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VwGH vom 11.08.2017, Ro 2015/10/0019

VwGH vom 11.08.2017, Ro 2015/10/0019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der M K in S, vertreten durch Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Markus-Sittikus-Straße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. LVwG-9/93/6-2014, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg den Antrag der Revisionswerberin vom auf Gewährung Bedarfsorientierter Mindestsicherung ab (I.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt (II.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die 1980 geborene Revisionswerberin, eine ungarische Staatsangehörige, sei seit Juni 2001 mit Unterbrechungen in der Stadt Salzburg aufhältig und mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit sei die Revisionswerberin durchgehend mit Hauptwohnsitz in Salzburg gemeldet. Der Revisionswerberin und ihrer am geborenen Tochter seien vom Magistrat der Stadt Salzburg jeweils am Anmeldebescheinigungen für EWR-Bürgerinnnen gemäß § 51 Abs 1 Z 1 bzw. § 52 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ausgestellt worden.

3 Von bis sei die Revisionswerberin bei der Firma L. als Angestellte mit einem Ausmaß von 20 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt gewesen; das Dienstverhältnis habe infolge Kündigung durch die Revisionswerberin geendet. Von bis sei die Revisionswerberin als Reinigungskraft bei einem Dienstgeber in Salzburg ebenfalls mit 20 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt gewesen. Von bis habe die Revisionswerberin Wochengeld bezogen. Seit befinde sie sich in Karenz und beziehe Kinderbetreuungsgeld. Die Revisionswerberin widme sich derzeit ausschließlich der Betreuung ihrer minderjährigen Tochter, gehe keiner Erwerbstätigkeit nach und befinde sich nicht auf Arbeitssuche. Sie plane die Wiederaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit mit Ablauf der Karenz.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, gemäß § 4 Salzburger Mindestsicherungsgesetz (Sbg MSG) hätten nur Personen, die ihren Hauptwohnsitz oder mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Salzburg hätten und zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt seien, Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Zum Personenkreis, die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt seien, zählten gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 Sbg MSG jene Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügten. Nach § 51 Abs. 1 Z 1 NAG iVm Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) habe jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat sei.

5 Die Revisionswerberin sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum August 2014 in Österreich weder als Arbeitnehmerin noch als Selbständige erwerbstätig gewesen, sondern habe sich ausschließlich der Betreuung ihrer minderjährigen Tochter gewidmet. Es sei daher zu prüfen, ob der Revisionswerberin die Arbeitnehmereigenschaft, die ihr vor der Geburt ihrer Tochter aufgrund der festgestellten Beschäftigung in Österreich zugekommen sei, im Sinne des § 51 Abs. 2 NAG bzw. Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie erhalten geblieben sei.

6 Nach dem einschlägigen C- 507/12, gehe die Arbeitnehmereigenschaft durch vorübergehende Aufgabe der Arbeit im Spätstadium der Schwangerschaft nicht verloren. Die Freizügigkeitsrichtlinie könne die Tragweite des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des Art. 45 AEUV nicht einschränken; die Arbeitnehmereigenschaft und die sich aus ihr ergebenden Rechte würden somit nicht unbedingt vom tatsächlichen Bestehen oder Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses abhängen. Der EuGH habe judiziert, dass die Aufgabe der Ausübung einer Arbeitnehmertätigkeit infolge der aus der Schwangerschaft resultierenden Belastungen grundsätzlich nicht geeignet sei, der Frau die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Art. 45 AEUV abzusprechen.

7 Die in Österreich maßgeblichen Vorschriften über den Mutterschutz fänden sich im Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG), dessen §§ 3 und 5 Beschäftigungsverbote für werdende Mütter in den letzten acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung und bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung normierten. Dieser gesetzliche Mutterschaftsurlaub entspreche den Vorgaben der vom EuGH angesprochenen Richtlinie 92/85/EWG.

