihr gewährte Hilfe zur sozialen Eingliederung gemäß § 10 Sbg. BHG verpflichtet sei. Soweit die Revisionswerberin für den Zeitraum bis zum , also für die alte Rechtslage des § 17 Sbg. BHG in der Fassung LGBl. Nr. 53/2011 vorbringe, es handle sich beim Pflegegeld um kein Einkommen, sei ihr entgegenzuhalten, dass § 17 leg. cit. "den Einkommensbegriff nicht einschränkt oder modifiziert, wie etwa § 6 des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes, nach dessen Abs. 2 Z 3 Pflegegelder nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften ausdrücklich vom Einkommensbegriff ausgenommen" würden. Es sei daher von einem weiten Einkommensbegriff auszugehen. Für den Zeitraum vom bis orientiere sich daher die Kostenbeitragspflicht der Revisionswerberin an ihrem Einkommen inklusive Pflegegeld entsprechend ihrer finanziellen Leistungskraft gemäß § 17 Abs. 1 Sbg. BHG. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Revisionswerberin auch bedarfsorientierte Mindestsicherung und erhöhte Familienbeihilfe beziehe, sei die mit EUR 153,16 bemessene Kostenbeitragspflicht insgesamt als nicht unangemessen anzusehen und mit der finanziellen Leistungskraft der Revisionswerberin in Einklang zu bringen. Dass durch den vorgeschriebenen Kostenbeitrag der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet oder ihrer Zielsetzung widersprochen würde, sei im Verfahren "nicht näher vorgebracht" worden und sei auch nicht zu erkennen.
3 Dazu komme, dass der Zweck des Pflegegeldes gerade darin liege, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie deren Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Dass, wie von der Revisionswerberin vorgebracht, der Zweck der Einrichtung (Werkstätte der Lebenshilfe) mit dem Zweck des Pflegegeldes nicht einhergehen würde, könne nicht nachvollzogen werden. Der Pflegebedarf erfasse nicht bloß die medizinische Betreuung, sondern die Betreuung und Hilfe an sich, wozu insbesondere auch die Motivationsarbeit zu zählen sei. Durch die Gewährung von Pflegegeld solle die Revisionswerberin in die Lage versetzt werden, Betreuung und Hilfe "einzukaufen". Gerade diesem Zweck werde durch die in § 17 Sbg. BHG normierte Kostenbeitragspflicht entsprochen. Die Revisionswerberin werde verpflichtet, aus ihrem Pflegegeld einen Teilbetrag von 40 % gerade zur Bezahlung jener Betreuungs- und Hilfeleistungen zu verwenden, wie sie in der Werkstätte der Lebenshilfe erbracht würden. Eine zweckwidrige Verwendung des Pflegegeldes durch die vorgeschriebene Kostenbeitragspflicht sei nicht zu ersehen.
4 Für den Zeitraum ab sehe § 17 Sbg. BHG in der Fassung LGBl. Nr. 17/2013 eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen Einkommen und Pflegegeld vor. Die Gesetzesmaterialien erläuterten dazu, dass das Bundespflegegeldgesetz für nicht- oder nur teilstationäre Pflegedienstleistungen, wie sie vielfach in der Behindertenhilfe erbracht würden, keine dem § 16 Salzburger Pflegegeldgesetz entsprechende Regelung enthalte. Um eine Kostenbeteiligung in diesem Bereich weiterhin sicherzustellen, sehe der Vorschlag zur Änderung des Sbg. BHG die Berücksichtigung des Pflegegeldes oder sonstiger pflegegeldbezogener Geldleistungen beim Kostenersatz für Eingliederungshilfen vor. Die Unterscheidung zwischen Einkommen und Pflegegeld solle daher "weiterhin die Kostenbeitragspflicht aus dem Pflegegeld normieren".
5 Soweit die Revisionswerberin zu dieser neuen Rechtslage vorbringe, ein Kostenbeitrag von 40 % des Pflegegeldes sei angesichts des tatsächlich in der Werkstätte der Lebenshilfe erbrachten Pflegeaufwandes viel zu hoch bemessen, sei ihr entgegenzuhalten, dass die auf Basis des § 17 Abs. 2 Sbg. BHG erlassene Verordnung LGBl. Nr. 76/2013, die mit in Kraft getreten sei, in § 2 Abs. 1 Z. 2 lit. b für eine tagesstrukturelle Betreuung einen fixen Kostenbeitrag von 40 % aus den pflegebezogenen Geldleistungen vorsehe. Vor dem Hintergrund, dass eine für jeden konkreten Einzelfall angepasste Berechnung nicht administrierbar sei, bestünden gegen die pauschalierte Kostenbeitragspflicht, wie sie etwa auch in § 13 Bundespflegegeldgesetz für vollstationäre Unterbringungen normierte werde, keine Bedenken, zumal die genannte Verordnung ohnehin nach Art und Ausmaß der Betreuung unterscheide.