8 Der Revisionswerberin sei daher für einen Zeitraum von acht Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt ihrer Tochter die Arbeitnehmereigenschaft erhalten geblieben. Der entscheidungsrelevante Zeitraum liege jedoch außerhalb dieses Zeitrahmens, zumal sich die Revisionswerberin im August 2014 nicht mehr im Mutterschutz, sondern in Karenz (gegen Entfall des Entgelts) gemäß § 15 MSchG befunden habe. Durch die Inanspruchnahme der Karenz habe die Revisionswerberin somit ihre Arbeitnehmer- bzw. Erwerbstätigeneigenschaft verloren, weshalb ihr auch das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr zukomme. Der Antrag auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung sei daher gemäß § 4 Abs. 2 Sbg MSG abzuweisen gewesen.

9 Zur Zulässigkeit der Revision führte das Verwaltungsgericht aus, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine Arbeitnehmerin, die nach der Geburt ihres Kindes nicht bloß den Mutterschaftsurlaub sondern auch Karenz im Sinne des § 15 MSchG in Anspruch nehme, ihre Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Art 45 AEUV und somit auch ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht verliere, fehle.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die im Wesentlichen ausführt, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht vom Verlust der Arbeitnehmereigenschaft der Revisionswerberin ausgegangen. Die Revisionswerberin habe ihr bestehendes Arbeitsverhältnis nicht beendet sondern nur die Möglichkeit der Karenz nach dem MSchG in Anspruch genommen. Das Arbeitsverhältnis bleibe während der Karenz "dem Grunde nach" aufrecht, doch ruhten in dieser Zeit einerseits die Verpflichtung der Arbeitnehmerin zur Arbeitsleistung und andererseits die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung des Entgelts; alle anderen Pflichten, wie insbesondere die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bzw. die Treuepflicht der Arbeitnehmerin blieben aufrecht. Der EuGH judiziere in ständiger Rechtsprechung, dass erst mit Beendigung eines Arbeitsverhältnisses die Arbeitnehmereigenschaft verloren gehe. Die §§ 15 ff MSchG seien weiters im Lichte der Elternurlaubsrichtlinie 96/34/EG auszulegen, wonach dem Arbeitnehmer die Rechte, die zu Beginn des Elternurlaubs erworben worden seien, bis zu dessen Ende bestehen blieben. Der Arbeitnehmerbegriff nach Art. 45 AEUV sei weit auszulegen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts bewirke eine - nach Art 45 Abs. 2 AEUV unzulässige - Diskriminierung von Unionsbürgerinnen gegenüber österreichischen Arbeitnehmerinnen, weil letztgenannte während der zweijährigen Karenz neben den Leistungen des Kinderbetreuungsgeldes auch Mindestsicherungsleistungen in Anspruch nehmen könnten. Schließlich lege auch der OGH (Hinweis auf die Entscheidung vom , 10 Ob 13/09y) den Arbeitnehmerbegriff wesentlich weiter aus.

11 Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor, erstattete aber keine Revisionsbeantwortung.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Die im Revisionsfall maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten (auszugsweise):

§ 4 Salzburger Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 63/2010 idF

LGBl. Nr. 90/2014 (Sbg MSG):

"Persönliche Voraussetzungen

§ 4

(1) Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz haben vorbehaltlich Abs 3 nur Personen, die ihren Hauptwohnsitz oder mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Salzburg haben und zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.

(2) Zum Personenkreis, die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind, gehören:

...

2. Personen, die über ein unionsrechtliches

Aufenthaltsrecht gemäß den §§ 15a und 15b FPG 2005 oder gemäß den §§ 51 bis 54a und 57 NAG verfügen;

..."

§ 51 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005

idF BGBl. I Nr. 40/2014 (NAG):

"Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht für EWR-Bürger für mehr als drei Monate

§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

  1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende

Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz

verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder

Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen

müssen, oder

3. ...

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder

Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese

Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend

arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter

unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger

Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des

Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter

(3) ..."