6 Zu der von der Revisionswerberin vorgelegten Gegenüberstellung des Pflegebedarfes, wie er in der Werkstätte der Lebenshilfe und außerhalb (von den Eltern der Revisionswerberin) erbracht werde, sei zudem auszuführen, dass diese "tendenziös zugunsten der Eltern" vorgenommen worden sei, als etwa der volle Aufwand für Motivation außerhalb der Einrichtung veranschlagt worden sei, das Beweisverfahren aber ergeben habe, dass gerade auch in der Einrichtung ständig Motivationsarbeit zu leisten sei, wohingegen außerhalb der Einrichtung auch Ruhe- bzw. Nachtzeiten zu berücksichtigen wären.
7 Zusammengefasst bestünden daher keine Bedenken dagegen, das Pflegegeld einem weiten Einkommensbegriff zu unterstellen und für die Betreuung und Versorgung der Revisionswerberin in der Werkstätte der Lebenshilfe einen pauschalierten Satz von 40 % aus dem ihr gewährten Pflegegeld der Stufe 3 als Kostenbeitrag vorzuschreiben.
8 Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht mit der Begründung zu, dass zur Frage, inwieweit das einem Behinderten gewährte Pflegegeld für einen Kostenbeitrag in der Behindertenhilfe bei teilstationären Maßnahmen heranzuziehen sei, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. 10 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Das Salzburger Behindertengesetz 1981, LGBl. Nr. 93/1981
idF LGBl. Nr. 53/2011 (Sbg. BHG), lautet auszugsweise:
"Kostenbeiträge
§ 17
(1) Der Behinderte sowie die für ihn gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen haben zu den Kosten der Eingliederungshilfe mit Ausnahme der Hilfe durch geschützte Arbeit entsprechend ihrer finanziellen Leistungskraft im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht beizutragen. Als gesetzlich unterhaltspflichtige Personen im Sinne dieses Gesetzes haben nur der Ehegatte oder eingetragene Partner (frühere Ehegatte bzw eingetragene Partner) sowie die im ersten Grad Verwandten des Behinderten zu gelten. Erreichte das Ausmaß des Kostenbeitrages die Gesamtkosten der Hilfeleistung, kommt eine solche nicht in Betracht. Von einem Kostenbeitrag kann insoweit abgesehen werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet oder ihrer Zielsetzung widersprochen würde.
(2) Der Behinderte hat nur aus seinem Einkommen zu den Kosten der ihm gewährten Hilfe beizutragen. Bei Hilfe zur sozialen Betreuung (§ 10a) ist jedoch auch ein verwertbares Vermögen heranzuziehen. Die Verbindlichkeit zum Ersatz der Kosten dieser Hilfe geht gleich einer anderen Schuld auf den Nachlass des Behinderten über. Erben haften dabei jedoch stets nur bis zur Höhe des Wertes des Nachlasses. Sie können gegenüber Ersatzforderungen nicht einwenden, dass der Behinderte zu Lebzeiten den Ersatz hätte verweigern können. Handelt es sich bei den Erben um die Eltern, Kinder, Ehegatten oder eingetragene Partner des Behinderten, ist darauf Bedacht zu nehmen, dass durch den Kostenersatz ihre Existenz nicht gefährdet wird.
..."
12 § 17 Abs. 2 und § 23 Abs. 7 Sbg. BHG idF der Novelle
LGBl. Nr. 17/2013 lauten auszugsweise:
"Kostenbeiträge
§ 17
...
(2) Behinderte haben zu den Kosten der ihnen gewährten Eingliederungshilfe beizutragen:
1. aus ihrem Einkommen;
2. aus einem allfälligen Bezug von pflegebezogenen
Geldleistungen, soweit diese nicht gesetzlich auf den Träger der Behindertenhilfe übergehen oder als Taschengeld gebühren. Die Landesregierung hat durch Verordnung festzulegen, in welcher Höhe der Beitrag unter Zugrundelegung des zeitlichen Ausmaßes der Inanspruchnahme der Maßnahme zu leisten ist; und
3. aus ihrem verwertbaren Vermögen bei der Hilfe zur
sozialen Betreuung.