Mutterschutzgesetz 1979, BGBl Nr. 221 idF BGBl. I Nr. 138/2013 (MSchG):

"Beschäftigungsverbote für werdende Mütter

§ 3. (1) Werdende Mütter dürfen in den letzen acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung (Achtwochenfrist) nicht beschäftigt werden.

(2) Die Achtwochenfrist (Abs. 1) ist auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses zu berechnen. Erfolgt die Entbindung früher oder später als im Zeugnis angegeben, so verkürzt oder verlängert sich diese Frist entsprechend.

(3) Über die Achtwochenfrist (Abs. 1) hinaus darf die werdende Mutter auch dann nicht beschäftigt werden, wenn nach einem von ihr vorgelegten Zeugnis eines Arbeitsinspektionsarztes oder einer Amtsarztes Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet wäre.

...

Beschäftigungsverbote nach der Entbindung

§ 5. (1) Dienstnehmerinnen dürfen bis zum Ablauf von acht

Wochen nach ihrer Entbindung nicht beschäftigt werden. ... Ist

eine Verkürzung der Achtwochenfrist (§ 3 Abs. 1) vor der Entbindung eingetreten, so verlängert sich die Schutzfrist nach der Entbindung im Ausmaß dieser Verkürzung, höchstens jedoch auf 16 Wochen.

...

Kündigungsschutz

§ 10. (1) Dienstnehmerinnen kann während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung rechtswirksam nicht gekündigt werden, es sei denn, daß dem Dienstgeber die Schwangerschaft beziehungsweise Entbindung nicht bekannt ist.

...

Anspruch auf Karenz

§ 15. (1) Der Dienstnehmerin ist auf ihr Verlangen im Anschluss an die Frist des § 5 Abs. 1 und 2 Karenz gegen Entfall des Arbeitsentgelts bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu gewähren, wenn sie mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt. ...

(2) Die Karenz muss mindestens zwei Monate betragen.

(3) Die Dienstnehmerin hat Beginn und Dauer der Karenz dem Dienstgeber bis zum Ende der Frist des § 5 Abs. 1 bekannt zu geben. ...

(4) Wird Karenz nach Abs. 1 und 3 in Anspruch genommen, so erstreckt sich der Kündigungs- und Entlassungsschutz nach den §§ 10 und 12 bis zum Ablauf von vier Wochen nach Beendigung der Karenz."

Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 86/1999 idF BGBl. III Nr. 132/2009 (AEUV):

"Artikel 45

(ex-Artikel 39 EGV)

(1) Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

..."

Artikel 7 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten ("Freizügigkeitsrichtlinie" bzw. "Unionsbürgerrichtlinie"):

"Artikel 7

Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate

(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im

Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von

über drei Monaten, wenn er

a) Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat

ist oder

b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende

Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts

keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch

nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen

umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat

verfügen oder

...

(3) Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:

a) er ist wegen einer Krankheit oder eines Unfalls

vorübergehend arbeitsunfähig:

b) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter

unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger

Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung;

c) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter

unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;

d) er beginnt eine Berufsausbildung; ..."

14 Die Revision ist aus dem vom Verwaltungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

15 Einleitend ist festzuhalten, dass die Revisionswerberin nicht behauptet hat, über ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des § 53a Abs. 1 NAG zu verfügen. Die Revisionswerberin hat gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 2 Sbg MSG Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, wenn ihr - infolge ihrer Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmerin - ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 NAG zukommt.

16 Unstrittig ist, dass die Revisionswerberin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (August 2014) keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Aus § 51 Abs. 2 NAG ergibt sich, dass die Beendigung der Ausübung der Erwerbstätigkeit grundsätzlich zum Verlust der Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger führt, sofern die Erwerbstätigeneigenschaft nicht aus besonderen Gründen erhalten bleibt.

17 Im Revisionsfall ist die Frage zu klären, ob die Revisionswerberin ihre Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmerin infolge ihrer Karenz (im Sinne des § 15 MSchG) verloren hat oder ihr diese Eigenschaft ungeachtet der Karenz erhalten geblieben ist.

18 Der EuGH hat sich in dem vom Verwaltungsgericht erwähnten Urteil vom mit der Auslegung des Begriffs "Arbeitnehmer" im Sinne des Art. 45 AEUV und Art. 7 der Freizügigkeitsrichtlinie befasst. Der Entscheidung lag in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zu Grunde, dass eine französische Staatsangehörige ihre Beschäftigung als Leiharbeitnehmerin in einem englischen Kindergarten im Spätstadium ihrer Schwangerschaft aufgab und drei Monate nach der (vorzeitigen) Geburt ihres Kindes wieder eine Erwerbstätigkeit aufnahm.

19 In den Entscheidungsgründen führte der EuGH aus:

"... 24 Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht, und insbesondere Art. 45 AEUV und Art. 7 der Richtlinie 2004/38, dahin auszulegen sind, dass eine Frau, die ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitsuche wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes aufgibt, die Eigenschaft als ‚Arbeitnehmer' im Sinne dieser Rechtsvorschriften behält.

25 Zur Beantwortung dieser Fragen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass den Erwägungsgründen 3 und 4 der Richtlinie 2004/38 zufolge mit ihr die bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze des elementaren und persönlichen Rechts der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, überwunden werden sollen, um die Ausübung dieses Rechts zu erleichtern, indem ein einziger Rechtsakt ausgearbeitet wird, in dem die vor dem Erlass dieser Richtlinie bestehenden Instrumente des Unionsrechts kodifiziert und überarbeitet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, EU:C:2011:866, Rn. 37). 26 Insoweit ergibt sich aus Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38, dass sie die Bedingungen näher regeln soll, unter denen dieses Recht ausgeübt werden kann, zu denen im Falle eines Aufenthalts von über drei Monaten insbesondere die Bedingung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie gehört, wonach Unionsbürger die Eigenschaft eines Arbeitnehmers oder eines Selbständigen im Aufnahmemitgliedstaat aufweisen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil Brey, C-140/12, EU:C:2013:565, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27 Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 sieht vor, dass für die Zwecke des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt, in bestimmten Fällen dennoch erhalten bleibt, nämlich wenn er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist, wenn er sich, in bestimmten Fällen, in unfreiwilliger Arbeitslosigkeit befindet oder aber, wenn er unter bestimmten Voraussetzungen eine Berufsausbildung beginnt. 28 Es ist jedoch festzustellen, dass Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 nicht ausdrücklich die Situation einer Frau erfasst, die sich wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt ihres Kindes in einer besonderen Lage befindet.

29 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Schwangerschaft eindeutig von einer Krankheit zu unterscheiden ist, da der Zustand der Schwangerschaft nicht mit einem krankhaften Zustand vergleichbar ist (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Webb, C-32/93, EU:C:1994:300, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). 30 Folglich kann eine Frau, die sich in der Situation von Frau Saint Prix befindet und die ihre Erwerbstätigkeit wegen des Spätstadiums ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt ihres Kindes vorübergehend aufgibt, nicht als wegen einer Krankheit vorübergehend arbeitsunfähig gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 angesehen werden.

31 Allerdings ergibt sich weder aus Art. 7 der Richtlinie 2004/38 als Ganzes noch aus weiteren ihrer Bestimmungen, dass unter solchen Umständen einem Unionsbürger, der die Voraussetzungen dieses Artikels nicht erfüllt, deswegen kategorisch die "Arbeitnehmereigenschaft" im Sinne des Art. 45 AEUV abgesprochen wird.