...
Inkrafttreten novellierter Bestimmungen
und Übergangsbestimmungen hiezu
§ 23
...
(7) § 17 Abs 2 in der Fassung des Gesetzes LGBL Nr 17/2013 tritt mit in Kraft. Die Erlassung einer Verordnung nach der Z 2 dieser Bestimmung kann rückwirkend auf diesen Zeitpunkt erfolgen."
13 Die Verordnung der Salzburger Landesregierung vom , mit der der Kostenbeitrag aus dem Bezug von pflegebezogenen Geldleistungen für Eingliederungshilfen festgesetzt wird (Eingliederungshilfe-Kostenbeitragsverordnung), LGBl. Nr. 76/2013, lautet auszugsweise:
"Auf Grund des § 17 Abs 2 Z 2 des Salzburger Behindertengesetzes 1981, LGBl Nr 93/1981, in der geltenden Fassung wird verordnet:
Kostenbeitrag
§ 1
(1) Menschen mit Behinderung haben bei Maßnahmen des Wohnens und der Tagesstrukturierung aus einem allfälligen Bezug von pflegebezogenen Geldleistungen einen Beitrag zu den Kosten einer ihnen gewährten Eingliederungshilfe in der sich aus dieser Verordnung ergebenden Höhe zu leisten.
(2) Keine Beitragspflicht besteht:
1. bei stationärer Unterbringung im Sinn des § 13 des Bundespflegegeldgesetzes - BPGG;
bei Ruhen des Pflegegeldes gemäß § 12 Abs 1 Z 1 BPGG;
3. bei Einrichtungen des Wohnens, in denen keine
pflegerischen Leistungen vorgesehen sind;
4. bei häuslicher Pflege der pflegebedürftigen Person wegen
(3) Der Kostenbeitrag ist monatlich in Form eines pauschalierten Geldbetrages zu leisten. Für die Tage, an denen eine Beitragsleistung nach Abs 2 entfällt, ist der Kostenbeitrag unter Zugrundelegung von 30 Tagen pro Monat entsprechend zu kürzen. Das Vorliegen des Ruhens des Pflegegeldes (Abs 2 Z 2) oder einer häuslichen Pflege wegen Krankheit (Abs 2 Z 4) ist der zuständigen Behörde anzuzeigen und durch geeignete Unterlagen zu belegen.
Höhe des Kostenbeitrages
§ 2
(1) Der Kostenbeitrag bemisst sich nach der Höhe des monatlichen Bezugs der pflegebezogenen Geldleistungen und beträgt in Prozenten davon:
...
2. bei einer Maßnahme der Tagestrukturierung:
bei einer halbtagesstrukturellen Betreuung 20 %
bei einer tagesstrukturellen Betreuung 40 %.
Bei Zusammentreffen von Maßnahmen nach den Z 1 und 2 ist der jeweils höhere Prozentsatz maßgeblich.
...
Inkrafttreten
§ 3
Diese Verordnung tritt mit in Kraft."
14 Die Erläuterungen zur Novelle LGBl. Nr. 17/2013 (RV 170 Blg. Salzburger Landtag 14. GP, S. 2 f) lauten auszugsweise wie folgt:
"1. Allgemeines:
Auf Grund des Pflegegeldreformgesetzes 2012, BGBl I Nr 58/2011, ging mit die Kompetenz der Länder zur Gesetzgebung und Vollziehung in Angelegenheiten des Pflegegeldwesens auf den Bund über. Das Salzburger Pflegegeldgesetz trat mit diesem Zeitpunkt außer Kraft.
Im Gegensatz zur bisherigen Landesrechtslage, wonach gemäß § 16 Abs 4 des Salzburger Pflegegeldgesetzes bei Ersatz von Gelddurch Sachleistungen im Fall der Kostenbeteiligung des Sozialhilfeträgers das Pflegegeld direkt an diesen auszuzahlen und von diesem mit dem Leistungserbringer abzurechnen war, sieht § 13 des Bundespflegegeldgesetzes einen gesetzlichen Übergang des Anspruchs auf Pflegegeld an den Sozialhilfeträger nur im Fall einer stationären Pflege einer pflegebedürftigen Person vor. Für nicht- oder nur teilstationäre Pflegedienstleistungen, wie sie vielfach in der Behindertenhilfe erbracht werden, enthält das Bundesgesetz keine entsprechende Regelung.