32 Die durch die Richtlinie 2004/38 beabsichtigte Kodifizierung der vor ihrem Erlass bestehenden Instrumente des Unionsrechts, die ausdrücklich die Ausübung des Rechts der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, erleichtern soll, kann nämlich für sich genommen die Tragweite des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des AEU-Vertrags nicht einschränken. 33 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Begriff "Arbeitnehmer" im Sinne des Art. 45 AEUV, da er den Anwendungsbereich einer vom AEU-Vertrag vorgesehenen Grundfreiheit festlegt, weit auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil N., C-46/12, EU:C:2013:97, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34 Vor diesem Hintergrund hat der Gerichtshof festgestellt, dass jeder Angehörige eines Mitgliedstaats, der von dem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich von Art. 45 AEUV fällt (vgl. u. a. Urteile Ritter-Coulais, C-152/03, EU:C:2006:123, Rn. 31, und Hartmann, C-212/05, EU:C:2007:437, Rn. 17). 35 Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass im Rahmen von Art. 45 AEUV als Arbeitnehmer anzusehen ist, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verliert der Betroffene grundsätzlich die Arbeitnehmereigenschaft, wobei jedoch zum einen diese Eigenschaft nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmte Folgewirkungen haben kann und zum anderen derjenige, der tatsächlich eine Arbeit sucht, ebenfalls als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist (Urteil Caves Krier Freres, C-379/11, EU:C:2012:798, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). 36 Hierbei ist für die vorliegende Rechtssache hervorzuheben, dass zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer auch das Recht der Angehörigen der Mitgliedstaaten gehört, sich in den anderen Mitgliedstaaten frei zu bewegen und sich dort aufzuhalten, um eine Stelle zu suchen (vgl. u. a. Urteil Antonissen, C-292/89, EU:C:1991:80, Rn. 13).

37 Somit hängen die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 45 AEUV und die sich aus ihr ergebenden Rechte nicht unbedingt vom tatsächlichen Bestehen oder Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses ab (vgl. in diesem Sinne Urteil Lair, 39/86, EU:C:1988:322, Rn. 31 und 36).

38 Unter diesen Umständen kann entgegen dem Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs nicht davon ausgegangen werden, dass Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 eine abschließende Aufzählung der Umstände enthält, unter denen einem Wanderarbeitnehmer, der sich nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis befindet, dennoch weiterhin die Arbeitnehmereigenschaft zuerkannt werden kann.

39 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung und wird von den Parteien des Ausgangsverfahrens auch nicht bestritten, dass Frau Saint Prix im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs Arbeitnehmertätigkeiten ausgeübt hat, bevor sie weniger als drei Monate vor der Geburt ihres Kindes ihre Erwerbstätigkeit wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und unmittelbar nach der Geburt des Kindes aufgab. Ohne während der Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats verlassen zu haben, nahm sie drei Monate nach der Geburt ihres Kindes wieder eine Erwerbstätigkeit auf.

40 Die Tatsache, dass diese Belastungen eine Frau zwingen, die Ausübung einer Arbeitnehmertätigkeit während des für ihre Erholung erforderlichen Zeitraums aufzugeben, ist aber grundsätzlich nicht geeignet, ihr die "Arbeitnehmereigenschaft" im Sinne von Art. 45 AEUV abzusprechen.

41 Der Umstand, dass eine solche Person dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats während einiger Monate tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden hat, bedeutet nämlich nicht, dass sie während dieser Zeit nicht weiterhin in den betreffenden Arbeitsmarkt eingegliedert ist, sofern sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt des Kindes ihre Beschäftigung wieder aufnimmt oder eine andere Beschäftigung findet (vgl. entsprechend Urteil Orfanopoulos und Oliveri, C- 482/01 und C-493/01, EU:C:2004:262, Rn. 50).

42 Bei der Feststellung, ob der zwischen der Geburt des Kindes und der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit liegende Zeitraum als angemessen angesehen werden kann, hat das betreffende nationale Gericht alle konkreten Umstände des Ausgangsverfahrens und die für die Dauer des Mutterschaftsurlaubs geltenden nationalen Vorschriften im Einklang mit Art. 8 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1) zu berücksichtigen.

43 Das in Rn. 41 des vorliegenden Urteils gefundene Ergebnis steht mit dem Ziel des Art. 45 AEUV im Einklang, es einem Arbeitnehmer zu ermöglichen, frei in das Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort aufzuhalten, um dort eine Tätigkeit auszuüben (vgl. Urteil Uecker und Jacquet, C-64/96 und C-65/96, EU:C:1997:285, Rn. 21).

44 Eine Unionsbürgerin würde nämlich, wie die Europäische Kommission geltend macht, von der Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit abgehalten, wenn sie für den Fall ihrer Schwangerschaft im Aufnahmemitgliedstaat und der dadurch bedingten, sei es auch noch so kurzzeitigen, Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit Gefahr liefe, die Arbeitnehmereigenschaft in diesem Staat zu verlieren.

45 Ferner ist daran zu erinnern, dass das Unionsrecht Frauen im Zusammenhang mit der Mutterschaft einen besonderen Schutz gewährt. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 im Hinblick auf die Berechnung des ununterbrochenen fünfjährigen Aufenthalts im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats, der es Unionsbürgern erlaubt, das Recht zu erwerben, sich dort auf Dauer aufzuhalten, die Kontinuität des Aufenthalts u. a. durch eine einzige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinanderfolgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Niederkunft nicht berührt wird. 46 Wenn jedoch vor dem Hintergrund dieses Schutzes eine Abwesenheit aufgrund eines wichtigen Ereignisses wie einer Schwangerschaft oder Niederkunft die Kontinuität des fünfjährigen Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat, die für die Gewährung des Rechts auf Daueraufenthalt erforderlich ist, unberührt lässt, können körperliche Belastungen im Spätstadium einer Schwangerschaft und unmittelbar nach der Geburt des Kindes, die eine Frau zur vorübergehenden Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit zwingen, für die Betroffene erst recht nicht zum Verlust der Arbeitnehmereigenschaft führen.

47 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen des vorlegenden Gerichts zu antworten, dass Art. 45 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine Frau, die ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitsuche wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes aufgibt, die "Arbeitnehmereigenschaft" im Sinne dieser Vorschrift behält, sofern sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt ihres Kindes ihre Beschäftigung wieder aufnimmt oder eine andere Stelle findet. ..."

20 Der EuGH geht demnach zwar davon aus, dass - als Konsequenz der weiten Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs des Art 45 AEUV - über den Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie hinaus weitere (als die von den Tatbeständen der lit. a bis d erfassten) Fälle denkbar sind, in denen die Erwerbstätigen- bzw. Arbeitnehmereigenschaft trotz Nichtausübung der Erwerbstätigkeit erhalten bleibt (Rn. 38). Im gegebenen Zusammenhang knüpft der EuGH die Beibehaltung der Arbeitnehmereigenschaft allerdings ausdrücklich an die besondere Schutzbedürftigkeit von Frauen, die sich infolge der Schwangerschaft zu einer "auch noch so kurzzeitigen Aufgabe der Erwerbstätigkeit" veranlasst sehen (Rn. 44 f). In Anbetracht eines "wichtigen Ereignisses wie der Schwangerschaft oder Niederkunft" könnten körperliche Belastungen während der Schwangerschaft und unmittelbar nach der Geburt des Kindes, die eine Frau zur vorübergehenden Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit zwingen, nicht zum Verlust der Arbeitnehmereigenschaft führen (Rn. 46). Entscheidend für den Erhalt der Arbeitnehmereigenschaft ist nach Auffassung des EuGH schließlich, dass die Frau "innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt" die Beschäftigung wieder aufnehme oder eine andere Stelle finde (Rn. 47; argum "die Arbeitnehmereigenschaft behält, sofern ...").