Um eine Kostenbeteiligung in diesem Bereich weiterhin sicherzustellen, sieht der Vorschlag zur Änderung des Salzburger Behindertengesetzes die Berücksichtigung des Pflegegeldes oder sonstiger pflegegeldbezogener Geldleistungen beim Kostenersatz für Eingliederungshilfen vor.
...
7. Zu einzelnen Bestimmungen:
Zu Z 1
Entsprechend der Rechtslage bei der stationären Pflege von Menschen mit Behinderung (Behinderte gemäß § 2 Abs 1 des Salzburger Behindertengesetzes), nach der der Anspruch auf das Pflegegeld auf den Kostenträger übergeht, soll auch bei der Erbringung von teilstationären Dienstleistungen der Eingliederungshilfe ein Teil des zur Auszahlung kommenden Pflegegeldes, mit Ausnahme des gesetzlich gebührenden Taschengeldes, für die Kostenabdeckung der Hilfe eingesetzt werden müssen. Die Höhe dieses Beitrags ist durch Verordnung der Landesregierung in Abhängigkeit vom zeitlichen Ausmaß der Inanspruchnahme der Maßnahme zu bestimmen. Werden auf Grund des § 20 des Bundespflegegesetzes Sachlei(s)tungen an Stelle von Pflegegeld erbracht, ist kein Beitrag zu leisten.
Die Z 1 und 3 im § 17 Abs 2 entsprechen der bisherigen
Rechtslage.
Zu Z 2:
Das Gesetz soll mit Beginn des Monats, der auf die Kundmachung der Novelle im Landesgesetzblatt folgt, in Kraft treten. Einer längeren Legisvakanz bedarf es nicht. In dieser Zeit soll auch die im § 17 Abs 2 Z 2 vorgesehene Verordnung erlassen werden. Kraft der besonderen Ermächtigung wäre auch eine auf diesen Zeitpunkt rückwirkende Erlassung möglich."
15 Die Revision ist aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie erweist sich im Ergebnis - teilweise - als begründet.
16 Die Revisionswerberin macht bezüglich der Kostenbeitragspflicht für den Zeitraum vom bis zunächst unter Verweis auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (vom , Zl. 97/08/0122, vom , Zl. 96/08/0346, vom , Zl. 2001/11/0322 = VwSlg. Nr. 15.784 A, und vom , Zl. 2006/05/0120) geltend, das Pflegegeld sei nicht als Einkommen im Sinne des Sbg. BHG zu berücksichtigen.
17 Dem ist zu erwidern, dass die von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Erkenntnisse nicht zum hier maßgeblichen Sbg. BHG ergangen sind und - soweit damit nicht bloß Aussagen zum Einkommensbegriff eines bestimmten Gesetzes getroffen werden - (lediglich) zum Ausdruck bringen, dass das Pflegegeld - wie etwa im genannten Erkenntnis vom formuliert wird - "zur Abdeckung des durch die Pflegebedürftigkeit verursachten Sonderbedarfes an Betreuung und Hilfe" dient und "demnach kein seinen sonstigen Lebensbedarf deckendes Einkommen des Betroffenen" darstellt. Für die Auslegung des dem § 17 Sbg. BHG zugrunde gelegten Einkommensbegriffes sind diese Überlegungen aber nicht maßgeblich, zumal es dabei - jedenfalls im hier relevanten Zusammenhang eines Kostenbeitrages für eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 10 leg. cit. - nicht um die Abdeckung des "sonstigen Lebensbedarfes", sondern des aus der Behinderung resultierenden Sonderbedarfes an Betreuung geht.
18 Das Verwaltungsgericht ist daher - mangels einer Begriffsbestimmung im Sbg. BHG, was unter Einkommen im Sinne des § 17 Abs. 2 leg. cit. zu verstehen sei - zu Recht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den sozialhilferechtlichen Bestimmungen der Länder ausgegangen, wonach von einem umfassenden Einkommensbegriff auszugehen ist, der alle Einkünfte des Hilfesuchenden umfasst, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen (vgl. den zu § 17 Abs. 2 Z. 1 Sbg. BHG idF LGBl. Nr. 17/2013 ergangenen hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2017/10/0060, und die dort zitierte Vorjudikatur). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin lässt sich auch aus den oben wiedergegebenen Materialien zur Novelle LGBl. Nr. 17/2013 Gegenteiliges nicht ableiten, wird darin doch lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die bisher im Wege der Pfleggeldteilung vorgenommene Kostenbeteiligung aus dem Pflegegeld weiterhin sichergestellt und deshalb einer - in Ansehung des Pflegegeldes nunmehr ausdrücklichen - Regelung zugeführt werden soll.
19 Was die Höhe des für den Zeitraum vom bis auferlegten Kostenbeitrages (von EUR 153,16 monatlich) anbelangt, nimmt die Revision den Standpunkt ein, das Verwaltungsgericht hätte "den tatsächlichen Pflegeaufwand" ermitteln und Feststellungen zum "Pflege- und Betreuungsbedarf am Wohnsitz der Revisionswerberin einerseits und in der ‚Lebenshilfe' andererseits" treffen und den Kostenbeitrag anhand des ermittelten Aufteilungsschlüssels des Pflegeaufwandes bestimmen müssen.
20 Dem ist zu entgegen, dass Derartiges dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. Das Sbg. BHG sieht in seinem § 17 Abs. 1 diesbezüglich vor, dass der Behinderte zu den Kosten der Eingliederungshilfe entsprechend seiner finanziellen Leistungskraft beizutragen hat. Erreichte das Ausmaß des Kostenbeitrages die Gesamtkosten der Hilfeleistung, kommt eine solche nicht in Betracht. Von einem Kostenbeitrag kann insoweit abgesehen werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet oder ihrer Zielsetzung widersprochen würde.
21 Dass mit dem auferlegten Kostenbeitrag die finanzielle Leistungskraft der Revisionswerberin überschritten bzw. der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet oder ihrer Zielsetzung widersprochen würde, wird in der Revision nicht behauptet. Dass das Ausmaß des Kostenbeitrages die Gesamtkosten der Hilfeleistung - diese beliefen sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes im September 2010 auf täglich EUR 56,79 - erreichte, wird ebenfalls nicht geltend gemacht. Davon ausgehend zeigt die Revision allerdings keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf, soweit damit ein Kostenbeitrag für den Zeitraum vom bis in der genannten Höhe auferlegt wurde.
22 Was im Weiteren den auferlegten Kostenbeitrag ab anbelangt, enthält die Revision kein Vorbringen dazu, weshalb sich dieser Kostenbeitrag, der seine Grundlage in § 17 Abs. 2 Z. 2 Sbg. BHG idF LGBl. Nr. 17/2013 iVm § 2 Abs. 1 Z. 2 lit. b der Eingliederungshilfe-Kostenbeitragsverordnung findet, dem Grunde oder der Höhe nach als rechtswidrig darstellen sollte. Die Revision zeigt daher auch insoweit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.
23 Was allerdings den Zeitraum vom bis anbelangt, ist auf Folgendes hinzuweisen:
24 Der Gesetzgeber hat mit der Novelle LGBl. Nr. 17/2013 die Verpflichtung zum Kostenbeitrag aus dem Bezug von pflegebezogenen Geldleistungen in § 17 Abs. 2 Z. 2 Sbg. BHG einem eigenen Tatbestand unterstellt. Er hat damit einerseits diese Geldleistungen aus dem in Z. 1 verwendeten Einkommensbegriff herausgelöst und gesondert geregelt und andererseits die Höhe des aus pflegebezogenen Geldleistungen (soweit diese nicht gesetzlich auf den Träger der Behindertenhilfe übergehen oder als Taschengeld gebühren) zu leistenden Kostenbeitrages ausdrücklich einer Festlegung durch Verordnung der Landesregierung vorbehalten. Der Gesetzgeber hat zudem in § 23 Abs. 7 zweiter Satz Sbg. BHG den Verordnungsgeber ermächtigt, die Erlassung einer Verordnung nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Sbg. BHG rückwirkend auf den vorzunehmen (vgl. dazu auch die oben wiedergegebenen Materialien zur Novelle LGBl. Nr. 17/2013).
25 Der Verordnungsgeber hat von dieser Ermächtigung allerdings keinen Gebrauch gemacht und die Eingliederungshilfe-Kostenbeitragsverordnung nach deren § 3 mit in Kraft gesetzt. Damit mangelt es für den Zeitraum vom bis aber an einer - vom Gesetzgeber ausdrücklich einer Festlegung durch Verordnung der Landesregierung vorbehaltenen - Rechtsgrundlage für die Festlegung der Höhe des Kostenbeitrages, sodass sich die Auferlegung insoweit als inhaltlich rechtswidrig darstellt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 742/74 = VwSlg. 8944 A, und vom , Zl. 96/05/0109).
26 Das angefochtene Erkenntnis war daher insoweit, als damit ein Kostenbeitrag für den Zeitraum vom bis vorgeschrieben wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
27 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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