21 Bezogen auf die Rechtslage nach dem MSchG liegen diese - vom EuGH eng gefassten - Voraussetzungen der Beibehaltung der Arbeitnehmereigenschaft für die Dauer der Beschäftigungsverbote nach den §§ 3 und 5 MSchG vor, sofern die Betroffene nach Ablauf der Schutzfrist des § 5 leg. cit. wieder eine Beschäftigung aufnimmt. Die Beibehaltung der Arbeitnehmerschaft kommt hingegen nicht in Betracht, wenn die Wiederaufnahme bzw. Ausübung der Erwerbstätigkeit infolge der Inanspruchnahme der Karenz im Sinne des § 15 MSchG unterbleibt: Zum einen bezweckt die Karenz - im Gegensatz zu den Beschäftigungsverboten der §§ 3 und 5 MSchG - nicht die Hintanhaltung von körperlichen Belastungen der Mutter, die aus der Schwangerschaft oder der Geburt resultieren. Zum anderen steht die - an die Zeiträume des Mutterschutzes - anschließende Karenz auch der Voraussetzung einer bloß "kurzzeitigen" Aufgabe der Erwerbstätigkeit bzw. dem Erfordernis der Wiederaufnahme der Beschäftigung innerhalb eines "angemessenen Zeitraumes nach der Geburt" entgegen.

22 Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht vom Verlust der Erwerbstätigeneigenschaft der Revisionswerberin im Sinne des § 51 Abs. 2 NAG iVm Art 7 Abs. 3 Unionsbürgerrichtlinie ausgegangen, zumal sich diese im maßgeblichen Zeitraum (August 2014) bereits ca. zehn Monate in Karenz befand.

23 Entgegen der Revisionsauffassung vermag der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis im Sinn des § 15 Abs. 4 MSchG während der Dauer der Karenz aufrecht bleibt, daran nichts zu ändern.

24 Aus dem Hinweis auf das , lässt sich für die Revision nichts gewinnen, weil es in dieser Entscheidung um den (sozialversicherungsrechtlichen) Arbeitnehmerbegriff im Sinne der "Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern", ging, diese Verordnung aber gemäß ihrem Artikel 4 Abs. 4 "auf die Sozialhilfe" nicht anzuwenden war und sohin im Bereich der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ebenfalls nicht maßgeblich ist (vgl. nunmehr ebenso Art. 3 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, wonach die Verordnung auf "soziale Fürsorge" nicht anwendbar ist, sowie die zu dieser Verordnung ergangene jüngere Judikatur des OGH, etwa das Urteil vom , 10 Ob S 148/14h). Der EuGH hat dazu in seinem - infolge eines Vorabentscheidungsersuchens durch den OGH ergangenen - Urteil vom , C-516/09, festgehalten, dass eine Person die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 besitzt, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art. 1 lit. a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Unter dieser Voraussetzung kam der Klägerin des Ausgangsverfahrens während der sechsmonatigen Verlängerung der Karenz im Anschluss an die Geburt ihres Kindes die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der genannten Verordnung zu. Der Verordnung Nr. 1408/71 liegt sohin ein anderer Arbeitnehmerbegriff zu Grunde als der Freizügigkeitsrichtlinie.

25 Soweit sich die Revision schließlich auf die "Elternurlaubsrichtlinie" 96/34/EG beruft, ist darauf hinzuweisen, dass diese durch die Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom aufgehoben wurde, mit welcher die im Anhang der Richtlinie wiedergegebene "Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub" in Kraft gesetzt wurde. Ziel dieser Rahmenvereinbarung ist im Wesentlichen die Regelung der Modalitäten für die Inanspruchnahme von "Elternurlaub" sowie der Schutz von - aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag resultierenden - Arbeitnehmerrechten im Falle der Inanspruchnahme des Elternurlaubs durch den Arbeitnehmer (vgl. insbesondere die Paragrafen 3 und 5 der Rahmenvereinbarung). Sozialhilfebzw. mindestsicherungsrechtliche Ansprüche werden darin nicht geregelt.

26 Aus den genannten Gründen hat das Verwaltungsgericht den Anspruch der Revisionswerberin auf Gewährung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sohin infolge des mangelnden unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts der Revisionswerberin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 Sbg MSG zu Recht verneint.

27 Die Revision erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Wien, am

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Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

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